Plötzlich nur noch eine Erinnerung (von desperado09)

Redaktion - 26.10.2015, 12:10 Uhr

Als Henrikh Mkhitaryan in Mainz das 2:0 für unseren BVB erzielte, wusste ich nicht, dass du zu diesem Zeitpunkt schon gestorben warst. Mein Torjubel war nicht überschwänglich, das lag aber wohl eher an der allgemeinen Schwere der vergangenen Tage als an dem, was Esoteriker eine „Ahnung“ nennen würden. Seit dem früheren Nachmittag gab es kein Lebenszeichen mehr von dir. Das konnte alles heißen und nichts. Die Gedanken waren ständig bei dir. Ich konnte dir das so nicht mitteilen, weil ich oft einsilbig werde und mich in mich zurückziehe, wenn es ernst wird.

Und es war ja sehr ernst.

Erst am nächsten Morgen riss mich die Lawine der Trauer mit, als mein Handy unentwegt brummte und mir zigfach traurige Gewissheit brachte. Ungläubiges Entsetzen, schlagartig tiefe Trauer. Die Gedanken sofort bei deiner wunderbaren Frau Ramona, die mir in den vergangenen Jahren eine gute Freundin geworden ist, und bei eurem Sohn.

Ansonsten: Leere.

Leere, wo vorher du warst. Und du warst fast überall. Auf allen Kanälen suchtest du Kontakt zur Welt, führtest Diskussionen - manchmal endlos lang - und brachtest dich ein. Der digitale Arne war omnipräsent. Deine Intelligenz und eine Emotionalität prägten meine Timelines auf Facebook und Twitter. In einem Anflug von Albernheit fragte ich mich, wer denn jetzt das Internet vollschreiben soll, wenn du es nicht mehr kannst.

Doch eine viel größere Lücke hinterlässt du in meinem echten Leben. Du warst für mich ständiger Ansprechpartner, wenn es bei mir Neuigkeiten im Beruf oder in der Familie gab. Wenn ich über ein spannendes Thema sprechen wollte, warst du im Zweifel immer der Richtige. Anders herum fühlte ich mich immer wieder geehrt, wenn du mich anriefst, um Probleme zu besprechen, Neuigkeiten zu überbringen oder über den Verlauf deiner Krankheit zu informieren. Viele unserer Telefonate endeten mit der Floskel "Wir müssten mal wieder...". Ja, wir hätten vieles mal wieder gemusst.

Wenn ich zurückblicke, wird mir schmerzhaft bewusst, dass es für uns - Borussia sei Dank - einfacher war, regelmäßig mit unseren Frauen durch London oder Berlin zu spazieren und in einen Pub oder eine Pizzeria zu gehen als uns einfach mal abends in Dortmund zu treffen. So bekommt dieser gemütliche Abend in einem Pub in Bishop's Stortford noch mehr Gewicht. Genauso wie die Bootsfahrt auf der Themse, die irre Taxifahrt Richtung („famous“!) Abbey Road oder auch einfach die Berliner Weiße mit Schuss vorm Pokalfinale.

Und jetzt ist alles vorbei. Aus einem Menschen wurde mit einem Schlag eine Erinnerung. Nein, ein Bündel aus Hunderten von Erinnerungen. Die meisten sind gut. Die, die es nicht sind, haben mit deiner Krankheit zu tun, nicht mit deiner Persönlichkeit. Wer dich kannte, sollte nach seinen Erinnerungen graben und sie gut aufheben. Neue wird es nicht mehr geben.

Du fehlst.

Dein Stefan

desperado09, 26. Oktober 2015

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