Unsa Senf

Liebe Polizei

24.10.2012, 12:09 Uhr von:  Redaktion

Polizeihubschrauber am Dortmunder HimmelWir müssen reden. Und zwar über den Derby-Samstag. Was war das denn bitte? Gut, wir sind ja inzwischen gewohnt, dass Ihr Euch von Spiel zu Spiel neue Taktiken und Vorgehensweisen überlegt, deren Sinn sich uns – vorsichtig ausgedrückt – nicht immer auf den ersten Blick erschließt. Aber die Planlosigkeit, mit der Ihr am Samstag zu Werke gegangen seid, toppt sogar die Darbietung unserer Schwatzgelben auf dem Platz. Wie war es denn bei Euch? Habt Ihr auch erst 90 Minuten vorher erfahren, dass Ihr mit ganz neuer Taktik in den Einsatz geht?

„Dortmunder und Schalker Gewalttäter haben unser Sicherheitskonzept bewusst unterlaufen und sind entgegen der Ankündigung konspirativ angereist“, so wird Dieter Keil, Euer Dortmunder Einsatzleiter, bei derwesten.de zitiert.

Was heißt das denn bitte? Schon seit Jahren reisen die Fans beider Lager beim jeweiligen Auswärtsspiel auf unterschiedlichsten Wegen an. Das ist nichts Neues und dürfte Euch bei der Polizei doch wirklich als letzte überraschen. Überhaupt, liebe Polizei, mal ehrlich, wie kann das denn sein? Da reisen zwei große Gruppen aus Gelsenkirchen quer durch das Ruhrgebiet und Ihr bemerkt sie erst, wenn sie in Stadionnähe auftauchen? 100 Mann an der Möllerbrücke und immerhin stolze 600 Mann an der Universität? Und diese letztere Gruppe ist sogar so geheim, dass sich in ihrem Schlepptau zwar die offizielle blauweiße Fanbetreuung befindet, aber nichts, was ein Blaulicht hat?

Und mal Butter bei die Fische: Die sind da nicht konspirativ hingefahren, mit eigenen oder gar gestohlenen PKW und gefälschten Kennzeichen, sondern mit dem öffentlichen Nahverkehr. Noch einmal: 600 Mann!

Berittene Polizei und Pfefferspray-Einsatz vor dem StadionDas bekommt Ihr wirklich nicht mit? Obwohl Ihr angeblich Beamte in vierstelliger Anzahl im Einsatz habt? Obwohl sich Eure dem Fußball zugeteilten Ermittler „szenekundig“ schimpfen? Obwohl einem rund um das Stadion die Ohren dröhnen, weil ständig irgendwo einer Eurer Hubschrauber kreist? Wem wollt Ihr das denn erzählen?

Und während sich die 600 Blauen von der Uni aus unbehelligt durch Euch auf den Fußweg zum Stadion machen, drängt Ihr eine Gruppe über die Hohe Straße laufender Schwatzgelbe ins Kreuzviertel ab und leitet sie genau in Richtung der 100 Blauen, die gerade von der Möllerbrücke in Richtung Stadion marschieren? Jungs, wisst Ihr eigentlich genau, was Ihr da tut?

Ihr lasst die Sonderzüge der Gelsenkirchener am Haltepunkt Westfalenhallen ankommen und lotst die Blauen dort dann direkt an den Heimfans vorbei? An Flora und Südtribüne, obwohl es beispielsweise via Ardeystraße und Strobelallee mutmaßlich viel unproblematischer verlaufen würde?

Blaue vorm NordeingangWie kann es sein, dass ganze Scharen Blauweiße im Nu vom Stadionvorplatz verschwunden und ins Stadion eingelassen sind? So schnell kann eine handelsübliche Personenkontrolle an deutschen Gästeblöcken doch nie und nimmer von statten gehen? Und dann tauchen – oh Wunder – Pyrotechnik und geklaute Fahnen im Gästeblock auf. Na sowas!

Zu allem Überfluss setzt Ihr während des Spiels auch noch Pfefferspray unter der Südtribüne ein, so dass dem Cateringpersonal in den Verkaufsständen und sogar den Fans auf der Tribüne die Tränen in die Augen steigen, derweil die Fluchtwege für diese Blöcke exakt in den Pfefferspraynebel hineinführen? Ihr wisst aber schon, dass Ihr es seid, die für die Sicherheit der Menschen verantwortlich zeichnen?

Was passiert denn da bei Euch? Ihr habt doch Sicherheitsbesprechungen, Einsatzbesprechungen und Funkgeräte. Ihr beschäftigt doch extra geschulte Beamte, deren einziger Job eben genau diese vereinsübergreifende Koordination und Unterstützung der Einsatzkräfte vor Ort ist? Redet Ihr überhaupt miteinander? Sprecht Ihr Polizisten in Gelsenkirchen mit Euren Kollegen in Dortmund und umgekehrt? Sprecht Ihr Landespolizisten mit Euren Bundespendants oder interessiert Euch nur der jeweilige Aufgabenbereich und damit hat es sich?

Wasserwerfer und Mannschaftswagen der PolizeiJa, das Derby ist ein Problemspiel, um mal in Eurem Jargon zu bleiben. Ja, es läuft auch von Fanseite zuletzt einiges schief und nichts und niemand kann und darf Angriffe auf gegnerische oder auch eigene Fans oder Polizisten rechtfertigen. Das will auch niemand. Wo Straftaten geschehen, gehören sie geahndet. Und wer die Gesundheit anderer verletzt, gehört bestraft. Da sind wir uns einig, da brauchen wir gar nicht groß drüber diskutieren.

Aber ist es nicht Euer verdammter Job, genau diese Aufeinandertreffen auch zu verhindern? Das habt Ihr am Samstag nicht nur nicht geschafft. Wir haben uns zeitweise sogar gefragt, ob Ihr das überhaupt wollt.

Im besten Fall ist das, was Ihr am Samstag demonstriert habt, ein gnadenloses Versagen.

Uns fällt da aber auch noch eine unschönere Interpretation ein. Immerhin erklingen die Forderung Eurer Funktionäre und Lobbyisten direkt im Anschluss an die Geschehnisse fast schon ein bisschen zu schnell und einstudiert.

Beispiel gefällig? Dortmunds Polizeipräsident Wesseler bringt Fußballspiele ohne Gästefanbeteiligung oder gar komplette Geisterspiele ins Spiel. Verdammt kluge Idee! Denn wo sind die Leute, wenn sie nicht im Stadion sein dürfen? Öhm, ja… genau: auf den Straßen. Und da habt Ihr ja den genauen Durchblick, nicht wahr? Also zumindest solange sich die Leute nicht konspirativ verhalten, versteht sich.

Die Gewerkschaft der Polizei setzt sogar noch einen drauf und fordert neben „klaren rechtlichen Regeln“ (kleiner Tipp: Strafgesetzbuch – da steht praktischerweise sogar schon alles drin) auch noch die Installation von Fußball-Staatsanwälten. Klar, wo das mit den Fußball-Polizisten ja schon so sichtbar gut klappt.

Liebe Polizei, mal ganz ehrlich, so von Nicht-Gewalt-Täter zu Nicht-Gewalt-Verhinderer: Wir beneiden Euch nicht um Euren Job. Der ist ganz sicher nicht einfach und ganz sicher nicht immer angenehm. Aber das mit der Sicherheit ist nun einmal Eure Aufgabe und wir würden eigentlich ganz gerne sehen, dass Ihr diese Aufgabe auch ernst nehmt.

Arne, Jakob, Daniel, 24.10.2012

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