Spielbericht Profis

Borussia ideenlos – Blaukraut siegt souverän

30.11.2000, 00:00 Uhr von:  Micha B. Jens
Spielszene
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Es hätte eine wunderschöne Pokalnacht werden können. Volles Stadion, großes Brimborium vor dem Anpfiff durch die beiden Manager, Rachegelüste auf Seiten der Borussia für das 0-4.

Und dann so ein Auftakt nach 3 Minuten: Abschlag Lehmann, und auf Umwegen kommt der Ball zunächst zu Ricken, dessen Schuss Schalkes Torhüter Reck noch abwehren kann. Dann aber steht Billy Reina goldrichtig und verwandelt zum frühen 1-0 für die Dortmunder Borussia.

Zu diesem Zeitpunkt schwante manchem jedoch nichts gutes, war Dortmund doch zuletzt auch bei den Bayern früh in Führung gegangen und dann ziemlich böse unter die Räder gekommen.

Und praktisch im Gegenzug bereits der Ausgleich: Nach einer Ecke des sehr starken Böhme, der praktisch überall auf dem Platz zu finden war, steht Schlackes Top-Scorer Ebbe Sand genau richtig und köpft unhaltbar für Lehmann und den ebenfalls auf der Linie stehenden Evanilson ein. Gegenspieler Wörns stand nicht nur in dieser Szene nicht unbedingt bei seinem Gegenspieler.

Was danach folgte, waren einige unschöne Aktionen auf beiden Seiten. Hier den Ellbogen raus, dort das Bein stehen lassen oder da mal eben durchgezogen. Besonders zwei hässliche Aktionen von Dedé und Reina blieben dabei im Gedächtnis. Erst trat der Brasilianer, ohne auch nur die Chance auf den Ball zu haben, Latal gegen das Brustbein, dann Sense Guiseppe Reina Sissy Möller ebenso ohne Möglichkeit den Ball zu spielen an der Seitenlinie um. So konnten sich die Spieler beim Schiedsrichter bedanken, dass diese Aktionen nicht einmal mit gelb geahndet wurden. Auf der anderen Seite spielten am heutigen Abend aber ebenfalls nicht nur Chorknaben. Erst erschwalbt sich Ebbe Sand einen Freistoß, den Böhme nur knapp neben den Pfosten setzt, dann fährt er im Luftkampf gegen Jürgen Kohler den Ellbogen aus und verpaßt Dortmunds Abwehrrecken eine lange Rißwunde neben der Augenbraue, die dazu führte, dass der Abwehrspieler minutenlang am Spielfeldrand behandelt werden mußte. Absicht würden wir, bei aller Boshaftigkeit, jedoch nicht unterstellen wollen.

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Kurz vor der Halbzeit dann der spieltechnische Knockout für Borussia. Nach einem der schnell vorgetragenen Angriffe der Schlacker setzt sich Asamoah gegen den indisponierten Wörns durch, spielt den Ball nach innen, wo Nico van Kerckhoven genau richtig steht und den Ball im Fallen am verdutzten Lehmann vorbei schiebt. Van Kerckhovens Gegenspieler Evanilson steht dabei nicht zum letzten Mal untätig daneben.

So ging es mit einer mehr als verdienten 2-1-Führung in die Kabinen. Dortmund hatte nach dem Ausgleich durch Sand kaum mehr eine gute Aktion nach vorne vorweisen können – und bettelte mehr oder weniger um ein weiteres Gegentor. Das Mittelfeld fand eigentlich nicht statt, und gerade Schlackes Bester am heutigen Abend, Jörg Böhme, konnte schalten und walten wie er wollte. Andreas Möller dagegen fiel weder positiv noch negativ auf.

Die zweite Hälfte begann dann, wie die erste aufgehört hatte: mit Chancen für das Blaukraut und ohne nennenswerte Offensivaktionen für den BVB, bei welchem der für Ikpeba gekommene Bobic keinerlei gefährliche Aktion verbuchen konnte und nur durch lautstarkes Anmotzen der Kollegen auffiel.

In der 53. Minute dann Glück für den BVB. Nach einem schönen Solo von Gerald Asamoah wird dieser von Dedé im 16er elfmeterverdächtig umgegrätscht, doch Schiedsrichter Franz-Xaver Wack, seines Zeichens Zahnarzt, verweigerte den Blauweißen den fälligen Elfmeter, der dem BVB wohl endgültig den Zahn gezogen hätte.

So reihte sich in der Folgezeit Chance um Chance für den FC Meineid aneinander, der BVB hingegen zeigte in allen Mannschaftsteilen Schwächen und konnte sich letztendlich nur bei den vor dem Tor hin und wieder zu verspielten Schalkern bedanken, dass das Ergebnis nicht ähnliche Höhen annahm wie seinerzeit im Westfalenstadion.

Es blieb die Hoffnung auf die Schlussphase. Doch auch hier war kein Aufbäumen der Borussia zu erkennen. Zu statisch blieb das Auftreten der Schwarzgelben, zu durchsichtig und pomadig die Offensivaktionen. Lediglich der unermüdliche Billy Reina ragte mit seiner ungeheuren Laufbereitschaft noch heraus.

Die letzten Minuten brachen an und wie vor einigen Jahren in einem längst vergessenen Derby fand sich Jens Lehmann im gegnerischen Strafraum ein. Torgefahr versprühte jedoch auch er nicht. Und als dann auch noch der bereits gelb-verwarnte Evanilson einem Schalker an der Seitenlinie in die Parade fuhr und zurecht die gelb-rote Karte sah, war die Partie gelaufen.

So jubelten am Ende die Blauweißen über einen verdienten und um ein oder zwei Tore zu niedrigen Erfolg über den Erzrivalen und zogen zur Freude der knapp 60.000 Zuschauer ins Viertelfinale ein. (nur nebenbei: betrachtet man sich die Gegner, die dort noch lauern, kommt das Duell zwischen Schlacke und dem BVB fast einem vorweggenommenen Endspiel gleich – so leicht wie diese Saison wird es wohl nie wieder, den Pokal zu holen).

So soll am Ende jener Spieler sprechen, der mehr als jeder andere die Fangemeinschaften von Blauweiß und Schwarzgelb spaltet. Auf die Frage, ob er das Ergebnis für gerechtfertigt halte, antwortete Jens Lehmann: „Ja, denn die Schalker hatten ein bißchen mehr Torchancen.“

Für Borussia bleibt nun die Bundesliga als einzige Möglichkeit, sich für einen internationalen Wettbewerb zu qualifizieren.

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Das einzig lustige an dieser leidigen Angelegenheit waren die verzweifelten Versuche des Gelsenkirchener Stadionsprechers trotz des klaren Spielverlaufs für Stimmung zu sorgen, indem ganz wie in Bochum (hier allerdings nur optisch durch lächerlich klatschende Hände symbolisiert), ein Klatschen durch die Boxen schallte (wer den Song „Carwash“ kennt, kennt auch dieses klatschen). So richtig wollte aber auch das Blaukraut nicht, genau wie wir, die sich der verhaltenen Leistung der Mannschaft anpaßten und auch kein Feuerwerk abbrannten. Erst in den Schlußminuten schienen die Vorstädter zu begreifen, daß sie uns wieder einmal geschlagen hatten und feierten ihr Team. Aber auch davon können wir uns nichts, aber auch gar nichts kaufen. Zumal wir das gleich sicherlich bei unserem nächsten Heimspiel erleben werden.

Traurig bleibt, daß die Mannschaft so emotionslos und wenig kämpferisch in dieses Spiel gegangen ist. Da war schnell zu spüren, daß die Mannschaft eben keine Rachegelüste verspürte, zumindest war sie nicht gewillt, diese sportlich umzusetzen, Frustfouls drückten zwar aus, daß man nicht wirklich glücklich war mit dieser erneuten Niederlage, aber von sonstigem Wollen war leider nicht viel zu sehen.

Als die kollabierenden Blauen auf der Tribüne dann „Ihr könnt nach Hause fahren!“ intonierten, dachte ich nur: Ja, wer will schon hier bleiben.............

Aufstellung und Noten:

Bor. Dortmund: Lehmann (2,5) Evanilson (4,5) Wörns (5) Kohler (4) Dede (4) Oliseh (5) Stevic (5,5) ab 61. Heinrich ( - ) Ricken (4) Addo (5,5) ab 70. Tanko ( - ) Reina (3,5), Ikpeba (5,5) ab 46. Bobic (5)

Tore: 0:1 Reina (3., Rechtsschuß, Vorarbeit Ricken), 1:1 Sand (6., Kopfball, Böhme), 2:1 Van Kerckhoven (42., Rechtsschuß, Asamoah)

Schiedsrichter: Dr. Franz-Xaver Wack, (Biberbach), Note 5 - beurteilte zu viele Zweikämpfe falsch, ahndete die Tätlichkeit von Ebbe Sand an Kohler nicht und versagte Schlacke einen Elfmeter (53. Dede an Asamoah)

Chancenverhältnis: 9:3

Eckenverhältnis: 4:3

Zuschauer: 58419

Gelb-Rote Karten: Evanilson (88.)

------- > Lest dazu den Kommentar: "So geht's nich meine Herren!"

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