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Die gelbe Tonne - Jahresrückblick: Heiko, wir warten auf Dich!

25.12.2000, 13:00 Uhr von:  Redaktion
Die gelbe Tonne - Jahresrückblick: Heiko, wir warten auf Dich!
Die gelbe Tonne

Keine Jahreszeit ist so prädestiniert dazu, für Rückblicke und Bilanzen herzuhalten, wie die Wochen rund um Weihnachten und den Jahreswechsel. Küren Fernsehen und Presse die Sieger in allen möglichen (Publikums-) Wahlen und wird der geneigte Zuschauer mit Rückblicken jedweder Art zugeschüttet, wollen natürlich auch wir von schwatzgelb.de da keine Ausnahme bilden...

Heiko Herrlich

Zunächst ein Fazit in eigener Sache: Ein knappes halbes Jahr ist vergangen, seit in den Köpfen einiger BVB-Verrückter die Idee vom Online-Fanzine herumspukte. Von der Realisierung noch weit entfernt machte man irgendwann Nägel mit Köpfen. Es bildete sich ein harter Kern von Leuten, die bereit waren, die Mühen (und den Spaß!) eines solchen Projektes auf sich zu nehmen. In ersten Treffen und unendlichen Forums- und Maildiskussionen wurden Themen, Gestaltung, Organisation, kurz gesagt einfach alles durchgekaut. Vor allem die Themenbereiche und Rubriken auf der Seite waren und sind innerhalb der Redaktion ein heißes Eisen. So sind einige Rubriken inzwischen zu Grabe getragen worden, einige warten darauf, dass ihnen Leben eingehaucht wird und einige werden fusionieren, geändert und verbessert werden. Eine Rubrik jedoch war von Anfang an unbestritten und wird es auch in Zukunft sein: DIE GELBE TONNE!

Kaum ein Spieler polarisierte die Fanmassen in den vergangenen Jahren so dermaßen wie er, Heiko Herrlich, und hat sich damit eine eigene Rubrik verdient. Wobei mit polarisieren die Meinung über sein Können gemeint ist, nicht über sein Auftreten oder seine sportliche Vergangenheit... - Zugegeben, er hatte bislang nicht die besten Jahre, nachdem er den Weg von der falschen zur richtigen Borussia gefunden hatte. Er hatte so seine Problemchen, mit der Ballannahme, mit den Torschüssen, mit Oliver Kahn. Aber er kämpfte jedes Mal, eine Eigenschaft, die vom BVB-Fan traditionell besonders geschätzt wird. Bei Kopfbällen war er zudem gefährlich, wie kaum ein Zweiter. Überhaupt, der Kopf schien bei ihm eines der Körperteile zu sein, die, im Vergleich zu manchem Bundesliga-Kollegen, nicht zu kurz gekommen sind. Kaum ein Profi vertritt ähnlich konsequente Einstellungen in seinem Leben wie Heiko, der immer wusste, dass er ein besonders privilegierter Mensch ist. Und ausgerechnet, als er sportlich auf dem Weg zu alter Stärke war, ist es dieser Kopf, der alles ändern sollte.

Heiko Herrlich am Ball

Am 04.11. bestreitet Heiko sein bislang letztes Bundesligaspiel. Im Olympiastadion erzielt er die 0:1 Führung gegen den FC Bayern. Mit diesem Tor ist er ganz oben in der Torjägerliste dabei, auch wenn seine Mannschaft zu diesem Zeitpunkt etwas schwächelt. Die Woche darauf, beim Heimspiel gegen Hertha BSC, fehlt er. Als Begründung werden Seh- bzw. Gleichgewichtsstörungen angegeben. Und in den nachfolgenden Tagen erfährt Börsen- und Fußballdeutschland, was es mit diesen auf sich hat. Auf ausdrücklichen Wunsch des Spielers wird bekannt gegeben, dass bei ihm ein Gehirntumor diagnostiziert wurde. Nicht nur Mitspieler und Fans, eine ganze Nation ist geschockt. Heiko zieht sich daraufhin aus der Öffentlichkeit zurück, verliest nur noch einmal per Videoeinspielung eine bewegende Botschaft auf der BVB-Jahreshauptversammlung.

Seit dieser Nachricht ist einige Zeit ins Land gegangen. Gewebeproben haben ergeben, dass der Tumor höchstwahrscheinlich gutartig ist und Heiko hat sich zur Strahlentherapie in eine Klinik begeben. Sein Verein hat die vorher schwankende Form gefestigt und blieb sieben (Bundesliga-) Spiele in Folge unbesiegt. Anscheinend haben seine Mitspieler die Anfeuerung "Siegen für Herrlich!" für bare Münze genommen. Die Hoffnung, dass Heiko in nicht allzu ferner Zukunft wieder in der Lage ist, selbst vor die Pocke zu treten, hat neue Nahrung bekommen. Bedenkt man, dass ihm jeder zum Zeitpunkt seiner Erkrankung gewünscht hatte, dass er überhaupt noch einmal gesund wird, ist dies eine mehr als freundliche Entwicklung.

Heiko Herrlich in Aktion
Wie sehr Heiko auch seiner Mannschaft fehlt, beweist eine Aussage seines Kollegen Jörg Heinrich im schwatzgelb.de-Interview: "Über Heiko hat ja auch der ein oder andere gesagt, er wäre nicht der beste Techniker. Nur ich hab immer ganz, ganz gern mit ihm gespielt, weil unter Druck brauchtest Du ihm einfach das Ding nur nach vorne kloppen und da war Heiko dann da. Der hat das Ding mit dem Kopf immer gekriegt oder sich irgendwie da rein gehauen und alles gegeben, was er drauf hatte. [...] Deswegen fehlt er mir sehr, weil er die langen Bälle immer haben wollte..." - Es scheint, als würden seine Mannschaftskollegen an ihm genau das schätzen, was ihn auch bei uns zu einer Kultfigur gemacht hat: Trotz offenkundiger Mängel, in gewissen Bereichen, kämpfen bis zum letzten. Daher ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, die "Gelbe Tonne" - Rubrik weiter aufrecht zu halten und in unregelmäßigen Abständen weiter auf Heikos Weg zu blicken. In erster Linie von unseren guten Wünschen auf seine Genesung begleitet, in zweiter Linie leise davon, irgendwann mal wieder über Sportliches berichten zu können.

Zum Ende, und hier schließt sich der Kreis, hat die Redaktion noch mal ein Anliegen in eigener Sache: Viele unserer Leser haben Heiko Herrlich Genesungswünsche geschickt, die wir ihm übermitteln wollten und immer noch wollen. Mittlerweile sind diese alle ausgedruckt und in ansprechender Form zu einem kleinen Buch gebunden worden. Leider hat sich aufgrund Heikos Behandlung und der damit verbundenen Abwesenheit noch nicht die Gelegenheit ergeben, ihm dieses zu übermitteln. Seine Frau hat jedoch zugesagt, sich wieder zu melden, wenn die Möglichkeit besteht. Wir bleiben selbstverständlich am Ball, aber es wird jeder verstehen, dass es für die Eheleute Herrlich derzeit Wichtigeres gibt.

Allen Leserinnen und Lesern an dieser Stelle nochmals ein schönes (Rest-) Weihnachtsfest und alles erdenklich Gute für das neue Jahr! Hoffen wir gemeinsam auf eine strahlende schwatzgelbe Zukunft!

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