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Die BVB-Mitgliederversammlung aus Redaktionssicht Eine Veranstaltung mit Höhen und Tiefen

25.11.2025, 14:00 Uhr von:  Redaktion  
Blick über den Eingangsbereich mit vielen Menschen die Warten

Eine holprige hybride MV, hitzige Wortbeiträge und deutliche Rufe nach Reformen: Zwischen starken Mitgliedern, schwacher Organisation und alten Mustern zeigt sich, wie viel Veränderung Borussia Dortmund braucht.

Die „längste“ Mitgliederversammlung von Borussia Dortmund am Sonntag wirkt nach. Wir haben unsere Redakteure gefragt – und hier sind ihre Eindrücke, Einschätzungen und Kritikpunkte zur diesjährigen MV.

Scherben:

„Ich stelle fest, dass das Zeitfenster für die Online-Abstimmung nun beendet ist.“

Aki Watzke war sicher zuzustimmen, als er kurz nach seiner Wahl zum Vereinspräsidenten einmal laut und vernehmbar „Ach Du Scheiße!“ sagte, nachdem ihm gedämmert war, dass er von nun an und bis zum Ende aller Tage (bzw. wörtlich zumindest bis zum Ende dieses Tages) die immer selben Phrasen zu sagen hatte.

Rechtssicherheit gut und schön, aber bis zur nächsten Mitgliederversammlung müssen einige Veränderungen in der Sitzungsleitung vorgenommen werden, damit das Prinzip einer hybriden Mitgliederversammlung wirklich auch ein Erfolg werden kann:

  1. Es muss vollständig auf eine digitale Abstimmung gesetzt werden. Dies kann geschehen, indem entweder alle Mitglieder ausschließlich über ein eigenes technisches Gerät an der Abstimmung teilnehmen können (was ggf. einen sehr vollen Handy-Akku erzwingt) oder indem man vor Ort Stimmgeräte für die Mitglieder in der Halle bereitstellt. Gerade Letzteres ist nicht gerade günstig, sollte aber für einen Verein unserer Größenordnung möglich sein.
  2. Es braucht mehr Mut zur Blockwahl. Besonders auffällig war dies bei der Wahl des Ältestenrats, als händisch für alle zehn Mitglieder die Ergebnisse der geheimen Wahl ermittelt werden mussten. Gerade weil durch das hybride Setting die Möglichkeit einer Wahl per Akklamation wegfällt, muss man schauen, mit möglichst wenigen echten Wahlgängen durch die Sitzung zu kommen. Ohne kontroverses Personaltableau benötigt man jedenfalls keine Einzelabstimmungen.
  3. Es muss möglich sein, auch ohne festgestelltes Abstimmungsergebnis bereits den nächsten Tagesordnungspunkt oder auch nur den nächsten Wahlgang zu eröffnen. Hier ist insbesondere an die Wahl von Norbert Dickel und Gerd Kolbe zu Ehrenmitgliedern zu denken. Was hätte dagegengesprochen, nach dem Ende des Abstimmungsfensters (in der Halle wie online) für Dickel bereits zur Wahl von Kolbe zu kommen? Im Hintergrund kann gezählt werden, und sobald nach der Vorstellung und ggf. der Aussprache der Wahlgang für Kolbe läuft, wird das Ergebnis für Dickel verkündet.
  4. Es muss ausreichen, einmal zu Beginn der Sitzung die Formalia zu erläutern. Gewählt wird in Halle 3, und es gibt ein Abstimmungsfenster einer gewissen Dauer. Weder Reinhold Lunow noch Aki Watzke hätten derart gequält werden müssen, dies immer und immer wieder verkünden zu müssen. Dies sei einmal fürs Protokoll festgehalten.

 

TK:

Spätestens als ich in der Einladung zur Mitgliederversammlung den Hinweis gelesen hatte, dass diese auch vorsorglich für den Montag gelten soll, ahnte ich, dass es dieses Jahr ein Marathon werden würde. Als ich dann kurz vor elf Uhr den Eingangsbereich der Westfalenhalle betrat und die Menschentraube vor den zu dem Zeitpunkt aufgrund technischer Probleme geschlossenen Check-In-Schaltern sah, wurde mir bewusst: wenn wir wirklich deutlich später starten als angedacht, dann wird das heute definitiv ein langer Tag. Man kann festhalten, dass bei der diesjährigen Mitgliederversammlung organisatorisch (wenn man es wohlwollend formuliert) vieles sehr holprig lief. Allerdings möchte ich an dieser Stelle auch noch zwei positive Punkte anbringen: Einerseits ist lobenswert hervorzuheben, dass man die Getränke, die ab dem Nachmittag zur Erbsensuppe gereicht wurden, in Becher umfüllen und mit in die Halle nehmen durfte. Andererseits hat der Wechsel von der Präsenzteilnahme ins Online-Format während der laufenden Veranstaltung problemlos funktioniert, sodass Mitglieder, die nicht bis zum Ende der Mitgliederversammlung vor Ort in der Westfalenhalle bleiben wollten, dennoch auf dem Heimweg und von zu Hause aus an allen Abstimmungen teilnehmen konnten.

 

Sascha:

Für mich war die Mitgliederversammlung eine sehr denkwürdige Veranstaltung mit einigen Höhen und Tiefen. Zu den Höhen gehörte für mich eindeutig die Rede von Mitglied Alexander Geske zu dem Missbrauchsvorgang in dem Verein, die Verantwortung der handelnden Personen und Forderungen nach Konsequenzen, die leider nicht offiziell vom Podium kommentiert wurde und bedauernswerterweise im Verlauf auch etwas untergegangen ist. Wirklich schade, weil es ein sehr starker und bewegender Wortbeitrag war. Zu den Tiefpunkten gehörte leider der Auftritt von Lars Ricken, der kaum erahnen ließ, dass dort ein Geschäftsführer in einem Business spricht, in dem Öffentlichkeits- und Medienarbeit ein elementarer Bestandteil sind. In diese Reihe muss man auch die Pfiffe und Buhrufe nach der Wahl von Aki Watzke stellen. Es war eine ordnungsgemäße Wahl mit einem ordnungsgemäßen Ergebnis, das so auch zu akzeptieren ist. Deshalb auch von mir an dieser Stelle: Herzlichen Glückwunsch zur Wahl, Aki Watzke!

Ansonsten zeigt auch diese Wahl, dass Harmonie und Einigkeit kein valides Qualitätsmerkmal für ein gesundes Vereinsleben sind. Es haben sich viele Mitglieder mit inhalts- und argumentationsstarken Wortbeiträgen gemeldet, die kritisch, nachhakend aber auch zukunftsorientiert waren. Das ist ein sehr gutes Zeichen, wenn auch sicherlich nicht immer angenehm für die Personen auf dem Podium. Es ist komplett unverständlich, dass von arrivierter Seite immer der Untergang der Vereine propagiert wird, sobald Fans und Mitglieder auf Teilhabe in den Entscheidungsprozessen drängen und die „Berliner Verhältnisse“ als Menetekel an die Wand gemalt werden. Im Gegenteil, mehrere Wortbeiträge aus der Mitgliedschaft waren argumentativ denen der Gremien überlegen und brachten auch langjährige Funktionäre deutlich ins Schlingern. Warum sollten diese Mitglieder nicht fähig sein, konstruktiv in den Gremien mitzuarbeiten?

Organisatorisch wäre zu überlegen, zukünftig bei einer derartigen Themenfülle den Veranstaltungsbeginn vorzuziehen. Zwar wird sich im hybriden Verfahren organisatorisch und technisch vieles einspielen, allerdings wird es kaum vermeidbar sein, dass die Mitgliederversammlungen in Zukunft länger dauern. Gerade bei komplexen Fragen zu Satzungsänderungen fällt es aber in den Abendstunden zunehmend schwerer die notwendige Konzentration aufrecht zu erhalten.

 

NeusserJens:

Es mag aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit ein wenig untergegangen sein, ich möchte die Frage an dieser Stelle aber noch einmal hervorheben. Gegen Mitternacht schaltete sich Augustin Wegscheider mit Baby auf dem Arm aus Chicago zu und fragte sinngemäß, weshalb bei der wichtigsten Veranstaltung des eingetragenen Vereins auf dem Podium eigentlich so viele Personen aus der KGaA saßen – garniert von donnerndem Applaus aus der Halle.

Die Frage ist insofern wichtig, weil sich vor allem während der Anträge ein interessantes Schauspiel bot: Die Antragsteller trugen ihre Anträge, Begründungen und Erläuterungen allesamt – mit Ausnahme des Vorstandsmitglieds Silke Seidel – vom kleinen Pult rechts des Podiums vor. Beantwortet wurden diese Anträge auf dem Podium vom „einfachen Mitglied“ Thomas Treß, welcher von Watzke regelrecht dazu aufgefordert wurde und sich jedes Mal charmant bis amüsant beim Präsidenten für das Wort bedankte. Thomas Treß hat, wie Watzke stets selbst betonte, keine Funktion im eingetragenen Verein. Weshalb hat also ausgerechnet das einfache Mitglied Thomas Treß diese Erwiderungen vorgenommen und wieso geschah das vom Podium aus?

Jedem Verantwortlichen bei Borussia Dortmund muss klar sein, dass ein Wortbeitrag vom Podium in der Wahrnehmung mehr Gewicht hat als ein Wortbeitrag vom Pult. Es wirkt, egal ob bei den Mitgliedern in der Halle oder bei denen, die erstmals online an der Mitgliederversammlung teilgenommen haben, wie die offizielle Position der Vereinsverantwortlichen. Wenn Thomas Treß also vom Podium Einwände gegen die gestellten Anträge äußert, antwortet ein einfaches Mitglied „von oben herab“ – und das darf nicht sein. Entweder es antwortet eine Person aus dem Vorstand bzw. aus der rechtlichen Beratung vom Podium, oder das einfache Mitglied Thomas Treß gibt seine Erwiderung von derselben Stelle aus, von der aus die Antragstellenden einfachen Mitglieder ihre Wortbeiträge geben. Sonst entsteht ein sichtbares Ungleichgewicht, das zur Beeinflussung der Mitgliederversammlung im Abstimmungsverhalten führt.

Was uns zur Ausgangsfrage zurückbringt: Weshalb sitzen überhaupt sämtliche Geschäftsführende der KGaA auf dem Podium? Sollten bei diesem Anlass, der Mitgliederversammlung des eingetragenen Vereins, nicht viel eher Verantwortliche des e.V. dort oben sitzen? Reicht es nicht, wenn der Vorstand nebst für die reibungslose Durchführung der Versammlung benötigter Rechtsbeistand auf dem Podium sitzt? Und sollten im Zweifel nicht eher Abteilungsleitende des Vereins statt Geschäftsführende der ausgegliederten KGaA auf dem Podium sitzen? Dies ist ein, wenn auch kleines, Ungleichgewicht, das in Zukunft ausgeglichen werden sollte.

 

Giog:

Als Mitglied und Antragsteller blicke ich mit gemischten Gefühlen auf die Mitgliederversammlung zurück.

Grundsätzlich bin ich froh, dass die Mitglieder an verschiedenen neuralgischen Punkten (Vorschlagsrecht der Mitgliedschaft; Besetzung Wirtschaftsrat; Wahlverfahren im Wahlausschuss) Pflöcke einschlagen konnten.

Gleichzeitig hatte ich trotz der wiederholten Zusicherungen des Podiums, man habe den Bedarf für strukturelle Veränderungen erkannt, weiterhin nicht den Eindruck, dass der dafür notwendige kulturelle Wandel bei einigen bereits angekommen ist. Nur zwei Beispiele:

1. Dass das „System Wahlausschuss“ erhebliche Schwächen aufweist, zeigte sich geradezu dramatisch bei der Wahl des Präsidiums. Ohne seine Wahl inhaltlich bewerten zu wollen, habe ich doch ein erhebliches Störgefühl, wenn der Kandidat Lörcher zum Vizepräsidenten von Borussia Dortmund gewählt wird und seine einzige Wortmeldung lediglich in der Annahme der Wahl besteht. Gleiches gilt für die Kandidatin Seidel, die zwar ein paar Sätze zu ihrer Kandidatur sagen musste, aber auch nur, weil ein Mitglied sie direkt angesprochen hatte.

So sehr man die Rolle des Wahlausschusses als vorbereitendes Wahlorgan und als Querschnitt des Vereins schätzen kann, kann es nicht sein, dass sich ein Kandidat Wochen vor der MV vor 13 Personen präsentiert, aber nicht einmal die Notwendigkeit besteht, sich wenigstens mit ein paar Sätzen denjenigen vorzustellen, die am Ende über seine Wahl entscheiden sollen.

2. Der Umgang mit Satzungsänderungsanträgen hat mich, wie in meinem Wortbeitrag sicherlich anklang, doch etwas irritiert. Wenn im Vorfeld der Versammlung zugesichert wird, man werde nicht gegen die Anträge arbeiten, dann habe ich das zwar auch im Vorfeld nur mit Vorsicht genossen, ehrlicherweise aber auch nicht mehr mit derartigen „Manövern“ gerechnet, wie man sie auf der MV beobachten konnte.

  1. Dass der Antrag von Wilfried Harthan – der ausdrücklich als „Auffangnetz“ gedacht war, falls die zuvor eingereichten Satzungsänderungsanträge scheitern sollten – durch Entscheidung des Versammlungsleiters Aki Watzke an den Anfang gezogen wurde, empfand ich sowohl gegenüber Wilfried Harthan als auch gegenüber den Antragstellern als respektlos. Nicht nur musste Wilfried Harthan von jetzt auf gleich vor der ganzen MV eine Entscheidung darüber treffen, ob er seinen Antrag aufrechterhalten möchte, auch hätte ein Beschluss über eine Satzungskommission mit großer Wahrscheinlichkeit dazu geführt, weiteren Druck auf die restlichen Antragsteller aufzubauen, ihre Anträge zurückzuziehen und in eine zuvor beschlossene Satzungskommission einzubringen.
     
  2. Vor diesem Hintergrund empfand ich die wiederholten Verweise auf ebenjene Satzungskommission als störend und als unnötige Beeinflussung der Mitgliederversammlung. Es wäre allen Personen auf dem Podium unbenommen gewesen, sich zu den Anträgen inhaltlich zu positionieren, was Thomas Treß beispielsweise bei der Beantragung einer Altersgrenze ja auch mit nachvollziehbaren Argumenten getan hat.

    Wenn aber Antragsteller im Vorfeld Gespräche mit dem Verein führen und mitteilen, dass sie ihre Anträge nicht zurückziehen bzw. in eine Satzungskommission übersetzen möchten, dann gibt es schlicht keine Veranlassung, dieses Thema erneut auf der MV aufzumachen. Dann muss man eben auch festhalten, dass diese Beiträge rein dazu dienten, der Mitgliedschaft zu suggerieren, es handele sich um unausgegorene Satzungsänderungsanträge, die man erstmal zurückstellen sollte. Das kann man inhaltlich (!) so sehen, dann muss man es aber auch eben inhaltlich (!) begründen. Dass Aki Watzke immerhin für eine Enthaltung gestimmt hat, anstatt – wie das restliche Podium – gegen unseren Antrag zu stimmen, empfand ich als genau jene Zurückhaltung, die uns Antragstellern im Vorfeld suggeriert wurde, weshalb ich dies positiv hervorheben möchte.

Insgesamt bleibt der Eindruck, dass viel Arbeit vor uns allen liegt. Man könnte aus der diesjährigen MV einigen Schwung mitnehmen, und sich voller Tatendrang mit den Inhalten auseinandersetzen – es braucht aber auch eine grundlegende Bereitschaft für eine kulturelle Veränderung, ohne die auch inhaltliche Auseinandersetzungen nur halb so viel wert sind.

 

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