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Rainbow Borussen zur Diskussion um Felix Nmecha Das Nmecha-BVB-Dilemma - Intoleranz tolerieren?

26.06.2023, 20:09 Uhr von:  Gastautor
Tribüne mit dem Schriftzug "Gemeinsam gegen Homophobie"

Die mögliche Verpflichtung von Felix Nmecha beschäftigt weiter die schwarzgelbe Fanseele. Wir haben mehrere Gastkommentare erhalten, die wir Euch nicht vorenthalten möchten. Der erste Kommentar kommt von den Rainbow Borussen.

Wir schreiben den 20.11.2022: auf seiner Mitgliederversammlung verabschiedet der BVB fast einstimmig seinen Grundwertekodex - der Verein gab sich selbst Regeln im Umgang miteinander, insbesondere bezogen auf Themen wie Religion, Sexualität, Herkunft, Aussehen, Geschlecht, Hautfarbe, Nationalität:

„Wir verstehen uns als vielfältige, inklusive Gemeinschaft, sind Heimat für Borussen unabhängig ihres Alters, ihres Aussehens, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Identität und Orientierung, ihrer Kultur, ihres Glaubens, ihrer Hautfarbe, ihrer Nationalität oder ihrer sozialen Herkunft.“

Nun hat sich aber mit Felix Nmecha ein Spieler in das Blickfeld des BVB gespielt, der seinen christlichen Glauben so fundamental auslegt, dass er Personen ablehnt, die transsexuell sind oder nicht der heterosexuellen Norm entsprechen, dessen Einstellung also dem zitierten Grundwertekodex widerspricht. Das hat er mit mehreren Posts auf seinen Social-Media-Kanälen so von sich gegeben und erklärt das mit seinem Glauben.

Der Glaube soll also dazu führen, dass er Transsexuelle und solche, die nicht heterosexuell sind, ablehnen muss? Das ist schlicht und ergreifend falsch.

An dieser Stelle muss man einen Unterschied machen zwischen christlichem Glauben an sich und christlichem Fundamentalismus. Wir haben bei den Rainbow Borussen Mitglieder, die in queeren Vereinen aktiv sind und Erfahrung mit religiösem Fundamentalismus haben. Es gibt queere Menschen, die christlich-fundamental erzogen wurden. Alles, was nicht heterosexuell ist, gilt dort als Todsünde - ähnlich wie bei Nmecha. Queere Personen, die christlich-fundamental erzogen wurden, lehnen sich selbst ab, sind nicht in der Lage, sich selbst zu akzeptieren- mit drastischen Folgen für Körper und Seele.

Es ist also nicht der christliche Glaube an sich, der Akzeptanz für queere Personen verhindert, sondern seine von einigen praktizierte fundamentale Auslegung. Moderate Christen haben an und für sich kein Problem mit queeren Personen - vor Christen macht das queer sein schließlich keinen Halt, wie man bspw. in der wunderbaren ARD-Reportage „Wie Gott uns schuf“ sehen kann.

Wenn wir gegen den Transfer von Felix Nmecha protestieren, geht es uns nicht um die Person Nmecha an sich, auch nicht um den christlichen Glauben, sondern um die fundamentale und intolerante Auslegung dieses Glaubens, die Felix Nmecha praktiziert. Auch wir als queerer Fanclub haben Mitglieder, die christlichen Glaubens sind. Es geht also beides: queer sein und Christ sein schließen sich nicht aus. Und sagen wir es deutlich: der Fundamentalismus verhindert, dass Nmecha queere Personen akzeptieren kann. Diesen Schritt hin zur Akzeptanz queerer Personen kann Nmecha nur aus freien Stücken von sich aus gehen, wir können das nicht für ihn tun.

Was ein Transfer Nmechas zum BVB für ungeoutete Spieler bedeutet

Es ist der 09.01.2014. Thomas Hitzlsperger, ehemaliger Fußballprofi und Nationalspieler, hat der Welt etwas wichtiges mitzuteilen: er ist schwul. Und er traut sich erst jetzt, sich zu outen. Denn vorher war die Angst da: wie reagieren die Kollegen? Wie reagieren die Fans? Homophobie im Fußball ist leider immer noch ein großes Thema. Was hat das mit Nmecha zu tun?

Schon jetzt sendet die BVB-Geschäftsführung das Signal aus: ist der homophobe Spieler gut genug, stellen wir die Interessen ungeouteter Spieler hinten an. Denn der BVB lässt das Gerücht um Nmecha schon viel zu lange unkommentiert im Raum stehen. Die Wirkung auf ungeoutete Spieler ist katastrophal, denn dass ein Verein von der Größe und weltweiten Strahlkraft wie der BVB sich so lange nicht dazu äußert, ob ein homophober Spieler geholt wird oder nicht, macht ungeouteten Spielern keinen Mut - das liegt auf der Hand.

Schon jetzt nimmt durch die Kommunikation des BVB bezogen auf Nmecha der Kampf um mehr Akzeptanz und Toleranz für queere Fußballprofis schweren Schaden. Sollte es tatsächlich zu einem Transfer kommen, dürften die Schäden für queere Akzeptanz im Fußball immens sein. Denn dann wäre das Signal: der homophobe Spieler ist sehr gut, ist uns viel Geld wert. Daher muss die Frage an die Verantwortlichen erlaubt sein:

Wollen Sie lieber ungeoutete Spieler schützen oder der Homophobie Auftrieb geben, Herr Kehl, Herr Watzke, Herr Terzic?

Welchen Schaden das Transfergerücht bereits jetzt ausgelöst hat

Verfolgt man die Debatten auf Social Media und in den Online-Foren, wird schnell klar: die Fans sind bereits jetzt tief gespalten. Was auch an der o. g. Kommunikation des Vereins liegt: hier hat der Verein die Aufgabe, zwischen den Fans zu vermitteln, zu beruhigen. Dieser Aufgabe kommt die BVB-Führung seit Wochen nicht nach, dabei dürfte ihr die Debatte nicht entgangen sein. Denn auch sie lesen online kräftig mit.

Diejenigen, die schweigend einen Transfer von Nmecha ablehnen, sind diejenigen, die Online-Beiträge gegen diesen Transfer liken und sich nicht einmischen. Denn wer online die Klappe gegen Nmecha aufmacht, hat umgehend diejenigen am Hals, die einem sofort übertriebene wokeness unterstellen. Man fragt sich teilweise, ob die Fans des BVB den eigenen Grundwertekodex kennen, der von der BVB-Führung zumindest öffentlich mitgetragen wird .

Allein das Gerücht und die Debatte darum zeigen: dieser Transfer hat Sprengkraft und ist in der Lage, die Fanszene zu spalten. Ein Grund mehr, von diesem Transfer Abstand zu nehmen.

Was passieren muss, wenn Nmecha tatsächlich kommt

Schon jetzt ist klar: die BVB-Führung hätte dann einiges zu erklären. Wir erwarten zumindest, dass man mit dem Spieler intensiver über die von ihm geteilten Inhalte gesprochen und klar gemacht hat, dass auch wir als queere Fans Teil der großen BVB-Familie sind.

Bisher hat Felix Nmecha gezeigt, dass auf seine queerfeindlichen Äußerungen Entschuldigungen folgten, um sich dann wieder queerfeindlich zu äußern. Wir als Fanclub bleiben daher skeptisch - auch weil der BVB sich hier einen Unruheherd mit Ansage holen will.

Das Beste wäre daher, dieses Kind gar nicht erst in den Brunnen fallen zu lassen und vom Transfer Abstand zu nehmen - bevor es zu spät ist.

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