Unsa Senf

Vier Fragen nach dem CL-Auftakt

21.10.2020, 18:00 Uhr von:  Seb
Vier Fragen nach dem CL-Auftakt

3:1 leuchtet am Ende der 90 Minuten im Stadio Olimpico in Rom auf der Anzeigetafel auf. Borussia Dortmund hatte das Auftaktspiel der Champions League verloren. Der Spielverlauf ist schnell erzählt: Behäbig angefangen, nach fünf Minuten die erste Quittung bekommen (Meunier lädt Immobile ein); danach wenig zielstrebig und viele Ecken verschuldet. Davon geht natürlich eine rein. Ein kurzes Aufbäumen inkl. Haaland-Tor wird jäh gestoppt. Ein römischer Konter besiegelt das 3:1. Das wirft Fragen auf:

1. Warum schießen wir nicht annähernd solche Ecken?

Seit Jahren schon erzielen wir unterdurchschnittlich wenig Tore nach Standardsituationen. Eigene Eckbälle sind regelmäßig hochgradig gefährlich - für uns selbst. Wir haben begnadete Fußballer, die mit dem Ball alles können, aber keiner schafft es; einen Eckball mit ordentlich Schnitt in die Mitte zu treten? Die Eckbälle der Römer waren gefühlt alle gefährlich. Selbst der Eckball, der direkt aufs Tor ging, war gefährlicher als 99% aller Eckbälle in den letzten Jahren. Letzte Saison gegen Freiburg traf Witsel nach einem Eckball. Das sah einstudiert aus. Warum haben wir so wenig Varianten? Weil keiner flanken kann? Weil es nicht trainiert wird? Guerreiro war doch anfangs ein guter Freistoßschütze. Warum schießt der keine Ecken, sondern Sancho? Ich wäre ja schon zufrieden, wenn wenigstens jede zehnte Ecke so viel Gefahr ausstrahlen würde, wie die Ecken von Lazio gestern Abend.

Das Foto zeigt Axel Witsel im gelben Trikot in seiner typischen Jubelpose: Er läuft zur Fankurve und formt mit den Händen einen Adler. Im Hintergrund laufen Marco Reus und Thomas Delaney jubelnd hinterher.
Torjubel nach einer Ecke? Seltenheitswert.

2. Woher kommt die Diskrepanz zwischen Heim- und Auswärtsspielen?

Wenn man den letzten souveränen Auftritt bei einem Auswärtsspiel der Champions League sucht, muss man weit zurückgehen. So richtig überzeugend fiel mir auf die Schnell nur das Spiel gegen Legia Warschau ein. Danach war dann vielleicht noch ein Spiel gegen Real Madrid oder Sporting Lissabon ganz ok, aber im Großen und Ganzen war das ziemlicher Murks. Benfica, Nikosia, Brügge, Prag, Mailand und so weiter - da waren schon einige schlechte Spiele dabei. An der Seitenlinie standen dabei vier verschiedene Trainer: Tuchel, Bosz, Stöger (nur Europa League, dafür noch weniger überzeugend) und Favre. Keiner der vier gänzlich unterschiedlichen Trainer hat es geschafft, auswärts souverän zu spielen. Eigentlich fing das irgendwann schon unter Klopp an. Erstaunlicherweise sehen die Heimspiele ganz anders aus. Wer erinnert sich nicht an die starke Leistung gegen den FC Barcelona oder die nahezu perfekte Abwehrleistung im Heimspiel gegen Paris? Auch in der Bundesliga zeichnet sich ein ähnliches Bild. "Ein einziges Defizit" nannte Thomas Tuchel mal die Vorstellung in Frankfurt (in einer vorherigen Version war das Zitat fälschlicherweise der Niederlage in Darmstadt zugeordnet). Eine Feststellung, die man danach immer mal wieder aus der Tasche hätte ziehen können. Aber woher kommt diese Diskrepanz?

Das Foto zeigt mehrere BVB-Spieler in gelben Trikots, die nach der Niederlage in Salzburg zur Fankurve schleichen. Im Vordergrund sind Marcel Schmelzer und Lukasz Piszczek zu sehen. Piszczek nimmt einen Schluck aus seiner Trinkflasche.
Auch unter Stöger in Salzburg: Enttäuschte Gesichter auswärts.

3. Zerfrisst der Verein Mentalität?

Klopps Mentalitätsmonster lösen immer noch romantische Vergangenheitsseufzer aus. Seitdem Jürgen Klopp dieses Wort bei uns geprägt hat, suchen wir auf diesem Gebiet nach Konstanz. Egal welcher Trainer danach kam, egal welches Spielermaterial er zur Verfügung hatte, es wurde immer wieder der Ruf nach mehr Mentalität laut: "Mit dem und dem Spieler wäre die Niederlage zu verhindern gewesen. Der haut sich wenigstens rein." Noch vor kurzem diskutierten Malte und ich in einem Pro und Contra darüber, ob wir mehr Mentalitätsspieler brauchen. Das Thema brennt also immer mal wieder auf. Auch bei den Transfers wurde es berücksichtigt: Delaney, Witsel, Hummels, Can, Haaland - sie wurden alle auch wegen ihrer besonderen Charaktereigenschaften zum BVB geholt. Mit Abstrichen trifft dies auch auf Akanji und Bellingham zu, die auf Grund ihres Alters dorthin entwickelt werden sollten. Allerdings scheinen solche Charaktere sich beim BVB nicht durchzusetzen. Das Spiel wirkt oft nicht zielstrebig, nicht bissig genug. Hier und da blitzt dann die Mentalität auf, gerade wenn die Protagonisten neu im Team sind. Nach einiger Zeit scheint diese Eigenschaft aber zu verblassen. Nutzt sich Mentalität ab? Ist das "Drumherum" einfach zu lethargisch, dass es die Mentalitätsspieler mit runterzieht? Schwer zu sagen, aber es scheint, als würde der Verein auf Dauer Mentalität zerfressen.

Das Foto zeigt eine Szene aus den Klopp-Jahren, in diesem Fall aus einem Spiel gegen den FC Bayern München. Nuri Sahin, Sven Bender und Robert Lewandowski haben gerade mit vereinten Kräften dem reklamierenden Thomas Müller den Ball abgenommen.
Wo ist sie hin, die Mentalität der Klopp-Jahre?

03+1. Wann kocht Dennis wieder?

Da das Sportliche beim BVB auf den Social-Media-Kanälen (und scheinbar auch auf dem Platz) peu a peu in den Hintergrund rückt, aktualisiere ich schon fast minütlich Twitter-, Facebook- und Instagram-Account in der Hoffnung, dass die Profis wieder Quiz-Taxi fahren, Weihnachtsgeschenke einpacken oder Dennis was Feines kocht. Ich für meinen Teil habe bereits alle Zutaten gekauft. Das meint alles.

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