Unsa Senf

Das Kreuz mit dem Fadenkreuz

24.09.2018, 13:14 Uhr von:  Sascha
Das Kreuz mit dem Fadenkreuz

Dass der Dortmunder Gästeblock und Dietmar Hopp im Leben keine Freunde mehr werden, ist schon seit langer Zeit bekannt. Trotzdem schien es, als würde der Konflikt im Laufe der letzten Jahre weiter abflauen und die altbekannten „Dietmar Hopp, du Sohn einer Hure“-Gesänge eher pflichtschuldig und mit deutlich weniger Eifer als in den Anfangsjahren intoniert werden. Bis es Herrn Hopp offenbar gereicht hat und er in mehr als 30 Fällen Anzeige wegen Beleidigungen im Rahmen des letzten Auswärtsspiel erstattete und die betreffenden Personen mit einem Stadionverbot für das Sinsheimer Mekka der Fußballkultur belegt wurden. Mehr zu den Hintergründen findet Ihr in unserem Interview mit dem Anwalt und Sprecher der Dortmunder Fanhilfe Stefan Witte.

Zwar liegen die Anzeigen schon länger auf dem Tisch, wurden wundersamerweise allerdings erst im Laufe der letzten Woche auch der Öffentlichkeit bekannt. Man hätte bedenkenlos einen großen Geldbetrag darauf wetten können, dass dieser Vorgang seitens des BVB-Anhangs im Vorfeld der Partie vom Samstag intensiv „kommentiert“ wird und so kam, was fast zwangsläufig war. Ein großes Banner mit Dietmar Hopp im Fadenkreuz und dem Terminatorzitat „Hasta la vista Hopp“, flankiert mit den Spruchbändern „Strafverfahren und Hausverbote wegen beleidigenden Gesängen?“ - „Was soll die Scheiße, du Hurensohn?“. Der Umstand, dass umstehende Fanclubs mit Fahnen die Einsicht auf die Vorbereitungen gegenüber der aufmarschierenden Polizei verdeckten und die anschließenden Gesänge zeigen dabei eindeutig, dass diese Aktion nicht nur von den anwesenden Ultragruppen getragen wurde. Das einzig erstaunliche ist, dass es unter dieser Sachlage tatsächlich gelang, ein ca. 10 x 10 Meter großes Banner am Ordnungsdienst vorbei in den Block zu bekommen.

Was auf beiden Seiten einfach fehlt, ist ein Mindestmaß an Einfühlungsvermögen, um die Aktionen der jeweiligen Gegenseite vernünftig und einigermaßen sachlich einzuordnen.

Natürlich nahm die TSG diesen Ball gerne auf und schwadronierte in Form eines offenen Briefes von Geschäftsführer Dr. Peter Görlich über einen „Mordaufruf“ und forderte „Haltung und Integrität“, um ein „grundsätzlich respektvolles, tolerantes und faires Miteinander“ zu beschützen. Dabei wird dem Autoren vermutlich selbst klar gewesen sein, was für ein Quark es ist, die Banner als Aufruf zum Mord fehlzuinterpretieren. Vor zehn Jahren wurde in Mannheim von einem Fan ein Doppelhalter mit genau diesem Motiv gezeigt, das ebenfalls mit einem Stadionverbot belegt wurde. Dass man dieses Motiv jetzt im XXL-Format zeigte, ist eher als Selbstzitat aus der Fanszene heraus mit der Message „Du kriegst uns nicht mundtot“ zu verstehen. Wenn das Ganze dann auch noch, mit Sicherheit nicht ganz zufällig, per Wortwahl in die Richtung der aktuellen Generaldebatte in der Gesellschaft gedrückt wird, indem man auf Haltung und Toleranz pocht, dann ist man auch dort von verbaler Abrüstung weit entfernt.

Was auf beiden Seiten einfach fehlt, ist ein Mindestmaß an Einfühlungsvermögen, um die Aktionen der jeweiligen Gegenseite vernünftig und einigermaßen sachlich einzuordnen. Es ist nicht komplett unverständlich, dass Dietmar Hopp nicht gerne regelmäßig und öffentlich als Hurensohn bezeichnet werden will. Die Verweise auf die andererseits üblichen „BVB Hurensöhne“ und gewöhnliche Pöbeleien gegenüber einzelnen Spielern zielen dabei auch nur grob in die richtige Richtung. Das „BVB-Hurensöhne“ richtet sich gegen die Masse der Fans in schwatzgelb, so dass man sich als Einzelner gut nicht angesprochen fühlen kann. Gesänge gegen Manuel Neuer, Timo Werner und Konsorten kann man zumindest halbwegs in den Kontext eines Schlachtgesangs einordnen mit dem Ziel, den Gegner zu entnerven und der eigenen Mannschaft einen Vorteil zu verschaffen. Bei den Beleidigungen in Richtung Dietmar Hopp ging es jedoch immer um die konkrete Person und darum, ihn aus dem Profifußball heraus zu drängen, um seinem Spielzeug die finanzielle Grundlage zu entziehen. Über Sinn und Unsinn dieses Ansatzes sind bereits genug Diskussionen geführt worden und das soll hier auch nicht das Thema sein.

Wenn Hopp allerdings geglaubt hat, mit einer härteren Gangart ein Ende der Gesänge und der Verspottungen zu erreichen, hat er die Situation fundamental falsch eingeschätzt.

Aber selbst, wenn man von der Richtigkeit dieses Ansatzes überzeugt ist, muss man zugeben, dass auch unter dem Aspekt einer raueren Gangart im Stadion und einer gewissen Normalität in Sachen Pöbelei Grenzen überschritten wurden. Beispielsweise sei hier der Kölner Doppelhalter mit der Geburtsurkunde „Mutter: Hure – Vater: Nazi“ genannt. Ist der Punkt mit Hure/Hurensohn noch als primitive Pöbelei zu sehen, hat der Verweis auf seinen Vater einen realen Hintergrund. Und spätestens hier wurde es richtig unappetitlich. Hopp kann nichts dafür, was sein Vater war und getan hat. Er hat es allerdings auch nie verheimlicht und nie den Eindruck erweckt, diese Ideologie zu teilen. Es wäre nachvollziehbar, wenn für Dietmar Hopp hier eine Grenze überschritten wurde, ab der er beschloss, auch gerichtlich gegen die Beleidigungen vorzugehen.

Wenn Hopp allerdings geglaubt hat, mit einer härteren Gangart ein Ende der Gesänge und der Verspottungen zu erreichen, hat er die Situation fundamental falsch eingeschätzt. Der Kampf gegen Hopp und die TSG ist von Anfang an zu einem Kampf um die Zukunft des Fußballs und über die Definitionshoheit seines Wesens erklärt worden. Dietmar Hopp als milliardenschwerer Mäzen, der einen Dorfverein in die erste Liga hievt und auf dem Weg dahin alte Traditionsvereine zur Seite schiebt. Weil er es kann und vor allem: weil er es will. Damit wird der Kampf gegen Hopp und seinen Dorfverein zu einem Kampf, den man einfach nicht verlieren darf. Aufgeben und die weiße Fahne hissen, war nie eine Option, weil man in der Folge damit auch die eigene Existenz und die eigene Basis in Frage stellen würde. Wenn man ihn nicht gewinnen kann, so muss man ihn zumindest am köcheln halten. Zeigen, dass man weiterhin zu seinen Überzeugungen steht und immer der Widerpart sein wird. Der dumme Ansatz seines Anwalts zu fordern, dass in Zukunft Spiele abgebrochen werden, wenn es Beleidigungen auf den Tribünen kommt, zeigt klar, dass man das Wesen dieses Konflikts überhaupt nicht begriffen hat.

Auch wenn es Hopps gutes Recht war, wegen der letzten Vorfälle eine Anzeige zu erstatten, schlau war es nicht. Weil es erst einmal die Möglichkeit eines Modus Vivendi, bei dem die eine Seite etwas leiser wird und die andere nicht so genau hinhört, vorerst zerstört hat. Der Protest gegen Hopp steht wieder mitten im Brennpunkt der Aufmerksamkeit und jedes Zurückstecken wird erst einmal wie eine Niederlage interpretiert werden. Es ist völlig fraglich ob und wie man aus dieser Nummer wieder heraus kommt. Aber zumindest der ganze Rest könnte mal wieder etwas lockerer durch die Hose atmen und weniger aufgeschreckt agieren. Samstag wurde maximal der gute Geschmack verletzt. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Unterstütze uns mit steady

Weitere Artikel