
Ein Irrtum und das „friedlichste Derby aller Zeiten“

Dabei bin ich jedoch nicht zwingend dem medialen Hype auf den Leim gegangen. Verschiedene Faktoren ließen mich - leider - fest davon ausgehen, dass sich die Gewaltspirale rund um das Westfalenstadion weiterdrehen würde, die Vorzeichen schienen eindeutig zu sein. Da waren zunächst einmal die unschönen Szenen im Hinrunden-Derby, von denen ich - aus Erfahrung - annahm, dass sich die Gegenseite dies nicht reaktionslos bieten lassen würde. Ferner hatte ich die Vorfälle vom Kölner Rudolfplatz mit einer kolportierten Teilnahme von Angehörigen einer Dortmunder Ultragruppierung im Hinterkopf. Und als jüngstes Beispiel sorgten insbesondere die Vorfälle - die öffentlich zweien unserer Ultragruppierungen zugeschrieben werden - rund um das Auswärtsspiel am vergangenen Wochenende bei Hannover 96 nicht gerade für eine gelassene Grundstimmung bei mir. Exakt vor zwei Wochen hatte ich im dritten Teil der Derby-Serie meine Zweifel ob des Sicherheitskonzeptes zum Ausdruck gebracht. Mit einem Gefühl der Anspannung machte ich mich auf den Weg zum Stadion.
Deeskalation, wie man sie sich wünscht

Nach dem Spiel machte ich mich schnell auf den Weg Richtung Hauptbahnhof. Auch hier herrschte angenehme Ruhe, die von der Aura der im Hintergrund bleibenden Polizisten gesichert wurde. Okay, ich kann nicht einschätzen, wie die Situation eine Dreiviertelstunde später war, als auch die Blauen nach ihrer Blocksperre im Hauptbahnhof eintrafen. Nach allem, was man bisher vernahm, war die Situation in jenen Minuten aber wohl nicht viel anders als in jenen Minuten, in denen ich mich dort aufhielt. Ich konnte jedenfalls in Ruhe noch in einem amerikanischen Schnellrestaurant vorbeischauen und unbehelligt die Toilette aufsuchen, ehe ich mich entspannt auf den Weg zu meinem Zug machte, in dem es auch keinerlei negativen Vorkommnisse gab - und das übrigens gänzlich ohne Polizisten in den Abteilen.
Fanverhalten genauso wichtig wie das Sicherheitskonzept

Entsprechend resümierte der Dortmunder Polizeipräsident: „Die Fans beider Mannschaften haben sich so verhalten, wie man sich Fußballfans wünscht.“ Und Dr. Christian Hockenjos, Direktor Organisation bei Borussia Dortmund, ergänzte: „Ein Dank gilt insbesondere auch den Fans, die sich so verhalten haben, wie wir es uns alle wünschen. Absolute Unterstützung ohne jegliche Pyro und Gewalt. Es war das erste Derby seit einigen Jahren, bei dem nicht die nächste Eskalationsstufe erreicht wurde; ein guter Schritt in die richtige Richtung, dem hoffentlich weitere folgen werden.“
Ultras sind sich ihrer Verantwortung bewusst

Nichtsdestotrotz bleibt mit einem Blick in die Vergangenheit ein seltsames Gefühl. Vorgestern, als Dortmund im Brennglas der Öffentlichkeit stand und eine deutsche Meisterschaft zur Randnotiz verkam, blieb es entgegen der offenbar weit verbreiteten Erwartungshaltung ruhig. Es bleibt zu hoffen, dass dies auch bei kommenden Derbys der Fall ist, bei denen der Hype weniger groß sein wird. Es wird höchste Zeit, dass der organisierte Support und die Choreografien - beides schwerwiegende positive Aspekte der Ultra-Kultur - wieder die Schlagzeilen beherrschen. Die Hand ist ausgestreckt, mögen nun alle Beteiligten diese annehmen. Oder, um mit den Worten des Polizeipräsidenten Lange zu enden:
„Wir können uns jetzt aber nicht selbstzufrieden zurücklehnen und uns ausruhen. Die Fans haben gezeigt, dass es friedlich geht. Dahinter möchte ich nicht mehr zurück. Ich wünsche mir zukünftig nur noch solche Derbys, allerdings mit viel weniger Aufwand für die Sicherheit.“
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