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schwatzgelbes Halbzeitgespräch mit Götz Kühnemund: "Die Ruhrpott-Oppas sind das Beste!"

22.09.2010, 18:09 Uhr von:  SSC
schwatzgelbes Halbzeitgespräch mit Götz Kühnemund: "Die Ruhrpott-Oppas sind das Beste!"

Als Chefredakteur des Rock Hard ist Götz Kühnemund den Freunden handgemachter Musik ein guter Bekannter. Was weniger Menschen wissen: Neben Hard Rock und Heavy Metal findet auch Borussia Dortmund ein prominentes Plätzchen in seinem Leben. Anlass genug, sich mit Götz über Festivals in ungeliebten Nachbarstädten, grauenhafte Musik im Westfalenstadion und sein inniges Verhältnis zu Dr. Gerd Niebaum auszutauschen. Tore machen!

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Götz Kühnemund (links)

schwatzgelb.de: Rock Hard hat seinen Sitz in Dortmund, du selber bist in der Nähe aufgewachsen. Ideale Voraussetzungen eigentlich, um Borussia in sein Herz zu schließen.

Götz Kühnemund: Meine ganze Familie lebt in Dortmund, ich selber komme aus Lüdinghausen am Rand des Ruhrgebiets. Der Ort liegt ein kleines Stückchen näher an Gelsenkirchen als an Dortmund, weshalb ich in der Schule mehr mit Schalkern als Dortmundern zu tun hatte – die Schalker waren aber diejenigen, die ich nicht mochte. Außerdem nahm mich mein Onkel mit acht Jahren zum ersten Mal ins Westfalenstadion, was man sich wie bei einem Rockkonzert vorstellen muss: Das erste Mal ist prägend und man kann nur hoffen, dass einen die Eltern nicht zu einer peinlichen Nummer mitnehmen. Mit meinem Onkel hab ich es da ziemlich gut erwischt.

Wie kannst du es dann mit deinem Gewissen vereinbaren, das Rock Hard Festival ausgerechnet in einer Nachbarstadt zu veranstalten?

Götz Kühnemund: Das ist tatsächlich eine ganz harte Gewissensfrage. Leider Gottes muss ich zugeben, dass es einige wenige Dinge gibt, die in Gelsenkirchen einfach besser laufen als in Dortmund – dazu gehört die Kooperationsbereitschaft der Stadt. Wir wollten das Festival eigentlich nur einmal durchführen, rannten dort aber offene Türen ein und bekamen mit dem Amphitheater eine tolle Bühne. In Dortmund hatten wir es mit so vielen Auflagen zu tun, dass uns jeder Spaß verging: Diese und jene Fläche darf nicht betreten werden, dort darf es nicht zu nahe an den Wald gehen, um zehn Uhr muss Zimmerlautstärke erreicht sein, bla bla bla. Dieser ganze Quatsch ging auf keine Kuhhaut mehr.

Wenn wir dem Ganzen etwas Positives abgewinnen wollen, fallen beim Rock Hard Open Air die Dortmunder in Gelsenkirchen ein: Immer wenn ich eine Spitze in Richtung Schalke loslasse, ist der Jubel sehr eindeutig auf Dortmunder Seite. Da können einem die wenigen Schalker, die sich hoffnungslos unterlegen mit Trikot ins Amphitheater trauen, fast schon leidtun. Allerdings muss ich einräumen, auch zwei Blaue im Rock Hard Team zu haben – die kommen aus Gelsenkirchen und halten deren Fahne hoch, ob wir wollen oder nicht.

Der Chefredakteur eines Konkurrenzmagazins bekennt sich zu eben jenem Verein, dessen Stadion Medienberichten zufolge bald aus Google Streetview verschwinden soll. Macht diese Konkurrenz gleich doppelt Spaß?

Götz Kühnemund: Der hat sich in seinem Leben schon zu so viel bekannt und sich in so vielen Widersprüchen verstrickt, da fällt das doch kaum noch ins Gewicht!

Anpfiff

Götz Kühnemund als Comic

Dein Job spannt dich voll ein, gerade die großen Sommerfestivals finden häufig parallel zum Saisonauftakt statt. Wie hältst du dich auf dem Laufenden, wenn es um den BVB geht?

Götz Kühnemund: Heute habe ich zum Beispiel das Summer Breeze (Festival in Dinkelsbühl, Anm. d. Red.) um einen Tag abgekürzt, um morgen das Spiel gegen Leverkusen zu sehen – da habe ich mit dem Sonntagsspiel wirklich Glück gehabt. Obwohl ich nach Möglichkeit kein Spiel verpasse, habe ich meine Dauerkarte aber nach vielen Jahren abgegeben. Sie hatte mich im Lauf der Zeit auf alle vier Tribünen gebracht, bis ich eines Tages feststellte, dass ich nur noch jedes dritte Spiel im Stadion verfolgen konnte – auf Dauer ein sehr teures Vergnügen.

Welchen Bierstand muss man dann heutzutage aufsuchen, wenn man mit dir ins Gespräch kommen will?

Götz Kühnemund: Mittlerweile sehe ich Fußball am liebsten in der Kneipe. Und weil ich mir Fußball nicht mit irgendjemandem anschauen will, sondern mit Leuten, die ein bisschen Sachverstand haben, ist meine Wahl auf das Subrosa in Dortmund gefallen. Im Stadion störte es mich zuletzt einfach zu sehr, dass jede Woche neue Leute neben mir saßen und viele von denen einfach nicht genug Ahnung hatten, als dass man hätte diskutieren können.

Nun ist Fußball auch für so manchen Berufsmusiker das schönste Hobby der Welt und einige Unverbesserliche haben sich leider für die falsche Seite entschieden. Die bekanntesten Beispiele dürften Onkel Tom Angelripper (Sänger von Sodom, Anm. d. Verf.) und Uwe Rödel (Sänger von Defloration, Anm. d. Verf.) sein, der selbst auf Festivals beharrlich in seinem blau-weißen Frustlappen herumläuft…

Götz Kühnemund: Tom Angelripper hat es sogar gewagt, beim Rock Hard Festival in einem solchen Trikot auf die Bühne zu steigen. Und damit nicht genug: Er hatte auch blaue Sodom-Trikots mit Rock Hard-Aufdruck im Gepäck und wir konnten diesen harten Affront nicht verhindern...

Kannst du auch von wahren Vorzeigemusikern berichten, die du mit ins Westfalenstadion genommen hast?

Götz Kühnemund: Von einer ganzen Menge sogar! Einige Male war ich mit Gerre und Buffo (Sänger und Manager von Tankard, Anm. d. Red.) im Stadion – beide sind fanatische Eintracht Frankfurt-Fans, die jede Auswärtsfahrt mitmachen und auf diesem Weg natürlich auch regelmäßig nach Dortmund kommen. Auch Tom Angelripper hat die gerechte Strafe erhalten: Die beiden übrigen Sodom-Mitglieder sind eingefleischte Borussen und ehemalige Mitglieder meiner Band Randalica – sie sind immer dabei, wenn ich ins Stadion gehe und lassen es bandintern in Sachen Fußball ordentlich krachen. Dazu wollten immer wieder mal englische oder amerikanische Bands wissen, was man in Dortmund gesehen haben sollte. Darauf konnte es nur die Antwort Westfalenstadion geben, weshalb Bands wie Destruction, Nevermore oder Vicious Rumors alle schon in den Genuss gekommen sind. Gestern habe ich nach einigen Jahren Brian Slagel, Gründer von Metal Blade Records und Entdecker von Metallica, wieder getroffen. Ihn werde ich als nächstes mit ins Stadion nehmen.

Dann gibt es bestimmt auch einen Song, den du mit Borussia Dortmund in Verbindung bringst…

Götz Kühnemund: Ohne zu viel Eigenlob betreiben zu wollen, muss ich da natürlich unseren eigenen Song „Tore machen!“ nennen, ein Cover des Judas-Priest-Klassikers „Breaking the law“. Wir standen sogar kurz davor, diesen Song im Stadion zu hören – Lars Ricken war richtig angetan und auch die übrigen Rock-Hard-Leser aus der Mannschaft, darunter Heiko Herrlich, Kalle Riedle und Jürgen Kohler, fanden den Song klasse. Leider hatten wir keinen Erfolg und es blieb beim ewigen Ärgernis: Die Stadionmusik in Dortmund war und ist eine einzige Katastrophe, mit weitem Abstand die schlechteste in Deutschland. Unser Versuch einen hörbaren Borussia-Song hinzubekommen, der von normalen Leuten mitgesungen werden kann, passte einfach nicht in die Ära Niebaum: wir waren zu hart oder zu asozial, in jedem Fall aber nicht snobistisch genug. Als er sich eines Tages zu einem unserer Auftritte verirrt hatte, verließ er den Saal gleich wieder kopfschüttelnd – das war wohl unser Todesurteil. So durfte Gerre „Schwarz-Weiß wie Schnee“ im Frankfurter Stadion singen, während es bei uns die Fans auf Zug- und Auswärtsfahrten blieben. Schade eigentlich.

Götz Kühnemund (links)

Immerhin schaffte es „Tore machen!“ auf die Fanabteilungs-CD.

Götz Kühnemund: Ja, aber leider erst einige Jahre später. Zu dieser Zeit kamen Erinnerungen an uns wieder hoch und beinahe alles, was in Dortmund eine Gitarre halten konnte, war plötzlich am Start. Mit Bums und Pommes Schwarz-Gelb gab es auch ein paar richtig gute Sachen auf dieser CD, man hört sie aber nur viel zu selten im Stadion.

Erst vor kurzem gab es dafür eine kontroverse Diskussion, ob die Disco Boys nun von AC/DC verdrängt werden dürfen oder nicht…

Götz Kühnemund: „Thunderstruck“ ist ein großer Schritt nach vorne! Ich sage ja nun wirklich nicht gerne etwas Positives über Schalke, aber ein bisschen habe ich die um ihre Einlaufmusik immer beneidet. Die ist einfach rockiger und gibt dir das Gefühl: „Jetzt geht’s ans Eingemachte!“ Wenn bei uns „Eye of the Tiger“ und der steigende Adrenalinpegel die Stimmung gerade richtig angefeuert hatten und mit dem plötzlichen Umschwung in „Heja BVB“ alles ruckartig wieder herausgenommen wurde, war das für mich immer ein Ärgernis. Emotionen sollten erst gar nicht aufkeimen, dafür gezielt das brave Snobistenpublikum angesprochen werden, was über die Jahre leider auch ganz gut gelungen ist. Jetzt geht es endlich wieder in die andere Richtung, darüber kann man sich als Fan nur freuen.

Abstoß

Der BVB hat sich in den letzten Jahren stark verändert – auf dem Platz, auf den Rängen und in seinem gesamten öffentlichen Auftreten. Wie hast du diesen Wandel erlebt?

Götz Kühnemund: Sehr, sehr positiv. Lass mich kurz etwas weiter ausholen: In meinen ersten Jahren als Dauerkarteninhaber freute ich mich auf jedes Spiel, weil ich wusste, dass wir die besten und originellsten Fans der Liga hatten – diese Aussage war in den 1980-er Jahren kein bisschen übertrieben. Der große Stadionausbau hat viel davon kaputt gemacht und gerade die Originalität hat an vielen Ecken und Enden akut verloren. Haufenweise Spruchbänder wurden verboten und das Publikum entsprach immer öfter dem, was heutzutage beim Public Viewing auf dem Friedensplatz herumtanzt. Dieses Publikum empfand ich als richtig schlecht: Es war zwar laut, zeigte aber so gut wie keine Reaktion auf das Spielgeschehen. Einige der alt eingesessenen Vorsänger hatten von dieser Vereinspolitik und den Problemen der großen Tribüne die Schnauze voll und wanderten in die Amateurligen ab, mehrere von ihnen landeten bei Preußen Münster.

Das alles ist heute Vergangenheit: Die Alten kommen nach Jahren wieder zurück nach Dortmund, identifizieren sich wieder mit dem Verein: Viele junge Spieler werden bei Borussia aufgebaut und die neue Fußball-Philosophie hat die zwischenzeitlichen High-Society-Anwandlungen wieder verdrängt. Vor acht oder neun Jahren wurde achselzuckend ein Amoroso gekauft, der dann zwar 18 Tore machte, bei dem aber jedes Tor auch eine Million Euro kostete. Ich bin froh, dass diese Zeit vorbei ist und auch gerne bereit, für so etwas eine Meisterschaft herzugeben.

Eckball

In dieser Saison geht Borussia mit einer der jüngsten Mannschaften der Vereinsgeschichte auf die Pirsch. Drei Wettbewerbe stehen an, Spieler, Medien und Fans hängen an den Lippen Jürgen Klopps. Wie viel traust du diesem Team und seinem Trainer zu?

Götz Kühnemund: Ganz viel, weil ich glaube, dass Klopp der absolut richtige Mann an der richtigen Stelle ist. Er hat die passende Ausstrahlung und kann junge Spieler mitreißen – er ist der Star der Mannschaft, die Spieler schauen zu ihm auf und wissen, dass sein Wort Gesetz ist. Weil sich alles auf ihn fokussiert, nimmt er der Mannschaft den Druck und schafft ihr den nötigen Freiraum. Dazu ist unter Klopp so gut wie jeder Spieler besser geworden, nach meiner Beobachtung aber kaum einer abgefallen. Auch die Anzahl schwerer Verletzungen hat mit Ausnahme von ein oder zwei anfälligen Spielern drastisch abgenommen, die Mannschaft wirkt bis auf den Punkt austrainiert und spielt intelligenten Fußball – das zusammen genommen zeugt von einer eigenen Handschrift und dokumentiert, dass Klopp nicht einfach nur Glück hat.

Besonders bemerkenswert finde ich Klopp übrigens in seiner Rolle als Medienprofi: Jeder noch so gute Redner erwischt irgendwann einen schlechten Tag und labert Müll. Bei Klopp habe ich das so gut wie nie erlebt: Der kann zehn Interviews nacheinander geben und vermittelt dir trotzdem das Gefühl, dass er noch etwas Wichtiges zu sagen hätte. Das ist eine ganz große Kunst, die ich in dieser Form noch nie erlebt habe und die natürlich dafür sorgt, dass sich das Medieninteresse weiterhin auf ihn richtet, während die Spieler in Ruhe arbeiten können.

In welchen Mannschaftsteilen siehst du noch Verbesserungsbedarf?

Götz Kühnemund: Unsere kleine Achillesferse war immer der Sturm, wobei der mittlerweile recht viel versprechend besetzt ist. Das Mittelfeld macht ebenfalls einen guten Eindruck, nicht zuletzt weil sich Sahin so gut entwickelt hat und Kehl wieder zurück gekommen ist. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, doch wenn die Leistung aus den Vorbereitungsspielen gehalten werden kann, bin ich doch recht optimistisch. Eine richtige Schwachstelle sehe ich momentan jedenfalls nicht. Im Gegenteil: Wir haben sogar schon wieder das Kunststück geschafft, die erste Runde im DFB-Pokal zu überstehen…

Abseits

Jeder Fan bringt es irgendwann einmal auf eine mehr oder weniger stattliche Anzahl an Jugendsünden. Welche Erinnerungen lassen dich in Bezug auf Borussia Dortmund heute noch vor Scham im Boden versinken?

Götz Kühnemund: Die Geschichte mit Niebaum war da schon ganz vorne mit dabei. Peter Hesse hatte die Idee gehabt, anlässlich von Jürgen Kohlers Abschiedsspiel eine Party im FZW zu veranstalten. Jürgen fand die Idee klasse und wir haben ein Programm mit ein paar Bands zusammengestellt, zu denen auch Randalica gehörte. Wir hatten sogar ein Lied geschrieben, nicht besonders einfallsreich, aber naheliegend: „Jürgen Kohler Fußballgott“ auf der Melodie von „I‘m a rebel“ (Accept, Anm. d. Red.). Gerade als wir den Song spielten, kam Niebaum mit meinem Cousin herein, der damals in Niebaums Kanzlei arbeitete, schüttelte den Kopf und ging wieder nach Hause.

So richtig peinliche Geschichten fallen mir sonst nicht ein, dafür aber zwei nette Anekdoten aus vergangenen Tagen. Die eine spielte sich auf der Osttribüne im Westfalenstadion ab, als ein bayerischer und ein Dortmunder Oppa aufeinander los gingen. Beide hatten Krücken und schlugen damit aufeinander ein, dass sie den Halt verloren und aufeinander fielen. Aufstehen konnte keiner mehr ohne Hilfe, also haben sie sich einfach weiter geprügelt. Eine solche Situationskomik hab ich ganz selten erlebt, die halbe Tribüne hat geweint vor Lachen! Seit diesem Tag weiß ich jedenfalls, was ich am Ruhrgebiet am besten finde – es sind die Oppas, die du einfach gern haben musst! Die besten davon gibt’s übrigens in Duisburg: Wenn du Typen haben willst, die sich im schlimmsten Deutsch gegenseitig anbrüllen, musst du zum MSV fahren. Das meine ich auch gar nicht abwertend, denn das macht für mich den Ruhrpott aus und ich finde es einfach lustig.

Die andere Geschichte trug sich – ebenfalls im Ruhrpott – bei einem Derby zu. Als wir in Gelsenkirchen noch im Parkstadion spielten und einem die alte Gelsenszene noch auf den Kopf pisste, wenn man ihr zu nahe kam, hatte ich außerhalb des Gästeblocks einen bekannten Rock-Hard-Leser am Bierstand gesehen. Zwischen den Ordnern quetschte ich mich aus dem Block, ging in aller Seelenruhe im BVB-Trikot durch deren Kurve spazieren und stellte mich dort an den Bierstand. Keiner hat mit mich angerührt, darauf bin ich immer noch ein bisschen stolz.

Steilpass

Ob Iron Maiden Frontmann Bruce Dickinson oder Manowars Joey DeMaio – mit einigen Schwergewichten hast du dich in beinahe legendärer Weise angelegt. Wem würdest du im Fußballzirkus gerne mal die Meinung sagen, wessen Schlagfertigkeit und Professionalität bis an die Grenzen treiben?

Götz Kühnemund: Oje, das ist eine schwere Frage… Immerhin sind Fußballer für ihre furchtbar schlechten und langweiligen Interviews bekannt, selbst wenn 11FREUNDE im Gegensatz zum kicker wenigstens manchmal etwas Spannendes herausholen kann. Wieder einmal muss ich deshalb Lars Ricken als Wunschpartner angeben: Lars ist ein beinharter Metallica-Fan, ich habe spätestens seit St. Anger mit Metallica abgeschlossen. Redaktionsintern haben wir uns zu diesem Thema schon schwere Gefechte geliefert, da könnte ich mir ein gutes Streitgespräch mit Lars vorstellen.

Was andere Vereine angeht, finde ich Louis van Gaal unglaublich unterhaltsam. Dem höre ich wirklich gerne zu. Auch Uli Hoeneß ist ein interessanter Typ, obwohl ich bei dem etwas unentschlossen bin: Es gibt Momente, in denen ich ihn wie die Pest hasse, aber eben auch solche, in denen ich höchsten Respekt vor ihm habe. Kurz nach den Terroranschlägen vom 11. September war Hoeneß einer der ersten, der aus dem Einheitsbrei herausstach und eine bemerkenswerte Äußerung über die Ursachen des Terrorismus und vorherige Aggressionen der Amerikaner tätigte. Ich dachte ich höre nicht richtig, weil ich ihn immer für einen strammen CSU-Sturkopf gehalten und ihm eine derart differenzierte Meinung nicht zugetraut hatte. Heute könnte ich mir ein Streitgespräch mit Uli Hoeneß super vorstellen – heftig, intensiv und trotzdem amüsant. Fast wie bei Ted Nugent, der dir nackt auf den Tisch springt, dein Diktiergerät durch den Laden tritt und dich trotzdem zum Lachen bringt.

Torjubel

Welche Momente in deinem Fanleben würdest du heute als die schönsten…

Götz Kühnemund: Die Champions League! Zwei Tage Party, alle Kneipen hatten rund um die Uhr offen und die ganze Stadt stand auf der Straße. Der absolute Oberhammer, keine Frage! Die erste Meisterschaft 1995 war schon Wahnsinn, weil wir über so viele Jahre hin gefiebert und endlich unser Ziel erreicht hatten. Aber der Champions-League-Sieg als Krönung von alledem ist der großartigste Borussia-Tag in meinem Leben gewesen. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass sich ein solcher Tag mit dieser Intensität noch einmal wiederholen lässt.

Aufstellung

Wenn du Jürgen Klopp beraten dürftest: Welche Spieler stünden in deiner Startelf?

Götz Kühnemund: Vor einer Woche hätte ich Kagawa noch nicht genannt, Stand heute führt an ihm wohl kein Weg mehr vorbei. Das Gleiche gilt für Lewandowski. Auch Kehl würde ich für Bender wieder hereinnehmen, ansonsten aber kaum etwas ändern. Im Großen und Ganzen bliebe es damit bei der Startelf, die in der vergangenen Rückrunde tollen Fußball gespielt hat. Den fünften Platz wiederzuholen, wäre dann eine ganz tolle Sache.

Wer stünde in deinem Borussia All-Star-Team und wen würdest du gerne wieder im BVB-Trikot sehen?

Götz Kühnemund: Drei Leute allen voran: Lars Ricken, mein Lieblingsspieler aus Identifikationsgründen. Er hat gerade in der kritischen Zeit den Verein repräsentiert, insbesondere für diese Art Fans, zu der ich gehöre. An zweiter Stelle habe ich eine riesige Hochachtung vor Matthias Sammer. Es ist ein etwas abgeschmacktes Zitat, doch Sammer wäre ohne die Kniegeschichte der zweite Beckenbauer geworden – das steht für mich völlig außer Frage. An dritter Stelle müsste ich eigentlich Jürgen Kohler sagen, entscheide mich aber für Kalle Riedle. Riedle hatte einen unglaublichen Torinstinkt und als Rock-Hard-Leser natürlich einen Bonuspunkt. In dem Zusammenhang müsste ich zwar noch Heiko Herrlich nennen, doch ist Riedle von der geschichtlichen Bedeutung her natürlich auf einer ganz anderen Ebene. Ich würde also sagen: Sammer, Riedle, Ricken.

Abpfiff

Zu guter Letzt sollst du eine Chance bekommen, den schwatzgelb.de-Lesern etwas mit auf den Weg zu geben: Was wolltest du schon immer einmal los werden?


Götz Kühnemund: Am meisten beschäftigt hat mich die Sache mit den Fangesängen, die nach dem Stadionausbau viel von ihrer Originalität verloren haben. Ich würde mir von Herzen wünschen, dass – trotz der dafür vielleicht zu groß geratenen Südtribüne – wieder mehr Kreativität und Spontanität Einzug halten kann. Natürlich können wir die Zeit nicht mehr zurückdrehen, doch wenn wir uns zumindest ein Stück am Ende der 1980-er Jahre orientieren würden, als wir definitiv das beste – und nicht nur lauteste – Publikum der Liga hatten, würde ich mich freuen. Dabei muss natürlich der Verein mitspielen: Fans müssen freie Hand haben, was ihre Transparente und Fahnen angeht, das Einspielen grauenhafter Stimmungslieder und Anmoderieren von Fangesängen muss ein Ende finden. Diesbezüglich würde ich mir ein kritischeres und wacheres Publikum wünschen, das nicht alles frisst, was man ihm hinwirft.

Nicht dass du mich jetzt falsch verstehst: Der Verein hat sein Gesicht in den vergangenen Jahren geändert und drangsaliert seine Fans bei weitem nicht mehr so, wie es noch vor acht oder neun Jahren der Fall war. Die positive Entwicklung der letzten Jahre darf aber nicht stehen bleiben und muss noch ein ganzes Stück weiter gehen.

Außerdem wäre es schön, wenn der Dortmunder Auswärtsmob ein paar weniger Rechte dabei hätte. Manchmal ist es mir wirklich peinlich am Bahnhof zu stehen und mitzubekommen, was da für Leute rumlaufen. Machen wir uns nichts vor: Bei einem Verein, der so viele Menschen anzieht, hast du immer jede Menge Vollasis mit dabei. Aber gerade in der Zeit, als sich die Schalker einen liberalen und ausländerfreundlichen Anstrich verpassten, entwickelten sich einige Leute bei uns in die vollkommen entgegengesetzte Richtung – das hat mich unheimlich geärgert. Alleine als Reaktion auf Schalke und Asamoah den rechten Arm zu heben und Affenlaute von sich zu geben, finde ich unglaublich scheiße. Beim BVB ist das natürlich nur eine Minderheit, doch wäre es meine große Bitte an alle Fans: Setzt euch gegen dieses Pack zur Wehr und lasst nicht zu, dass Dortmund zum Sammelbecken rechtsradikaler Idioten wird.

Vielen Dank für das Gespräch, Götz.

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