Warmlaufen

Herbstdepressionen

02.10.2009, 00:00 Uhr von:  Christoph
Herbstdepressionen
Tristesse nach der Derbyniederlage

Morgens wird man auf der Arbeit von Schlackern mit einem breiten Grinsen begrüßt, und man fragt sich, was zurzeit schlimmer ist: Die Kommunikation mit den Arbeitskollegen oder die Hiobsbotschaften aus der Zeitung. Kehl fällt sechs Wochen aus, schlechtester Saisonstart seit 21 Jahren, und am Samstag spielt der BvB in Gladbach, an jenem Ort, an dem man sich vor 133 Tagen um den gerechten Lohn einer guten Saison gebracht hat. Wer soll da nicht depressiv werden…

Psychiater würden in unserem Fall von einer "saisonal abhängigen Depression", kurz SAD, sprechen. Und so sieht die Situation aus: Tabellenplatz 15, ohne einen echten Führer auf dem Platz, einen Sturm mit Ladehemmungen, ein Mittelfeld, das nur Mittelmaß darstellt, und von einer Abwehr kann man bei den bisher 13 kassierten Gegentoren nicht sprechen. Bevor mir noch eine chronische Depression unterstellt wird, lasse ich sämtliche Derby-Statistiken bei Seite und widme mich lieber unserem Gastgeber aus dem idyllischen Mönchengladbach.

Die Psychoanalyse der Gladbacher

Der Borussia Park wird wieder strahlen

Gladbach zeigt ähnliche Symptome wie unser BvB. Die letzten Spiele verliefen weniger erfolgreich, und man verlor zuletzt beim SC Freiburg mit 0:3. Mit 7 Punkten guckt man vom Tabellenplatz 12 auf den Tabellenfünfzehnten aus Dortmund herab. Ganz gelassen versucht man an die Partie Borussia vs. Borussia heranzugehen und fährt zur Erholung für zwei Tage ins Trainingslager nach Tegelen (Holland). Von einem Endspiel um die Krisenmeisterschaft mag in Gladbach niemand sprechen, auch wenn dieses Spiel enorm wichtig ist, um sich von den unteren Tabellenplätzen zu distanzieren. "Es geht halt darum, die Weichen für die nächsten Wochen zu stellen. Die Dortmunder können das auch - und genau darin liegt die Brisanz. Demnach ist diese Partie für beide Mannschaften von großer Bedeutung." (Michael Frontzeck) Im weiteren Verlauf der Pressekonferenz fällt ein Satz aus Frontzecks Mund, bei dem einem Hobby-Fußball-Psychologen nur so die Ohren schlackern: "Es geht weniger um das Personal, da liegen sowieso nur Nuancen zwischen den Spielern. Auch das Spielsystem wird nicht entscheiden. Ausschlaggebend wird sein, wer vom Kopf und den Nerven her fit ist." Bei solchen Aussagen weiß ein jeder Hobby-Fußball-Psychologe:

Auftritt 2008/09 in MG

Nach gerade einmal vier Niederlagen und einem möglichen fünften Misserfolg in Folge steht dem Trainer Michael Frontzeck ein stürmischer Herbst bevor. Zumal die Gladbacher die Millionen, die der Verkauf von Marko Marin in die Kassen gespült hat, reinvestiert haben um in dieser Saison endlich mal nicht gegen den Abstieg zu spielen. Stürmer Raul Bobadilla kam für knapp 4 Millionen Euro aus Zürich, und Spielmacher Juan Arango für 3,6 Millionen Euro aus Mallorca. Das reinvestiertes Geld nicht unbedingt einen Spieler ersetzenkann, davon kann Dortmund ein Liedchen trällern. Einem Spieler in Reihen der Gladbacher wird sicherlich daran gelegen sein, Vergangenheitsbewältigung zu betreiben. Schließlich kann man erst, wenn man die Vergangenheit endgültig abgeschossen hat, die Zukunft neu gestalten. 9 Jahre trug Marco Reus als Jugendlicher das BvB-Trikot und freut sich ganz besonders auf seine Psychoanalyse auf dem grünen Rasen.

Zurück zur Borussia

Klopp kann nicht zufrieden sein

Von großer Bedeutung ist der richtige Umgang mit einer Depression. Viel frische Luft und viel Bewegung sollen angeblich einer Herbstdepression entgegenwirken. Allerdings scheinen die Spieler von Borussia Dortmund bisher auf diese Therapie kaum anzuspringen. So wurde gerade ermittelt, dass die Spieler in schwatzgelb beim Derby im Schnitt ganze zwei Kilometer mehr gekrochen sind als die Gegner. Aber vielleicht liegt es ja auch am Umfeld?! In einem Interview schilderte Jürgen Klopp, dass seine Spieler unbedingt aus dieser Situation hinauswollen, aber sie spüren auch, dass um sie herum eine große Diskussion im Gange ist und das Vertrauen in sie nicht allzu groß ist. Dieser Behauptung kann man entschlossen erwidern: Das Vertrauen in die Mannschaft ist so groß, dass man aus Prinzip beim internen Tippspiel gegen sie wettet. Das Vertrauen zahlt sich in der Tipprangliste aus - Platz 1. Auch ist es eigentlich verständlich, dass jemand, der unter Depressionen leidet, auf Zweikämpfe verzichtet und jeder Konfrontation aus dem Weg geht. Immerhin schaffte man es, 54% der Zweikämpfe gegen die Lieblingsnachbarn zu verlieren, ohne sich dabei eine gelbe Karte abzuholen. Nach diesem Derby sollte der Fair-Play-Preis der Mannschaft in dieser Saison nicht mehr zu nehmen sein. Es fehlt ihr zurzeit einfach an der nötigen Aggressivität. Selbst unser Torwart lässt sich bei seiner Nahrungsaufnahme stören und weicht den gegnerischen Schlägen einfach aus. Anschließend prahlt er damit, dass er das alles im Training hart erarbeitet hat. An dieser Stelle fragt man sich als Fußball-Laie, inwiefern ein Torwart gut ausweichen muss? Aber Roman Weidenfeller ist zurzeit ein Sinnbild unserer Borussia. Wie würde schließlich Unsereiner reagieren, wenn man ihn beim Salatessen unterbricht? Vermutlich liegen die Gründe für die Herbstdepression noch tiefer. Hat eigentlich schon jemand die Vereinsfarben hinterfragt? Würden wir nicht auch alle depressiv werden, wenn wir ständig in schwatz auflaufen müssten? Wie wirkt sich überhaut der Schiedsrichter auf die sanfte Borussen-Seele aus? Immerhin haben uns Schiedsrichterentscheidungen in diese Saison mindestens vier Punkte gekostet. Und da wäre noch die Sache mit dem Rasen. Die Farbe grün mag einer Depression noch entgegenwirken, aber die unverkennbaren braunen Flecken könnten unter anderem Ursache dafür sein, dass nur die Schwatzgelben immer ausrutschen.

Die Zwote will wieder jubeln

Ein wahres Problem könnte die Anstoßzeit sein. Um 18:30 Uhr wird es inzwischen schon dämmrig, und gerade für zwei depressive Mannschaften namens Borussia ist es wichtig, möglichst viel Tageslicht zu bekommen. Gerade bei verminderter Sonneneinstrahlung wird weniger Vitamin D gebildet, somit sind Störungen des Wohlbefindens vorprogrammiert. Vermutlich ist dies auch der Grund, weshalb noch knapp 2000 Gästekarten für den Depressionsgipfel an den Tageskassen zu erwerben sind. Wer sich aufgrund der Lichtverhältnisse nicht nach Gladbach traut, dem seien die Amateure (Anstoß 14 Uhr, Stadion Rote Erde) empfohlen. Als Tabellen-Sechzehnter geht die zweite Mannschaft von Borussia Dortmund in den zwölften Spieltag. Nach sechs ganz knappen Niederlagen, allesamt mit nur einem Tor Differenz, steht die U23 gegen den SV Wehen Wiesbaden ein wenig unter Zugzwang. Bevor man sich beide Spiele anguckt, sollte man Rücksprache mit der Krankenkasse halten, ob die Folgekosten der notwendigen psychiatrischen Behandlung auch vollständig übernommen werden.

Bei der Schiedsrichteransetzung der ersten Mannschaft kann man nur mit dem Kopf schütteln. Manuel Gräfe ist Sportwissenschaftler und Liebhaber der italienischen Küche. Was beide Mannschaften in dieser Situation brauchen ist kein Sportwissenschaftler, sondern einen Psychiater, der die Spieler wieder in die richtigen Bahnen lenkt.

Sahin wird wieder im Mittelpunkt stehen

Als BvB-Fan sollte man einfach die Ratschläge seines Arztes befolgen. Dieser rät einem, sich unter Gleichgesinnte zu begeben und möglichst über positive Ereignisse zu reden. Gespräche über die nahe Fußballvergangenheit sind somit ausgeschlossen. Ein weiterer guter Ansatz ist, durch Singen wieder zur alten Lebensfreude zurückzukehren. Wenn man sich dann noch möglichst farbenfroh bekleidet, sollte dem neuen Wohlgefühl nichts mehr im Wege stehen. Und wenn man dann noch etwas Positives daran sieht, dass die Abwehr zwar richtig schlecht steht, aber dafür die eigenen Stürmer vorne keine Tore schießen… dann diagnostiziert der Psychiater keine Depression mehr, sondern eine ausgeprägte Schizophrenie.

Einen Termin beim Psychiater haben sicher:

Bor. M´gladbach: Bailly - Stalteri, Brouwers, Dante, Levels - Marx, Meeuwis - Matmour, Arango - Colautti, Bobadilla.

Auf der Couch: Heimeroth - Kleine, Reus, Friend, Jaures, Arango, Bradley, Neuville.

Keinen Termin bekommen haben: Daems, Callsen-Bracker, Löhe (Bänderriss im Ellenbogen).

Borussia Dortmund: Weidenfeller - Owomoyela, Subotic, Hummels, Dede - Bender- Tinga, Sahin - Hajnal - Barrios, Valdez.

Auf der Couch: Ziegler - Schmelzer, Santaner, Feulner, Kuba, Großkreutz, Zidan, Rangelov .

Keinen Termin bekommen hat: Kehl (Sehnenentzündung am Schambein).

Informationen zur Anreise:

Die Eintrittskarte gilt gleichzeitig als Fahrkarte für den öffentlichen Personen-Nahverkehr im VRR und AVV (DB 2. Klasse). Von den Hauptbahnhöfen Rheydt und Mönchengladbach fahren Shuttle-Busse zum Stadion. Die Gästefans sollten unbedingt bis zum Hbf Rheydt fahren, weil sie von dort in separaten Bussen direkt zum Stadion, Ecke Süd-Ost, gefahren werden.

Die Stadiontore öffnen zweieinhalb Stunden vor dem Spiel! Der Gäste-Eingang befindet sich in der Ecke Süd-Ost für Block 6 und 7.

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