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...Dede (Teil 1): "Dortmund gegen Schalke - das ist Hass, aber mit Respekt."

26.03.2009, 16:09 Uhr von:  CHS Scherben Altrocker
...Dede (Teil 1): "Dortmund gegen Schalke - das ist Hass, aber mit Respekt."
Dede im Interview

Viel zu lange war er verletzt, genau genommen ein halbes Jahr. Jetzt spielt er wieder für den BVB, als wenn nichts gewesen wäre: Leonardo de Deus Santos, kurz Dede genannt. Vor seinem Comeback vor den heimischen Fans nahm sich Dede Zeit für ein Interview mit schwatzgelb.de.

Vorab möchten wir allerdings unseren Lesern danken, die in unzähligen Mails mit Fragen zu Dede gezeigt haben, was ihnen dieser Spieler bedeutet. Da nahezu alle Fragen mehrfach gestellt wurden, bitten wir Euch um Verständnis dafür, dass wir die Namen der Fragesteller weggelassen haben. Hier ein kurzes Dankeschön von Dede, dem wir alle eingeschickten Mails überreicht haben.

schwatzgelb.de: Leonardo, Du bist nun fast elf Jahre in Dortmund. Hättest Du Dir vorstellen können, so lange in Dortmund zu bleiben? Was waren damals Deine Gedanken, und wie verlief die Entwicklung, die dazu geführt hat, dass Du heute immer noch hier bist?

Dede: Es war damals nicht einfach, mein Heimatland Brasilien zu verlassen. Das geht allen Brasilianern so. Mein Vater hat gesagt, ich solle nicht nur für ein Jahr nach Europa gehen, so wie viele andere Brasilianer, sondern mindestens zwei, drei Jahre hier spielen. Als ich dann das erste Mal im Westfalenstadion aufgelaufen bin, habe ich sofort gespürt, dass das hier etwas Besonderes ist. So wie die Zuschauer sich mit dem Verein identifizieren, so habe ich mich vom ersten Moment an auch mit Borussia Dortmund und den Fans identifiziert. Dieses Gefühl wurde mit jedem Spiel und jeder Saison stärker, es gab eigentlich nur Positives in Dortmund. Ich freue mich einfach, heute noch hier zu spielen. Dazu kommt, dass ich in meinen ersten drei Jahren auf meiner Position richtig gute Leistungen gebracht habe.

Dede und Josef Schneck im Interview

Natürlich gab es auch Probleme. Zunächst bereitete mir das Essen Schwierigkeiten, dazu war die Familie weit weg, und ich konnte die Sprache nicht. Das Internet war noch nicht so verbreitet wie es heute ist, und ich habe sehr viel mit meiner Familie telefoniert. Die Rechnungen waren richtig hoch – eine schwere Zeit. Aber jedes Mal, wenn ich zum Training gekommen bin, habe ich alles vergessen und hatte richtig Spaß. Und erst recht in den Spielen. Es wurde jedes Jahr besser.

Du hilfst seit Jahren vielen neuen Spielern dabei, sich in Dortmund einzuleben. Aktuelle Beispiele sind Tinga und Santana, mit denen Du viel Freizeit verbringst. Hattest Du damals auch eine Bezugsperson, die Dir in der ersten Zeit geholfen hat?

Dede: Nein, da war keiner. Das war schon sehr schwer. Aber Gott sei Dank ist das vorbei. Später sind dann die anderen Brasilianer und andere ausländische Spieler gekommen. Die haben mich dann immer angerufen und alles Mögliche gefragt. Das war eine schöne Phase, als ich den Leuten helfen konnte.

Was hattest Du denn damals mit 20 Jahren für Vorstellungen von Deiner Karriere, wie sahen Deine Zukunftspläne aus?

Dede: Da spielen viele Sachen eine Rolle, und es läuft auch nicht immer alles so, wie man sich es vorstellt. Als Kind wollte ich auf jeden Fall erst einmal Profi werden und bei einem brasilianischen Verein – ich habe zehn Jahre in Brasilien gespielt – gute Leistungen bringen, um später zu einem großen Verein nach Europa wechseln zu können. Schließlich hatte ich einen Vorvertrag mit Leverkusen, aber zum Glück ist daraus nichts geworden. (allgemeines Gelächter)

Meinst Du das ernst?

Dede im Interview

Dede: Ja, auf jeden Fall. Das Stadion, die Fans und die Stimmung in Dortmund passen einfach zu mir, zu meinem Typ. Hier im Verein geht es gleichzeitig familiär und leidenschaftlich zu, die Leute gehen nicht nur für 90 Minuten ins Stadion.

Ich habe hier mittlerweile alles mitgemacht, gute Zeiten und schlechte Zeiten. Trotzdem kann ich mich für alles, was ich hier erlebt habe, nur bedanken. Im Fußball gibt es nicht nur gute Zeiten. Gott sei Dank ist damals noch einmal alles gut gegangen. In den schlechten Zeiten habe ich gespürt, wie viel Kraft hier ist. Bei den Fans und beim Verein. Das ist eine schöne Sache. Als es die große Krise um den Verein gab und viele Spieler nicht mehr mitmachen wollten, habe ich mich sofort entschieden, dass ich den Weg mit Borussia weitergehe. Diese Entscheidung war auch für mich nicht einfach. Heute bin ich froh, dass es so gelaufen ist.

Noch einmal zu Deiner Familie. Was machen Deine Brüder? Leandro zum Beispiel hat ja ebenfalls eine Zeit lang hier gespielt, bevor er zurück zu eurem alten Verein Atletico Mineiro gewechselt ist.

Dede: Caca, der früher in Duisburg gespielt hat, spielt mittlerweile bei Aalborg in Dänemark, heute Abend sogar im UEFA-Cup gegen Manchester City (und hat leider im Elfmeterschießen verloren, Anm. d. Red.). Für den kleinen Bruder suchen wir aktuell nach einem Verein in Europa, und Leo hat im Moment leider keinen Verein mehr. Das waren sowieso mit die schönsten Tage in meinem Leben, als ich damals in der Champions League gemeinsam mit meinem Bruder im gleichen Trikot ins Stadion einlaufen konnte. Dieses Gefühl kann ich gar nicht beschreiben; ich war so nervös wie bei meinem ersten Spiel in Dortmund, aber glücklich zugleich.

Verfolgst Du denn trotzdem noch regelmäßig die Spiele von Atletico Mineiro?

Dede: Auf jeden Fall. Zu Hause verfolge ich die Spiele im Fernsehen oder im Internet. Ich habe dort zehn Jahre gespielt, und das ist auch mein Verein, ich hatte dort eine gute Zeit. Die Leute dort kennen meinen Namen noch und fragen mich oft, ob ich nicht noch einmal dort spielen möchte. Aber ich sage dann, dass ich bei Borussia sehr zufrieden bin.

Du kommst aus Belo Horizonte, kennst das Derby hier zwischen dem BVB und Schalke, und Du kennst das Derby zwischen Atletico und Cruzeiro. Geht es dort ähnlich zu wie bei uns?

Dede im Interview

Dede: Naja, das ist schon etwas, wie soll ich sagen, härter. Die Leute dort gehen mit sehr vielen Emotionen ins Stadion. In Deutschland ist zwischen Dortmund und Schalke noch mehr Respekt dabei. Die Fans hassen sich zwar, aber mit Respekt. Etwa so: Ich hasse die Schalker, aber ich muss mich nicht unbedingt mit ihnen schlagen. Das ist der größte Unterschied zu Brasilien.

Bevor Du zu uns gekommen bist, hatte Dortmund kurz zuvor gegen Cruzeiro den Weltpokal gewonnen. Hat das damals Deine Entscheidung beeinflusst, nach Dortmund zu gehen?

Dede: Natürlich. Borussia ist ein großer Verein und auch in Brasilien sehr bekannt, in meiner Stadt sowieso. Dort gibt es unzählige Trikots vom BVB. Wenn meine Eltern oder Freunde ins Stadion gehen, haben sie immer ein Trikot an. Auch weil sie die Leute von Cruzeiro ärgern wollen. Schließlich hat Borussia damals unseren Rivalen Cruzeiro geschlagen. Der Weltpokal bedeutet in Brasilien viel mehr als hier. Das ist ungefähr so wie mit der Champions League in Europa. Alle Leute, die mich hier besuchen, gehen immer zur Geschäftsstelle, machen ein Bild mit dem Weltpokal, und ärgern die Fans von Cruzeiro damit zu Hause. Auch heute noch, nach so langer Zeit. (Gelächter)

Pressesprecher Josef Schneck wirft ein: Ich kann mich an das Weltpokalfinale noch gut erinnern. Die Brasilianer waren schon zehn Tage vor uns dort, und am Spieltag sagte Michael Zorc noch: „Hoffentlich blamieren wir uns hier nicht.“ Für Julio Cesar war das etwas ganz Großes, so wie das Champions-League-Finale. Und dann gewinnen wir das Ding auch noch unverhofft. Der Julio hat gefeiert, als ob er Weltmeister geworden ist.

Dede: Die Brasilianer haben großen Respekt vor Titeln. Da ist jeder Gewinn eine tolle Sache.

Bisher hast Du nur einmal für die Brasilianische Nationalmannschaft gespielt. Bist Du traurig, dass es nicht mehr Einsätze geworden sind?

Dede im Interview

Dede: Nein, auf keinen Fall. Ich bin nicht der Typ, der unbedingt in der Nationalmannschaft spielen muss. Außerdem war ich schon ein paar Mal dabei. Bei der Olympiade mit der U23 war wegen einer Verletzung nach fünf Minuten Schluss. Im Kader war ich zweimal und habe davon einmal gespielt. Aber das ist für mich nicht die Hauptsache. Wichtig ist, dass mein Verein zufrieden ist und ich im Verein zufrieden bin. Wenn sich mehr ergibt, ist es natürlich auch okay.

Du hast momentan 293 Bundesliga-Spiele absolviert. Die meisten Einsätze eines Ausländers hat Sergej Barbarez, mit 330 Spielen. Bedeutet Dir das etwas, dass Du in einem Jahr eventuell alleiniger Rekordhalter bist?

Dede: Ich habe das schon gelesen, und das wäre auch eine schöne Sache. Allerdings beachte ich so etwas nicht sehr. Ich bin nicht der Individualist. Das Team ist mir wichtiger. Ich achte mehr auf meine Mannschaft. Wenn hier alles gut läuft, kommt der Rest automatisch.

Viele unserer Leser haben gefragt, was Du nach Deiner aktiven Zeit machen möchtest, und fast alle würden Dich gerne in einer Funkion für den BVB sehen. Dein Vertrag läuft bis 2011, dann willst Du deine Profikarriere beenden. Was kommt danach?

Dede: Mein Plan war, bis 33 zu spielen und gute Leistungen zu bringen. So hatte ich mir das vorgestellt, als ich nach Deutschland gekommen bin. Leider war ich jetzt ein halbes Jahr verletzt. Ich werde aber versuchen, meine alte Form wiederzubekommen und bis zum Vertragsende mit Borussia Dortmund noch einmal weiter nach oben zu kommen. Wenn alles gut läuft, kann man dann gerne noch einmal über eine Fortsetzung sprechen, das liegt aber nicht allein an mir. Ich muss auf dem Platz einfach zeigen, dass ich vielleicht noch ein oder zwei Jahre weiterspielen kann. Bis dahin werde ich in den nächsten zweieinhalb Jahren alles geben, damit mein Vertrag hier auf jeden Fall ein zufrieden stellendes Ende nimmt. Und vielleicht möchte mich der Verein dann noch für ein oder zwei Jahre. (grinst verschmitzt)

Dede bedankt sich bei den Fans im Westfalenstadion
Scouting für Borussia wäre auf jeden Fall interessant für mich. Giovane Elber macht das ja auch für Bayern. Auf keinen Fall möchte ich Trainer werden, dafür bin ich einfach zu nett. (schallendes Gelächter in der Runde) Auch Manager zu werden kann ich mir nicht vorstellen.


Hattest Du mitbekommen, wie die Leute bei uns im Forum die Tage gezählt haben, bis Du wieder gesund bist?

Dede: Ja, alle Leute haben mir sehr geholfen. Der Verein, die Fans, ich habe in der Zeit viel Kraft gebraucht. Als ich kurz nach meiner Operation ins Stadion gekommen bin und die ganzen Plakate gesehen habe, das war schon toll. Wenn ich über dieses Thema spreche – schwer zu sagen (sucht nach passenden Worten) – ich kann mich einfach nur bei allen bedanken. Und ich werde das nicht vergessen. Ich werde alles tun, um davon etwas zurückzugeben.

Im zweiten Teil erzählt Dede von der Zeit seiner Verletzung, von Wechselgedanken, Brasilianern beim BVB und seinem Verhältnis zu den Fans von Borussia Dortmund.

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