Im Gespräch mit...

..Hans-Joachim Watzke (Teil 3): "Hört mir auf mit Fundamentalisten..."

09.08.2006, 00:00 Uhr von:  Arne Ramona Desperado09
..Hans-Joachim Watzke (Teil 3): "Hört mir auf mit Fundamentalisten..."

Dritter und letzter Teil unseres Gesprächs mit Hans-Joachim Watzke. Diesmal nimmt Borussias erster Mann Stellung zu seinem "Fundamentalisten"-Ausspruch und wir diskutieren mit ihm unter anderem über Werbung beim Fußball, verbesserungswürdige Arbeit, dicke Bienen und rosa Schals.

schwatzgelb.de: Sie haben die Sponsoren im Stadion angesprochen. Ganz persönlich fände ich es sehr gut, wenn das ein wenig reduziert worden wäre. In der letzten Saison war es oft so, dass zwei Meter hinter den Drehkreuzen schon drei Promotion-Teams standen, an denen man sich „vorbeidribbeln“ musste, um ins Stadion zu kommen. Und dann schießt im letzten Heimspiel Ebi Smolarek den Ball aus einem Meter über das leere Tor und auf der Anzeigentafel steht „Geil, Smolarek!“ von Easyjet.

Watzke: Brauchen wir gar nicht drüber reden. Aber eines ist auch klar: Mit zunehmender Konsolidierung und sportlichem Erfolg von Borussia Dortmund kannst du das wieder besser händeln als in der Zeit, in der wir auf jeden extrem angewiesen waren.

schwatzgelb.de: Kann man dann einfach einem Sponsor sagen: „Macht nicht so viel, aber zahlt das Gleiche?“ Lassen die sich darauf ein?

Watzke: Wenn du eine Konkurrenzsituation hast, dann ja. Wenn du aber keine hast, ist das ein Problem.

schwatzgelb.de: Die WM war da eigentlich ein gutes Vorbild: So kommerzialisiert wie sie war, hatte sie doch zumindest ein angenehmes Werbeumfeld geschaffen, wo man sich als Fan nicht so mit Werbung überhäuft gefühlt hat.

Watzke: Da protestiere ich!

schwatzgelb.de: Im Stadion fand aber wirklich kaum Werbung statt.

Watzke: Trotzdem protestiere ich da. Wenn unsere Fans bereit sind, auch nur die Hälfte der Eintrittspreise zu zahlen, die bei der WM genommen worden sind, dann garantiere ich auch dafür, dass wir sehr dezent werben werden. Dann haben wir das Geld nämlich auf diese Weise drin, das ist eben der Punkt dabei. Bei der WM ist der einzelne Kunde ja so abgeschöpft worden, dass man sich das leisten konnte.

schwatzgelb.de: Aber in der Champions League ist es ja ähnlich. Liegt das nicht auch an der Zentralvermarktung?

Watzke: Ja, natürlich.

schwatzgelb.de: Ließe sich so etwas nicht auch auf die Bundesliga übertragen?

Watzke: Nein, das lässt sich nicht machen.

schwatzgelb.de: Weil Cottbus und solche Vereine „stören“?

Watzke: Ja, genau. In der Champions League hast Du ein gewisses Niveau und in der Bundesliga geht das einfach zu weit auseinander. Das wäre auch ein zu sozialistischer Ansatz, denn ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich auch nicht möchte, dass Energie Cottbus oder Arminia Bielefeld in den Nutzen der Dinge kommt, die wir bei Borussia Dortmund bewegen. Denn wenn du alles zusammenwirfst und dann durch 18 teilst, das wäre für uns speziell nicht der richtige Weg.

schwatzgelb.de: Kommen wir noch einmal zu den Farben zurück: Es ist angekündigt worden, die Satzung der KGaA dahingehend zu ändern, dass die Farben nicht mehr nur „grundsätzlich“, sondern „immer“ schwarzgelb sind.

Watzke: Ja, das werden wir entsprechend einbringen.

schwatzgelb.de: Schon auf der kommenden außerordentlichen Hauptversammlung oder auf der ordentlichen im Herbst?

Watzke: Nein, nicht auf der außerordentlichen. Satzungsfragen berät man auf der ordentlichen Versammlung. Eigentlich ist das aber auch völlig unnötig, aber um meinen guten Willen zu zeigen, wird das gemacht. Der entscheidende Punkt ist aber: In dem Moment, in dem der e.V. den Zugriff auf die Geschäftsführung hat, hat er auch indirekten Zugriff auf die Farben. Aber das nimmt eben auch kein Mensch Anstoß dran, wenn wir das ändern, von daher machen wir das. Gar keine Frage!

schwatzgelb.de: Zwei Fragen hätte ich zu Bereichen von Borussia Dortmund, wo man immer wieder den Eindruck bekommt, dass da, ich sag jetzt mal, verbesserungswürdige Arbeit geschieht.

Watzke: Da kenne ich noch mehr Bereiche.

schwatzgelb.de: Okay, ich nenne trotzdem mal die beiden: Das eine wäre die Außendarstellung. Da bekommt man manchmal den Eindruck, dass Dinge sehr unglücklich präsentiert werden.

Watzke: Zum Beispiel?

schwatzgelb.de: Beispielsweise Pressemitteilungen… zuletzt zum Trikot.

Watzke: Die haben Ihnen persönlich nicht gefallen. Das sind immer objektive und subjektive Wahrnehmungen. Ich glaube, dass unsere Außendarstellung derzeit in der Bundesliga konkurrenzlos gut ist.

"Aber das habt ihr doch so gewollt!"

schwatzgelb.de: Ich empfand die Mitteilungen zum Trikot als leichten Affront. Es wirkte immer so: „Es gibt Leute, die finden das Trikot doof. Da müssen wir jetzt unbedingt schreiben, dass es doch toll ist.“ Es wirkte einfach, als wolle man sich gegenseitig hochschaukeln und so irgendwelchen gegensätzlichen Meinungen begegnen.

Watzke: Das ist aber eine Sache, die Sie individuell wahrnehmen. Die Außendarstellung von Borussia Dortmund – das ist aber kein Vorwurf – interessiert außerhalb Dortmunds niemanden.

schwatzgelb.de: Auf der anderen Seite findet man Sie in der Außendarstellung sehr wenig als BVB-Fan präsentiert. Sie stehen immer im Zusammenhang mit Zahlen.

Watzke: Aber das habt ihr doch so gewollt!

schwatzgelb.de: Wer?

Watzke: Ja, die Fanabteilung hat doch darauf bestanden, dass die Positionen KGaA und Verein getrennt werden. Da rennen Sie bei mir jetzt offene Türen ein: Ich musste ja mein Vorstandsamt aufgeben, um diese Trennung zu vollziehen, die die Leute da alle propagiert haben. Das ist ja gewollt.

schwatzgelb.de: Aber mehr Herz zeigen ist ja trotzdem nicht verboten?

Watzke: Ja, aber wie macht man das?

schwatzgelb.de: Durch eine offensivere Außendarstellung vielleicht.

Watzke: In welcher Richtung?

schwatzgelb.de: Beispielsweise Ihre Aussagen hier im Interview uns gegenüber, mit denen Sie Ihre Vereinsliebe verdeutlicht haben. Das hat mich persönlich jetzt gerade ziemlich beeindruckt.

Watzke: Fragt mal The Unity, da habe ich letzten Freitag das Gleiche gesagt.

schwatzgelb.de: Das glaube ich, aber wirklich öffentlich präsentieren Sie sich nicht so.

Watzke: Das liegt mir eben nicht. Da muss ich auch ganz ehrlich sagen, dass das nicht meine Art ist. Du kannst ja jeden Unsinn schreiben, aber ob das jetzt ernst gemeint ist oder nicht, merkst du ja nur als Zuhörer im persönlichen Gespräch. Und mich da im Internet irgendwo als ganz großer, emotionaler Fußballfan selbst zu feiern – am besten noch mit selbst geschriebenem Text – das mag ich nicht. Jeder, der mich kennt, und das sind ja recht viele, weiß ohnehin, was Sache ist. Vor vier Wochen bin ich sonntags morgens zur Fanabteilung gefahren und habe da mit nur 30 Leuten diskutiert, weil die anderen bei dem Wetter etwas Besseres vorhatten. Aber ich stelle mich da mehr als jeder andere, ich bin immer da. Aber das jetzt immer zu betonen? Man muss das einfach leben.

Und diese Pressemitteilung zum Beispiel: Ich habe das letzte Woche, als ich von The Unity kam, intern weitergegeben und gesagt: „Die empfanden eure Kommunikation als leichte Provokation und das mag sogar teilweise sein. Lasst das mal bitte!“ Ich kriege natürlich nicht jede Pressemitteilung mit, das ist auch klar, dafür bin ich auch zu beschäftigt. Früher gab es ja zwei Leute, die meinen Job gemacht haben, und da du hast einfach zig Sachen zu tun. Ich gucke beispielsweise bei uns die ganze Woche nicht einmal auf die Homepage, dazu habe ich gar keine Zeit. Ich lasse mir höchstens mal drei, vier, fünf Sachen ausdrucken, wenn es mich interessiert, werfe einen schnellen Blick drauf und dann ist es wieder passé. Aber das steuere ich überhaupt nicht, vielleicht ist das manchmal auch ein Fehler.

schwatzgelb.de: Es wirkt auch einfach so, als gäbe es Fettnäpfchen, die einfach vermeidbar wären. Bei dem Nachruf auf Hermann Heinemann beispielsweise musste man nicht unbedingt noch krampfhaft den neuen Stadionnamen unterbringen. Auch wenn man kein Gegner der Umbenennung war: Aber an jeder Stelle diesen Namen anzubringen und dann vor allem noch in einem Nachruf, das war einfach pietätlos.

Watzke: Dass das nicht in einen Nachruf gehört, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Klar ist jedenfalls, das wissen Sie vielleicht oder auch nicht, dass es in der Bundesliga üblich ist, dass man deutliche Prämien bekommt, je nachdem, wie oft der Name publiziert worden ist.

schwatzgelb.de: Im Zuge der Trikotdiskussion haben Sie einigen Leuten, die Ihnen geschrieben haben, auch geantwortet. War das so?

Watzke: Ja, das war so.

schwatzgelb.de: Wie viele waren das?

Watzke: Man muss dazu zwei Dinge sehen: Diese Diskussion entflammte ausgerechnet an dem Wochenende, wo ich in meinen engsten und tiefsten Verhandlungen mit Morgan Stanley war. Christi Himmelfahrt, Freitag und Samstag war ich 18 Stunden jeden Tag in so einem Bankencenter in Frankfurt, weil die eben schon gerne etwas mehr Einfluss gehabt hätten und ich ihnen am liebsten gar keinen gegeben hätte. Da habe ich mich auch deutlich durchgesetzt. Aber zurück: Nach drei Tagen fast ohne Schlaf war ich Samstagnacht total frustriert und kaputt nach Hause gekommen und habe mir trotzdem… und da kommen wir wieder zur Vereinsliebe, auch wenn ich das nicht auf die Homepage gesetzt habe, dass ich da war (lacht)… gesagt: „Jetzt guckst Du Dir heute Morgen mal die B-Jugend an.“ Meine Frau hat nur gesagt: „Du bist völlig bekloppt! Da kommst Du heute Nacht aus Frankfurt und jetzt fährst Du um halb 10 schon wieder nach Dortmund zum Fußball.“ Ich komme jedenfalls dahin und keiner hat mir da gesagt: „Mensch toll, dass Sie sich das auch mal angucken.“ Das erste, was kam, war das Thema Trikot. Und da habe ich dieses unselige Wort mit den Fundamentalisten geprägt, weil ich einfach die Schnauze voll hatte. Da habe ich aber an die Grünen aus meiner Zeit gedacht, mit den Fundamentalisten und den Realos, habe aber völlig übersehen, dass man in der heutigen Zeit damit auch ein bisschen die terroristische Szene im Bereich des Nahen Ostens meint. Das hat mir auch leid getan.

Da haben mir viele Leute geschrieben, unter anderem eine 67-jährige Frau, die mir einen rührenden Brief geschrieben und mich gefragt hat: „Wie können Sie mich nur in so eine Ecke stellen?“ Da habe ich gemerkt, dass das ein Fehler war. Und das tut mir auch total leid, aber das passiert mir eben auch mal. Genau wie ich früher als Spieler oft vom Platz geflogen bin, weil ich auch manchmal zum Jähzorn neige. Das ist einfach so.

Ich habe jedenfalls alle angerufen. Nicht die, die positiv waren – ich habe wirklich mehr positive Schreiben bekommen – aber ich habe etwa 50 persönliche Schreiben bekommen, von denen sich etwa 30 über die Fundamentalisten und 20 über das Trikot beschwert haben, die habe ich dann angerufen. Die waren alle ganz fassungslos.

schwatzgelb.de: Ich habe das meinem Vater erzählt, weil Sie ja auch jemanden von schwatzgelb.de angerufen hatten und ich es aus dessen Erzählung wusste, und mein Vater war völlig sprachlos.

Watzke: Sprachlos waren die Leute öfter. Ich habe aber auch überhaupt kein Problem damit, wenn sich jemand darüber beklagt, dass er bei uns in der Verwaltung schlecht behandelt wurde. Dann mache ich das auch. Ich versuche auch, hier mehr Kundenfreundlichkeit rein zu bringen, was relativ schwierig ist, wenn 20 Jahre lang nach dem Grundsatz verfahren wurde: „Wir können Dir nicht helfen, wir wollen Dir aber auch nicht helfen.“ Da musst Du schon dicke Bretter bohren, aber ich glaube, wir sind auf diesem Wege schon ein bisschen weiter gekommen.

"Wer kommt und besucht uns?"

schwatzgelb.de: Kundenfreundlichkeit ist ein gutes Stichwort. Zur Fanbetreuung von Borussia gibt es auch immer wieder Kritik, sie sei allein schon personell zu dünn besetzt. Bei allem Respekt vor Petra Stüker und Aki Schmidt, aber der eine ist über 70 und die andere ist Betriebsratsvorsitzende, wo sie sicher auch viel Arbeit zu leisten hat.

Watzke: Naja, das ist aber nicht so gravierend. Tatsache ist eines: Die Kritik kommt nur aus einer Richtung, nämlich aus dem Dortmunder Umfeld. Woanders – und ich bin ja auch bei vielen Fanclubs – sind alle blendend zufrieden. Dass der Aki jedenfalls nächstes Jahr aufhört, ist ja bekannt. Nur kann man auch nicht einen, der jetzt auch 15 Jahre sehr viel gemacht hat, auf einmal vom Hof jagen, nur weil er 69 oder 70 Jahre alt ist. Aber man hat auch eine Fürsorgepflicht und ich habe mit dem Aki gesprochen und ihm gesagt: „Ich habe da ein Problem: Du fährst in Deinem Alter und bei Wind und Wetter immer noch so viel draußen rum. Lass uns zusammen auf einen Termin einigen.“ und dann haben wir uns auf den Sommer nächsten Jahres geeinigt, dann wird es eine andere Lösung geben.

Jedenfalls, hier in Dortmund und im Umfeld von Dortmund ist ein ganz anderer Informationsfluss vorhanden als in der Fläche. Wir haben aber 17.000 Fanclubmitglieder und davon sind vielleicht zehn Prozent hier aus dem Umfeld, der Rest eben in der Fläche. Die Leute interessieren sich für 80 Prozent der Diskussionen, die wir jetzt auch geführt haben oder die ich mit The Unity geführt habe, deutlich weniger. Die möchten viel mehr, dass auch mal ein ehemaliger Spieler zu ihnen kommt, das ist für die das Highlight ihres alljährlichen Treffens. Die interessieren sich aber nicht für Organisationsfragen bei Borussia Dortmund. Das ist einfach so, das ist nicht einfach nur meine Meinung.

schwatzgelb.de: Ja, das stimmt auch. Ich habe das auch so erlebt.

Watzke: Und deshalb sind wir derzeit in einer Überlegung für nächstes Jahr vielleicht noch ein bisschen mehr die Fanabteilung in dieser Richtung einzubinden, was die Organisationsfragen angeht. Dass sie das mit der Frau Stüker zusammen machen und wir für die „Auswärtsspiele“ dann keinen Hauptamtlichen mehr für die Fanclubs einzusetzen, sondern einen ehemaligen Spieler einzubinden, der dann aber eben nur den Außendienst macht und nicht hier sitzen muss. Da sind wir gerade in Gesprächen, da wird es sicherlich auch innerhalb des nächsten Jahres eine Lösung geben.

Aber es ist sehr schwer: Die einen wollen lieber jemanden für organisatorische Fragen und für die Fanclubs – und das sind ja zum Teil auch große Fanclubs - im Sauerland, im Siegerland oder in Niedersachsen, da ist das zentrale Thema: Wer kommt und besucht uns?

schwatzgelb.de: Kann man da nicht einen „Pool“ von verschiedenen Spielern nehmen, damit das nicht nur an einem hängen bleibt?

Watzke: Nein, der muss ja auch informiert sein und die Abläufe kennen. Wenn du da zehn Leute hast, die nicht wissen, was sie da erzählen sollen, ist das auch schlecht.

Und die jüngeren Ex-Spieler lachen da auch drüber. Wenn Du einem Vierzigjährigen, der hier 10 Millionen verdient hat, im Laufe der Jahre, sagst: „Du kriegst jetzt 100 Euro und fährst heute Abend nach Göttingen.“, dann hat der da bestimmt keine Lust drauf.

schwatzgelb.de: Also müssen es welche aus der „guten alten Zeit“ sein?

Watzke: Ja. Ich hatte auch schon mal an Siggi Held gedacht, das wäre aus meiner Sicht eine gute Lösung. Der hat eine hohe Akzeptanz, wohnt hier, ist zehn Jahre jünger als der Aki, war jetzt auch WM-Botschafter und hat das alles erlebt. Das wäre vielleicht gar nicht schlecht.

schwatzgelb.de: Kommen wir zu einem weiteren Thema, das die „Fundamentalisten“ ärgert…

Watzke: …hört mir auf mit Fundamentalisten…

schwatzgelb.de: …okay, okay! Als „Emma“ geschaffen wurde, hieß es jedenfalls, sie solle nur für den Kids Club zuständig sein, was soweit ja auch relativ unverfänglich ist. Mittlerweile aber ist Emma auf dem Rasen oder auf dem Mannschaftsfoto. Wird da ein Maskottchen durch die Hintertür eingeführt?

Watzke: Ich bin da sehr ambivalent in der ganzen Frage. Grundsätzlich würde ich das auch lieber defensiv behandeln, ich sehe aber auch, dass das unheimlich eingeschlagen hat bei den Kindern. Die Kinder wollen die aber auch mal auf dem Platz rum rennen sehen – das ist aber auch nicht meine Welt. Ich sehe aber, dass wir dadurch in den letzten Monaten sehr viel Zuwachs an Vereinsmitgliedern haben und stark auf die 25.000 zugehen. Das ist alles dadurch bedingt, mehr als die Hälfte der neuen Mitglieder sind aus dem Kids Club. (Mitglieder des „Kids Club“ sind automatisch auch Vereinsmitglieder, Anm. d. Red.)

schwatzgelb.de: Das hat ja auch seine Berechtigung. Es ist wohl auch niemand dagegen, Emma für die Kinder einzusetzen. Aber im Stadionumfeld ist das was anderes.

Watzke: Aber die Kinder wollen Emma sehen.

schwatzgelb.de: Für die ist es aber auch ok, wenn sie Emma vor dem Spiel vorm Stadion oder im Block sehen.

Watzke: Nein, die wollen die auch mal im Fernsehen sehen. Das ist mein Problem, deshalb bin ich da auch so ambivalent. Weil ich genau weiß, wir haben da Untersuchungen: Kinder, die sich zwischen sechs und zehn Jahren für einen Verein festlegen, die bleiben zu 75% diesem Verein das ganze Leben lang treu…

schwatzgelb.de: …bei mir stimmt’s bislang….

Watzke: …und da sage ich: Für uns ist das eine Riesenchance, deutlich mehr Kinder auf Borussia Dortmund einzuschwören. Und ist es dafür nicht möglich, von denen, die das sehr traditionalistisch sehen, das auch mal zu ertragen? Ich persönlich finde das ja auch nicht toll.

"Es geht nicht ums Geld, es geht um die Bindung"

schwatzgelb.de: Und warum bekommt Emma dann sogar noch einen extra Sponsor?

Watzke: Weil damit auch Kosten verbunden sind.

schwatzgelb.de: Ja, aber die Kinder werden damit auch gleich auf Marken getrimmt. Gerade als jemand, der mit Kindern arbeitet, sehe ich das ziemlich kritisch.

Watzke: Die leisten aber auch was dafür. Das Grundproblem sind da auch die Kosten. Die liegen bei 80.000 Euro im Jahr. Aber Sie haben sicherlich Recht: Das ist so an der Grenze, aber der e.V., der auch total pleite war, ist natürlich auch über jedes Mitglied froh. Das ist das Finanzielle, aber es ist natürlich auch für unsere Zukunft, wenn wir jetzt sechs- bis zehnjährige Kinder als Mitglieder gewinnen und die bleiben 50 oder 70 Jahre als Mitglieder bei Borussia Dortmund.

Aber wie gesagt: Es ist grenzwertig, da brauchen wir nicht drüber reden. Ich bin da selber unentschlossen und habe da keine abschließende Meinung zu. Nur fast alle machen es und alle mit riesigem Erfolg. Manche Maskottchen sind ja auch richtig bescheuert, aber die Kids fliegen darauf.

schwatzgelb.de: Das Hauptproblem ist in dem Fall aber auch die Glaubwürdigkeit, weil es erst hieß, Emma würde nie im Innenraum auftauchen und jetzt turnt sie doch da rum. Wenn von Anfang an gesagt worden wäre: „Wir brauchen Geld und die dicke Biene bringt uns Geld“, hätte man das wohl eher akzeptiert.

Watzke: Es geht nicht ums Geld, es geht um die Bindung. Die Bindung der Kinder an Borussia Dortmund und die musst du teilweise eben auch visualisieren, das ist einfach so. Aber das ist ein Thema, das mich auch beschäftigt, muss ich ganz ehrlich sagen.

schwatzgelb.de: Merchandising wäre noch ein Punkt, den ich ansprechen möchte. Wir waren eben im Fanshop und haben darüber gesprochen, dass man recht häufig das Gefühl hat, man müsse zwischen einer Menge Ramsch die guten Produkte wirklich raussuchen. Jetzt gibt es auch noch rosa Schals, rosa Mützen und so. Ich persönlich würde gerne viel mehr Geld beim BVB lassen, wenn es Sachen gäbe, die mir gefielen. Aber die meisten Produkte gefallen mir nicht.

Watzke: Geschmack ist immer eine Sache, über die man lange diskutieren kann. Ich war auch der Meinung, dass das Rosa der größte Mist ist, sehe jetzt aber auch, dass es sich unheimlich gut verkauft. Wir sehen das auch bei anderen Vereinen, mittlerweile haben ziemlich viele so eine rosa Linie und überall verkauft sie sich gut.

schwatzgelb.de: Bei so guten Einnahmen und einer rundum verbesserten Situation des BVB stellt sich aber eine Frage: Ist es notwenig, dass die Handballdamen mit so einem kleinen Etat auskommen müssen, der Erstligahandball möglicherweise sogar unmöglich macht?

Watzke: Ja, unbedingt. Es geht gar nicht anders. Wir können uns keine Geschäftsfelder erlauben, die mittelfristig Verlust machen. Die schmale Basis der Mannschaft liegt schlicht und ergreifend an den geringen Einnahmen, die diese Mannschaft generiert.

Auf Dauer kann es aber eben nicht sein, dass wir jedes Jahr 300.000 oder 400.000 Euro verbrennen. Zumal ich den Sinn darin noch immer nicht nachvollziehen kann: Ich finde es ja toll, dass wir hier Damenhandball haben, aber wenn es sich doch in der Bundesliga nicht rechnet, warum spielen wir nicht Regionalliga, wo es fast nichts kostet? Das erschließt sich für mich nicht. Dass wir unsere Sportarten Handball und Tischtennis, auch im Jugendbereich, deutlich fördern wollen, das ist klar, aber es gibt nur eine einzige Mannschaft, die ganz viel kostet, und das ist eben die Damenhandball-Bundesligatruppe. Alles andere wäre wunderbar vom e.V. zu steuern. Aber wenn wir das machen wollen, muss es sich auch rechnen.

Handballbundesliga der Damen ist etwas für Gemeinden mit 50.000 Einwohnern, die sonst nichts haben. Da kriegst du die Sponsoren. Aber hier wird eben alles von der Bundesliga-Fußballmannschaft aufgesogen und es ist definitiv kein Interesse der Sponsoren da. Also musst Du die Einnahmen und die Ausgaben aneinander anlehnen. Und wenn die Mannschaft es dieses Jahr schafft, können sie stolz darauf sein, dass sie etwas geleistet haben. Aber wenn nicht, dann müssen wir uns diesen Notwendigkeiten eben beugen. Du kannst ja nicht die Gesetzmäßigkeiten außer Kraft setzen: Wenn jemand im Monat 3.000 Euro mehr ausgibt als er einnimmt, ist irgendwann das Ende da. Und es geht ja nicht darum, denen irgendwelche Gelder vorzuenthalten, aber du müsstest permanent subventionieren und das geht nicht.

"Das zeichnet eben die Klasse von Reinhard Rauball aus"

schwatzgelb.de: Der e.V. ist ein gutes Stichwort. Man hört in letzter Zeit sehr wenig von Dr. Reinhard Rauball. Wie kommt das?

Watzke: Man hört deshalb wenig von Reinhard Rauball, weil er das nötige Feingefühl besitzt, das wenige haben, und sich auch zurücknehmen kann. Die Entscheidungen fallen nun einmal in der KGaA und für die KGaA gibt es jemanden, der die Verantwortung trägt und die Entscheidungen treffen muss. Der dafür dann aber eben auch zur Rechenschaft gezogen werden kann - unter anderem durch Reinhard Rauball.

Aber das wäre natürlich wenig hilfreich, wenn du durch die, die dich kontrollieren, jede dritte Woche irgendetwas in der Presse liest, dass dann vielleicht auch kontraproduktiv ist. Da bin ich dem Reinhard Rauball auch unheimlich dankbar für die Art und Weise, mit der er diesen Posten besetzt. Er zeigt ein ungeheures Engagement, ist immer à jour und wird von mir auch über sämtliche wesentlichen Dinge immer informiert. Man darf auch nicht vergessen, dass er derjenige war, der diese ganze Geschichte eingeleitet hat. Der im November, als hier alles drunter und drüber ging, eingesprungen ist. Und dann hat er vielleicht auch gar nicht so falsch damit gelegen, als er mir damals das Vertrauen gegeben hat. Aber er weiß ganz genau, wer hier operativ die Entscheidungen treffen muss und wer die kontrollierende Ebene hat. Das zeichnet eben die Klasse von Reinhard Rauball aus. Und uns beide kann eh keiner trennen, weil wir so nah beieinander sind und uns so tief vertrauen, dass es besser gar nicht geht, das ist einfach blendend! Ich selber würde mir wünschen, dass der Reinhard den Präsidenten im e.V. noch die nächsten zehn Jahre macht, weil er die absolute Idealbesetzung für diese Funktion ist!

schwatzgelb.de: Es wundert halt nur, weil Sie damals als Tandem angetreten sind und man manchmal ein wenig den zweiten Fahrer vermisst. Sie waren ja damals das Duo, das antrat, um Borussia zu retten.

Watzke: Ja, das hat aber auch deutlich damit zu tun, dass der Reinhard am Anfang zum einen natürlich auch die bekanntere Person war, zum anderen aber auch bis zum 30.06.2005 noch die sportliche Verantwortung hatte. Wo es dann aber natürlich auch von euch oder aus der Fanabteilung deutliche Stimmen gab, die gesagt haben, man brauche eine klare Trennung zwischen denen, die die Entscheidungen treffen, und denen, die kontrollieren. Dem haben wir uns ja alle gebeugt, in dem Moment, wo ich mein Vorstandsamt und Reinhard seine operativen Funktionen niedergelegt haben. Jetzt haben wir eine klare Trennung mit dem Schluss, dass sich die Medien deutlicher auf den fokussieren, der die Entscheidungen trifft. Das ist völlig klar, aber das trennt uns beide persönlich in keiner Form.

schwatzgelb.de: Vielleicht vermisst man als Mitglied auch nur ein wenig „seinen“ Präsidenten, den man gerne mal häufiger sehen oder hören würde.

Watzke: Das mag sein, aber der Verein ist innerhalb der KGaA eben ein Aktionär. Derjenige, der die Geschäftsführung stellt, der aber auch nicht die Ebenen verwechseln darf, sonst kriegst du ein ungesundes Verhältnis. Wenn die anderen Aktionäre das so empfinden, dass der Verein quasi sich selbst definiert, dann wird es schwierig, noch andere Aktionäre zu finden. Ich finde jedenfalls, dass intern sich der Präsident recht häufig äußert. Jedes Vereinsmitglied kriegt beispielsweise zu jedem Spiel die Stadionzeitung und dort schreibt das Vorwort, im Gegensatz zu anderen Klubs, ganz explizit der Präsident. Weil das auch eine interne Geschichte ist. Gleiches beim BVB-Jahrbuch, auch dort ist das Vorwort vom Präsidenten. Es ist vom Prinzip ein bisschen so wie bei Bundeskanzler und Bundespräsident, mit dem Unterschied, dass zwar der Bundespräsident nicht den Bundeskanzler entlassen kann, aber der Präsident von Borussia Dortmund mit seinen Leuten im Präsidialausschuss natürlich den Vorsitzenden der Geschäftsführung benennen oder entlassen kann. Das ist die ideale Konstellation, weil der Präsident eine herausgehobene Stellung hat und dadurch, wenn er denn Anlass zur Sorge hätte, sich auch artikulieren könnte. Aber offensichtlich hat er die nicht. Das ist ja auch ein gutes Zeichen. Es wäre aber auch nicht sehr hilfreich, wenn sich Reinhard Rauball permanent zu tagespolitischen Themen äußern würde. Und dass er diese Sensibilität hat, dies nicht zu tun, das zeichnet eigentlich seine Größe aus. Es ist nicht so wie in anderen Klubs, wo jemand ständig gute Ratschläge gibt oder kritisiert, ohne die Verantwortung zu haben. Das ist ja auch gerade das, was hier bei Borussia Dortmund die letzten anderthalb Jahre unsere Stärke nach außen ausmacht: Das wir mit einer Stimme sprechen.

schwatzgelb.de: Zur Stimmung im Verein hatten sie eben gesagt, man müsse auch aufpassen, dass innerhalb des Vereins und seiner Anhängerschaft keine Spaltung auftritt…

Watzke: …das habe ich nicht getan, ich habe von der Fanszene gesprochen.

schwatzgelb.de: Genau das meinte ich!

Watzke: Ja, aber da muss man auch aufpassen. Der Verein hat 25.000 Mitglieder und davon sind 1.500 bis 2.000 in der Fanabteilung. Das ist auch wieder eine deutliche Minderheit, das ist nicht der gesamte Verein!

"Wir müssen uns intern zoffen!"

schwatzgelb.de: Das meine ich so auch gar nicht. Ich meinte, das, was sie eingangs unter anderem vom Spiel bei Union Berlin sagten. Die zwei Parteien, die verschiedene Ansichten haben und sich im schlimmsten Fall gegenseitig bepöbeln. Wie kann man da wieder ein stärkeres Wir-Gefühl schaffen?

Watzke: Sie müssen mal mit anderen Klubs sprechen. Ich glaube, innerhalb der Bundesliga ist das Wir-Gefühl bei Borussia Dortmund so ausgeprägt, wie bei kaum einem anderen Klub. Wenn Sie mal 30 Kilometer weiter fahren, dann erleben sie mal, wie das Wir-Gefühl dort aussieht: Pro Rudi Assauer, contra Rudi Assauer – dagegen haben wir eine Insel der Glückseligkeit hier. Auch in Hamburg und sonst wo gibt es riesige Brandherde, das dringt nur nicht durch. Wenn ich in Hamburg oder Bremen oder München bin, dann sagen die auch: „Mensch, ihr habt bei Euch ja eine Ruhe….“ Das kriegt da einfach keiner mit. Diese Gefechte werden ja bestenfalls in den Ruhr Nachrichten oder in der Rundschau ausgefochten oder bei Euch im Forum. Aber doch nicht woanders! Und da glaube ich einfach, dass Borussia Dortmund momentan einer der Vereine ist, die die größte Einigkeit haben. Wir haben ja eigentlich gar keine grundsätzlichen Auseinandersetzungen. Das sind ja mehr Auseinandersetzungen über Dinge, die man auch schnell lösen kann. Und wir haben ja auch hier ein Phänomen, was man in anderen Klubs auch schon viel früher gehabt hat und das hier relativ spät auftrat: Wir haben jetzt – ich zitiere mal Olaf Suplicki – folgende Situation: „Wir sind von einer Diktatur jetzt in einer gelebten Demokratie.“ Mit all den Begleiterscheinungen, beispielsweise wenn Leute, die zehn Jahre lang kein Gehör gefunden haben, sich auf einmal etwas daran berauschen, wenn es dann endlich so ist. Das ist normal und das ist auch gut so, man muss immer nur sehen, dass man dem anderen in einer Diskussion auch den nötigen Respekt entgegenbringt. Das tue ich und – den deutlichen Eindruck habe ich auch bei meinen Diskussionen in der letzten Woche gehabt – das tun die anderen auch. Mann muss sich ja auch mal streiten, das finde ich auch gar nicht schlecht. Denn Demokratie ist ja eigentlich auch Streiten. Man muss nur wissen, dass man für eine gemeinsame Sache steht. Und das war das Einzige, was mich beispielsweise auch an den Protesten in Berlin gestört hat: Wir hätten das intern klären müssen, und wir müssen es nicht auswärts machen und auch nicht vor den Augen anderer. Wir müssen uns intern zoffen, das ist auch bei der Familie so. Das ist immer besser, als wenn man etwas vor anderen austrägt. Das wird dir dann nicht honoriert, dann heißt es: „Jetzt guck dir mal die an!“ Wir müssen uns intern die Meinung sagen, auch deutlich, das ist gar keine Frage. Aber wenn es dann gegen andere geht, müssen wir auch zusammenhalten, das ist mein großer Wunsch!

schwatzgelb.de: Ganz zum Schluss dann noch ein paar mehr Wünsche, nämlich Ihre für die nächste Saison?

Watzke: Für nächste Saison wünsche ich mir, dass wir alle Spaß haben. Da bin ich mir sogar ziemlich sicher, weil ich mich im Moment unheimlich auf jedes Spiel freue, mehr denn je. Dass wir zusammen Erfolg haben, dass wir alle miteinander noch ein Stück weiter zusammenrücken, denn das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass wir dann auch die erstgenannten Punkte, Freude und Erfolg, auch erreichen.

schwatzgelb.de: Da schließen wir uns gerne an! Vielen Dank, dass sie sich die Zeit für uns genommen haben.

Hier gehts zum ersten Teil: "Die Bank droht ja jedem"

Hier gehts zum zweiten Teil: "Was sind die Dinge, die Euch heilig sind?"

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