Im Gespräch mit...

..Hans-Joachim Watzke (Teil 2): "Was sind die Dinge, die Euch heilig sind?"

08.08.2006, 00:00 Uhr von:  Arne Ramona Desperado09
..Hans-Joachim Watzke (Teil 2): "Was sind die Dinge, die Euch heilig sind?"

Nachdem wir im gestrigen ersten Teil mit Hans-Joachim Watzke über die sportlichen Aussichten und die Relevanz des internationalen Geschäfts sprachen, äußert sich der BVB-Geschäftsführer im zweiten Teil des großen Interviews über Morgan Stanley, die wirtschaftliche Situation der Borussia, schwarzgelbe Trikotfarben und die Sorgen vieler Fans.

schwatzgelb.de: Herr Watzke, was ist denn schöner: Den Lenkungsausschuss im Nacken gehabt zu haben oder jetzt Morgan Stanley?

Watzke: Da kann ich nur ganz deutlich sagen: Morgan Stanley. Weil die uns überhaupt nicht im Nacken sitzen. Die sitzen uns genauso viel oder genauso wenig im Nacken, wie allen anderen 17 Bundesligisten deren Hausbank. Die anderen haben dann eben die schleswig-holsteinische Kreissparkasse oder was auch immer, und unsere Bank heißt eben Morgan Stanley. Die Banken wollen eben, das ist ja auch verständlich, im Prinzip nur eines: Dass man pünktlich die Zinsen und die Tilgung leistet. Da gibt es keinen Unterschied zwischen Morgan Stanley und der Sparkasse Herne.

schwatzgelb.de: Morgan Stanley ist dabei aber immer so was, was Franz Müntefering einst Heuschrecke genannt hätte. Es eilt ihnen ja ein gewisser Ruf voraus.

Watzke: Ich will jetzt nicht über Herrn Müntefering spekulieren, aber entscheidend ist nur eines: Morgan Stanley ist hier bei Borussia Dortmund angetreten – und es gibt ja kaum eine bessere Gelegenheit der Öffentlichkeit etwas zu demonstrieren, als bei einem Klub wie Borussia Dortmund –, um genau diesem Image, dass Herr Müntefering beschrieben hat, mal öffentlichkeitswirksam entgegenzutreten. Ich glaube, dass bei denen auch eine Image-Strategie dahinter steckt, die noch dazu kein Geld kostet. Im Idealfall verdient Morgan Stanley sogar zweimal Geld: Einmal an den Gläubigerverzichten, die sie ja schon vorher eingefahren haben und zweitens an unseren Zinsen - und hat dafür eine gigantische Kampagne. Man sieht das ja jetzt schon: Borussia Dortmund ist ja wieder deutlich positiv besetzt und das fällt in jedem zweiten Artikel auch ein bisschen Morgan Stanley zu. Also genau bei diesem Heuschrecken-Image sagen jetzt schon viele: „Ja, Mensch, vielleicht haben wir das auch ein bisschen falsch gesehen.“

Die Morgan Stanley-Leute sind ja auch nicht auf uns zugekommen, das ist ja auch eine Mär. Das war ja ganz anders. Ich hatte über mein eigenes Unternehmen zufällig geschäftlichen Kontakt zu denen und so ist der Kontakt entstanden. Da ist denen dann sukzessive aufgegangen, dass das auch für sie imagemäßig eine Bedeutung haben könnte. Nur am Anfang haben sie auch gesagt: „Das geht nicht! Ihr seid so schwach auf den Beinen, da können wir nichts machen.“ Da haben die mir drei Aufgaben gestellt und gesagt, sie würden sich mit dem Thema beschäftigen, wenn die Fernsehrechte vernünftig unter Dach und Fach sind, wenn wir das Stadion entsprechend gut vermarktet haben und wenn wir einen guten, E-ON-adäquaten Sponsorvertrag erreicht haben. Wobei sie bei letzterem gesagt haben: „Das schafft ihr nicht! Wenn man zweimal hintereinander Siebter wird, kann man keinen Champions-League-Vertrag erreichen.“ Da haben wir dann etwas Glück gehabt und ihn eben doch erreicht. Nachdem diese drei Dinge dann relativ schnell und auch mit ein bisschen Dusel funktionierten, dann waren sie auch da. Man hat deutlich gemerkt, dass die auch kein Geld verschenken wollten, aber trotz allem noch einmal: Die wollen nichts anderes als alle anderen! Und ich auch nicht, denn ich möchte, dass wir möglichst schnell aus dieser großen Finanzierung raus sind, wobei wir schon heute nur die Hälfte der Schulden haben, die zwei oder drei andere Bundesligisten haben.

Aber wir haben denen gesagt: Die Hälfte eines Jahresüberschusses geht in die Sondertilgung. Das halte ich für sehr vernünftig und damit habe ich auch meinen möglicherweise einmal kommenden Nachfolgern eine Fessel der Vernunft angelegt.

schwatzgelb.de: Das ist vertraglich fixiert?

Watzke: Jaja, das ist auch gut so. Und wenn wir die nächsten 15 Jahre – und ich prognostiziere, dass es sogar weniger werden – pünktlich unsere Zins- und Tilgungsleistungen erbringen, haben wir gar nichts im Nacken. Ich muss mir aber weder einen Transfer von denen absegnen lassen, noch sonst irgendwas. Es ist eine ganz normale Beziehung Bank - Kunde.

schwatzgelb.de: Wie war es denn insgesamt, mit dem Lenkungsausschuss zusammenzuarbeiten? Man hat von dem ja eigentlich nur einmal etwas gehört, das war in der Buckley-Geschichte. Ansonsten war das recht leise, war das intern auch so reibungslos?

Watzke: Es war reibungslos, aber du hattest natürlich Regeln und diese Regeln waren die entscheidenden Unterschiede, ganz einfach. Erstens: Jeder Euro, der als Überschuss erwirtschaftet wird, geht an die Gläubiger. Und zweitens: Du darfst keine Investition über 500.000 Euro tätigen. Konkret zur neuen Saison: Koller und Rosicky waren weg, es hätte keinen neuen Spieler gegeben, maximal Pienaar und Amedick. Und das Budget wäre nicht 28 sondern 24 Millionen, von daher hätte es auch Pienaar nicht gegeben. Und wo wir mit dieser Mannschaft dann gelandet wären, kann sich jeder ausmalen: Zwischen Platz 10 und 13. Wir hätten statt 45.000 Dauerkarten schätzungsweise 30.000 verkauft und hätten einen Zuschauerdurchschnitt von 55.000 gehabt, wobei der schon sensationell gewesen wäre. Das hätte aber von der Erlösseite her nicht gereicht, um das Ding weiter am Laufen zu halten. Dann wären wir schleichend und elegant gestorben, das war völlig klar für mich. Deshalb waren wir heilfroh, als wir aus dieser Nummer raus waren, gleichwohl die Zusammenarbeit mit dem Lenkungsausschuss ordentlich war. Nur haben die eben ein anderes Interesse. Morgan Stanley sagt: „Wir wollen hier vorwärtsorientiert auch der deutschen Öffentlichkeit zeigen, dass wir mit dem BVB zusammen so etwas auf die Beine stellen.“ Die Gläubiger wollten keine Zinsen mit uns verdienen, die wollten keine Strategien entwickeln, die wollten einfach nur ihr Geld zurück und zwar möglichst schnell, weil ihnen das von meinem Vorgänger versprochen war und sie es leider nicht bekommen haben. Das war eine ganz andere Motivation.

"Mit dem Börsengang machst du ja die Tür auf"

schwatzgelb.de: Wenn die RAG jetzt mit dem Börsengang scheitern sollte, was passiert dann? Gibt es da ein Szenario mit Morgan Stanley, dass dann was nachgeschoben würde?

Watzke: Das ist überhaupt kein Thema! Erstens bin ich tausendprozentig sicher, dass der Börsengang kommt. Zweitens hat die RAG eine einmalige Ausstiegsmöglichkeit zum 31. Januar 2007, bis dahin wird die Entscheidung gefallen sein. Und der Herr Kuhlmann, der Unternehmenssprecher der RAG, hat vor 14 Tagen ja auch etwas gesagt, was viel zu wenig Beachtung gefunden hat. Er hat nämlich gesagt: „Wir gehen davon aus, dass wir sehr lange mit Borussia Dortmund zusammenarbeiten.“ Von daher stellt sich diese Frage für mich gar nicht.

schwatzgelb.de: Ich komme noch einmal zurück zu Morgan Stanley: Ich glaube, die Sorge vieler Fans – und auch meine – war sicherlich die, dass da jetzt ein abstraktes Gebilde bei Borussia Dortmund drinsitzt, das nur auf Geldverdienen ausgerichtet ist und das sich für den emotionalen Teil überhaupt nicht interessieren würde. Und dass Morgan Stanley eben auch einen gewissen Einfluss bekommen würde. So wie sie das jetzt beschrieben haben, ist das nicht der Fall?

Watzke: Ja, glauben Sie, dass die Sparkasse Köln, die hier vorher saß, einen emotionaleren Bezug zu Borussia Dortmund hatte als Morgan Stanley?

schwatzgelb.de: Hmmm… wahrscheinlich nicht…

Watzke: …oder ein Grevener Unternehmer, der Bayern München-Fan ist? Das waren doch die Fakten! Ich habe das letztens in einer Diskussion mit der Unity ganz deutlich gesagt: Ich habe volles Verständnis für diese Bedenken. Nur hätte man diese Bedenken deutlich früher äußern müssen, nämlich schon beim Börsengang. Mit dem Börsengang machst du ja die Tür auf. Das war aber nicht mein Börsengang, das sage ich mal ganz deutlich!

schwatzgelb.de: Geäußert wurden die Bedenken damals ja auch, sie sind ja nur nicht wirklich gehört worden.

Watzke: Ja ok, aber sie waren auch sehr leise. Wobei ich natürlich auch weiß, dass du ein paar Jahre nach einem Sieg in der Champions League mit so was auch nicht so ernst genommen wirst. Da brauchen wir auch nicht drüber reden. Nur: Ich kann die Marktmechanismen, die wir haben, auch nicht außer Kraft setzen. Und wenn jetzt Morgan Stanley da reinkommt – wobei sie bislang ja noch nicht einmal Aktionär sind, wenngleich ich sicher bin, dass sie irgendwann auch Aktionär werden – dann ist es ja völlig normal, dass sie damit Geld verdienen wollen. Aber das wollen alle Banken. Und zu glauben, dass der Bankier, der da gerade seine Finanzierung anbietet, auf irgendwelche Rechte verzichtet, nur weil er im Herzen schwarzgelb gefärbt ist, ist doch illusorisch. Das geht gar nicht, der hat auch seinen Aufsichtsrat. Diese Bedenken sind jedenfalls vollkommen unnötig!

Die einzigen Bedenken, die ich haben würde, wären die, wenn wir in England oder Italien spielen würden. Aber hier schützt uns ja die Geschäftsform der GmbH und Co KGaA vor den Abramowitschs dieser Welt. Und meinetwegen sogar vor Morgan Stanley. Die könnten 99 Prozent der Aktien kaufen, aber deshalb ändern sie die Geschäftsführung dennoch nicht. Und jetzt zu sagen „Dann drehen die uns den Hahn zu!“… Den Hahn können sie uns ja nur zudrehen, wenn wir die Zinsen und Tilgung nicht pünktlich zahlen. Wenn wir das aber nicht tun, dann sind wir sowieso pleite.

Also davor braucht man keine übertriebene Angst haben. Entscheidend ist ja auch: Wenn jetzt Morgan Stanley zur Bedingung gemacht hätte: „Wir werden jetzt Eure Hausbank, aber wir machen einen Investitionsausschuss… oder was auch immer… und Ihr müsst das oder das von uns absegnen lassen!“, dann hätte ich auch gesagt: „Passt mal auf Freunde, dann kann ich auch beim Lenkungsausschuss bleiben.“ Das war aber für mich der entscheidende Punkt: Wir haben unsere unternehmerische Freiheit wieder, aber wenn du, so wie ich hier, ein Unternehmen übernimmst, das über 300 Millionen Verbindlichkeiten und Verpflichtungen angehäuft hatte, dann bist du natürlich nicht mehr im Wolkenkuckucksheim. Da hast du nur noch eine einzige Aufgabe!

Am Anfang habe ich immer von Tag zu Tag gedacht, dann hat sich das etwas entspannt und ich habe von Woche zu Woche gedacht und mittlerweile können wir auch wieder in die Zukunft sehen. Aber anderthalb Jahre war ich nur darauf fokussiert, hier den totalen Absturz zu verhindern. Das war doch das entscheidende Thema!

Ich kann auch verstehen, dass sich Leute, die nicht so eng dran sind, so ihre Gedanken machen, aber es war eben so, dass wir mit dem Börsengang allen Leuten dieser Welt einen indirekten Einfluss auf Borussia Dortmund zugestanden haben. Wobei es in der Öffentlichkeit auch oft nicht erkennbar ist, ob jemand Einfluss hat. Da äußern sich Leute in Gazetten, die so tun, als ob sie großen Einfluss haben. Die Geschäftsführung von Borussia Dortmund ist aber völlig unabhängig, die wird nämlich vom e.V. eingesetzt.

schwatzgelb.de: Rückblickend betrachtet: Hätte man den Börsengang unternehmen sollen?

Watzke: Die Frage ist ja: Wo war die Alternative? Ich habe ja jetzt die Möglichkeit, auch die Zahlen der Vergangenheit deutlicher zu beleuchten und ich würde heute sagen, dass es damals gar keine Alternative mehr dazu gab als diesen Börsengang, weil Borussia Dortmund vor ähnlichen Problemen gestanden hat, wie wir sie jetzt vor anderthalb Jahren hatten.

schwatzgelb.de: Wenn man mal bei Ihrem medizinischen Vokabular bleibt – Stichwort Pathologie: Wo im Krankenhaus würden Sie Borussia Dortmund heute ansiedeln?

Watzke: In keinem Krankenhaus mehr.

schwaztgelb.de: In der Reha?

Watzke: Wenn wir die Kapitalerhöhung am 15.8. von den Aktionären genehmigt bekommen und die auch erfolgreich platzieren, dann auch keine Reha mehr. Dann ist Borussia Dortmund eines der gesünderen Unternehmen der Bundesliga. Wobei ich immer noch Probleme habe, von einem Unternehmen zu sprechen, aber dieser Jargon ist ja leider Gottes mittlerweile so drin.

schwatzgelb.de: Wer muss denn da alles zustimmen?

Watzke: Da müssen 75% der Aktionärsversammlung zustimmen. Wobei es nicht so sehr die Zustimmung ist – ich bin mir ziemlich sicher, dass die kommt – sondern eher die Platzierung. Es sagt sich so leicht, dass man dann einfach ne Kapitalerhöhung macht. Aber man muss auch erst einmal Leute finden, die bereit sind, 30 Millionen zu investieren, denn die sind ihrem Geld ja auch nicht böse. Das ist der entscheidende Punkt, und da existiert eben immer noch eine gewisse Skepsis, was Borussia Dortmund angeht. Das kann ich auch gut verstehen. Aber das haben wir beim ersten Mal hinbekommen und der Kapitalmarkt hat jetzt auch deutlich gespürt, dass wir das ernst genommen haben. Abgesehen von den damit verbundenen Kosten, die man auch nicht unterschätzen sollte, weil das immense Kosten in Sachen Rechtsberatung und für notarielle Beurkundungen sind, haben wir von den 29 Millionen, die wir reinbekommen haben, eben alles bis auf diese Kosten in die Tilgung gesteckt. Also etwa 28 Millionen. Andere hätten da vielleicht versucht, für zehn Millionen noch wieder einen Spieler zu ergattern. Aber wir haben das komplett getilgt und das ist, glaube ich, auch der richtige Weg, der dann auch honoriert wird. Und das werden wir mit dieser Kapitalerhöhung auch wieder machen. Und wenn dann am Ende Borussia Dortmund statt 53 vielleicht noch 25 Millionen Verbindlichkeiten hat in der KGaA, dann ist das mit den Erlösen, die wir haben, in der Bundesliga überhaupt kein Problem. Wir haben 90 Millionen Umsatz gemacht, ohne auch nur eine internationale Mark. Das ist also sehr gut darstellbar, wenn man nicht überheblich wird. Die Stadionfinanzierung lassen wir da jetzt mal raus, die ist mit 100 Millionen auf so lange Sicht mit diesem Stadion gar kein Problem. Bayern München hat 300 Millionen, Schalke 180 Millionen und dann können wir mit dem größten Stadion mit 100 Millionen und - anders als früher - zu exzellenten Zinsen übrigens sicherlich sehr gut leben.

"Es ist ein Traumjob!"

schwatzgelb.de: War es früher eigentlich wirklich so, dass Borussia mehr hätte zahlen müssen, je öfter man in dem Stadion gespielt hätte?

Watzke: Ja.

schwatzgelb.de: …und internationaler Wettbewerb wäre dann ganz schlecht gewesen?

Watzke: Naja, schlecht nicht, man hätte ja auch Einnahmen gehabt, aber man hätte eben nicht so stark partizipiert. Die Verzinsung, die wir heute haben, ist gegenüber der Commerzbank (der Molsirisfond gehörte zur Commerzbank, Anm. d. Red) früher um zwei bis fünf Prozent günstiger. Das sind natürlich bei den Summen enorme Gelder.

schwatzgelb.de: Geschäftsführer bei Borussia Dortmund – ist das eher ein Traumjob oder ein Alptraum?

Watzke: Traumjob!

schwatzgelb.de: Auch in der letzten Zeit?

Watzke: Ohne Wenn und Aber! Das ist aber auch nur ein Traumjob für denjenigen, der das emotional sieht. Deswegen bin ich auch manchmal so irritiert, wenn ich höre, dass es in der Fanszene wieder diese oder jene Bedenken gibt. In der Fanszene sollte sich jeder mal vor Augen halten, dass eigentlich einer der größten und vielleicht auch einer der härtesten Fans von Borussia Dortmund ich selber bin.

Seit vierzig Jahren ist Borussia Dortmund ein ganz manifester Teil meines Lebens. Und deswegen ist das auch ein Traumjob.

Ich könnte mir nicht vorstellen, das für einen anderen Klub zu machen, definitiv nicht! Für mich ist Borussia Dortmund das Maß aller Dinge und wenn du da in so einer Situation etwas bewegen kannst, ist das eine unglaubliche Verantwortung. Ich weiß noch heute: Am 9. Februar hat mich Reinhard Rauball damals angerufen und gesagt, dass wir uns treffen müssen. Dann haben wir uns in Unna getroffen und er hat mir gesagt: „Du musst das jetzt machen. Wir sind kurz vorm Ende und die Wahrscheinlichkeit, dass das Ende in den nächsten vier Wochen kommt, ist nach meiner Einschätzung höher als 50 Prozent. Du bist der einzige, den ich jetzt sehe, der das machen könnte und jetzt mach das bitte. Aber du musst dich in zwei Stunden entscheiden!“ Da habe ich ihn gefragt: „Was rätst du mir denn als Freund?“ und er hat mir gesagt: „Lass es, das sag ich dir als Freund. Aber als Präsident wünsche ich mir, dass du es machst.“

Aber innerlich habe ich auch nicht eine Sekunde überlegt. Das waren für mich einschneidende Dinge: Ich musste meine Familie alleine lassen, bis heute lebe ich hier ja alleine. Ich habe mein Unternehmen alleine gelassen, das ich selber gegründet und aufgebaut habe. Alles für Borussia Dortmund! Und deshalb tut es mir manchmal auch weh, wenn ich da gerade in der Fanszene noch auf Misstrauen stoße, weil ich selber für mich in Anspruch nehme, einer der größten Fans dieses Vereins zu sein.

In meiner Position muss ich den Bogen spannen von Morgan Stanley und Florian Homm bis zur Unity - das ist ein verdammt breiter Bogen. Und da musst du sehen, dass du den in der Mitte zusammenhältst, nicht am Rand. Aber dass ich mich emotional da positioniere, das ist doch völlig klar.

Deshalb: Eindeutig Traumjob!

schwatzgelb.de: The Unity hat natürlich auch den gleichen Anspruch, emotional bei der Sache zu sein und große Fans zu sein. Es gibt halt nur völlig unterschiedliche Interpretationen von Fansein und die muss man irgendwie zusammenkriegen.

Watzke: Ich sag ja, ich muss diesen Bogen spannen. Es ist immer einfach, eine Extremposition einzunehmen, das ist klar. Solange du dich nicht fürs Ganze hergeben musst. Aber grundsätzlich ist es so: Ich war ja letzten Freitag bei denen und wir hatten eine tolle Diskussion, die hat mir riesigen Spaß gemacht. War auch richtig gut, auf einem gewissen Niveau, ehrlich und offen. Nur es müssen alle bei so etwas auch immer eine gewisse Toleranz haben, weil man einfach auch akzeptieren muss, dass man in der heutigen Zeit des Fußballs auch Kompromisse machen muss.

Wenn natürlich einer sagt: „Ich hätte am liebsten überhaupt keine Werbung und würde dafür lieber in der Landesliga spielen“, dann bin ich dafür nicht mehr der Ansprechpartner. Mit dem kann ich diese Diskussion nicht führen. Dann sage ich: „Ich akzeptiere das, wenn du das so sagst, aber da bin ich als Vorsitzender der Geschäftsführung nicht mehr der richtige Ansprechpartner. Das kann nicht mein Ziel sein, denn ich bin nicht nur The Unity sondern auch den Aktionären verpflichtet. Das ist nun mal so.

Aber dass Borussia Dortmund, solange ich hier an der Spitze der KGaA stehe, immer deutlichst emotional unterlegt sein wird, davon kann man mal ausgehen! Ob das später noch so sein wird, das steht auf einem anderen Blatt. Wenn irgendwann einmal jemand kommt, der nicht mehr diesen Bezug zum Klub hat, der das alle drei oder vier Jahre mal bei einem anderen Verein macht wie beispielsweise René Jäggi, der schon in Basel war, dann in Kaiserslautern, jetzt geht er vielleicht nach Hannover. Das ist eine ganz andere Welt, aber das ist eben bei mir nicht so. Ich könnte mir nicht vorstellen, zum 1. FC Köln zu gehen und dort auf einmal „Viva Colonia“ zu singen.

"Wer meine Vita kennt, müsste wissen: Das ist ein Fußballbekloppter"

schwatzgelb.de: Haben Sie Verständnis für die Sorgen der Leute?

Watzke: Ja, ich kann jeden verstehen, der angesichts der Hysterie bei Borussia in den letzten Jahren vorsichtig geworden ist. Aber wer meine Vita kennt, der muss auch ein Gespür dafür haben, dass die Sorgen unbegründet sind. Wer ist denn so bescheuert wie ich, der trotz erheblich gefüllten Tageskalenders immer noch Präsident eines Amateurklubs in der Verbandsliga ist? Und das schon seit zwölf oder dreizehn Jahren. Das würde doch keiner machen, das macht keiner in der ganzen Bundesliga. Weil es auch eigentlich völlig verrückt ist. Aber ich hänge eben auch daran. Ich habe auch großen Respekt, wenn einer da nach Salzburg fährt, um sich dort die neunte Liga anzugucken, das ist nämlich der gleiche Schwachsinn. Das ist der gleiche Schwachsinn, als wenn ich Sonntag mal zuhause bin und mich dann um Eins ins Auto setze, um nach Davensberg im Münsterland zu fahren, um mal wieder Rot-Weiß Erlinghausen zu sehen. Das ist liebenswerte Emotion, aber das macht auch nur einer, der fußballverrückt ist, und nicht einer, der das mercantil sieht.

Deswegen sage ich: Wer meine Vita kennt, müsste wissen: Das ist ein Fußballbekloppter und das ist dessen erste Motivation!

schwatzgelb.de: Was da gerade gut reinpasst: Die Diskussion um das neue Trikot…

Watzke: …ja gut, das Trikot, das ist auch so ein Thema. Im Nachhinein sage ich, tut mir das auch persönlich leid, dass ich das völlig falsch eingeschätzt habe. Ich mache ja auch Fehler, jeden Tag wahrscheinlich sogar. Aber ich sage mal so, man muss jetzt verschiedene Dinge trennen: Ich bin nach wie vor der Meinung, dass die Mehrheit der Fans das Trikot gut findet, da bin ich ziemlich sicher. Aber ich habe deutlich unterschätzt, dass es Leute gibt, die mit den weißen Streifen ein Problem haben. Ich weiß noch heute, in der ersten Sitzung, wo ich dabei war, ich war vielleicht drei Monate im Amt, da kam der Vorschlag von Nike - aber ich fand ihn auch nicht schlecht: Wir wollen das erste Trikot von 1909 nachmachen. Das war definitiv so, das schwöre ich! Dann haben wir es eben vom Design her so gemacht. Ich habe gedacht, dass das Weiß zwar gewöhnungsbedürftig ist, aber ich fand es klasse, als ich es zum erste Mal gesehen habe. Dazu habe ich gesehen, dass dieses s.Oliver-Trikot damals auch das Weiß drin hatte.

Ich habe aber völlig unterschätzt, dass eine deutliche Minderheit – ich sage Minderheit, aber eine deutliche und große Minderheit – unserer Fans das so sieht. Hätte ich das damals gewusst, hätte es das Trikot nicht gegeben. Die Verantwortung dafür übernehme ich persönlich, ich habe hier ja nun einmal das letzte Wort in allen Dingen und ich habe auf den grünen Knopf gedrückt. Da stehe ich zu, würde es aber heute nicht mehr so machen. Und deshalb habe ich auch ganz schnell gesagt, als ich gemerkt habe, dass ich damit die Fanseele berührt habe, dass es künftig nur noch schwarzgelbe Trikots gibt. Denn ich möchte, dass wir bei der Trikotgebung einen breiten Konsens haben.

Aber das ist natürlich auch ein Punkt, wo ich hoffe, dass auch hier die Fangruppierungen von Unity und Desperados und so auch immer darauf achten, dass ein breiter Konsens da ist. Denn ich sehe derzeit mit einer gewissen Befürchtung, dass sich auch schon eine gewisse Gegenbewegung formiert und es auch schon Treffen gegeben hat von Fanclubs, die sagen, wir müssen diese Diskussionen anders führen. Ich sage nur eins: Ich habe gesagt, dass es keine anderen Trikots mehr gibt, nur noch in schwarzgelb. Ich habe darüber hinaus – und da stehen wir auch dazu – gesagt, dass es dieses Trikot in einem Jahr nicht mehr gibt.

schwatzgelb.de: Nicht mehr als Stammtrikot oder überhaupt nicht mehr?

Watzke: Ob wir es auswärts noch mal ab und zu einsetzen, kann ich nicht sagen, aber als Stammtrikot definitiv nicht. Als Triokot Nummer 1 gibt es jedenfalls wieder ein schwarzgelbes. Das wird zukünftig auch immer so bleiben! Und wir werden dabei auch die Fanabteilung mit ins Boot nehmen. Wenn diese Arbeitsgruppe zur Trikotfindung beim nächsten Mal tagt, kommen da ein oder zwei mit dazu und sollen das dann auch entsprechend diskutieren. Das finde ich auch gut so, hätte man gleich am Anfang so machen müssen, aber in der Extremsituation von damals bin ich, ehrlich gesagt, auch nicht auf diese glorreiche Idee gekommen. Das war vielleicht auch ein Fehler.

"Wir brauchen eine möglichst große Einheit"

schwatzgelb.de: Zumindest verständlich, da hatten sie ja andere Sorgen.

Watzke: Ja, aber es war unnötig. Diese ganze Diskussion war unnötig, die hat uns nur geschadet. Was dann daraus geworden ist, beispielsweise die Proteste in Berlin, die waren kontraproduktiv. Das hat mich gestört, dass wir als Borussia Dortmund da ein schlechtes Bild abgegeben haben. Ich habe da auf der Tribüne gesessen, ganz allein unter lauter Berlinern und die haben sich alle kaputt gelacht. Die sagten alle: Ihr habt aber Sorgen, die hätten wir auch gerne! Die konnten das gar nicht verstehen, haben sich aber amüsiert, weil wir da gut gespielt und sechs wunderbare Tore geschossen haben und die Stimmung war trotzdem sehr gespalten. Das hat mir auch nicht gefallen. Die Leute, die protestiert haben, waren unten im Block und die anderen rückten immer weiter nach oben, weil sie sich davon auch ein bisschen absetzen wollten. Das habe ich so ein bisschen verfolgt. Und das ist nicht Borussia Dortmund. Wir brauchen eine möglichst große Einigkeit!

schwatzgelb.de: Manchmal hat man in den letzten Jahren den Eindruck, das sei sehr Borussia Dortmund.

Watzke: Ja gut, aber das darf einfach nicht sein! Deshalb passiert uns so etwas auch nicht noch mal. Gleichwohl ist es auch so: Dieses Trikot muss auch ein Erfolg werden, das ist für uns auch ein ökonomisches Thema, ist ja klar. Und mein Wunsch war ja auch nur an alle, die mit mir diskutiert haben, dass man diejenigen, die dieses Trikot auch gerne und mit Stolz tragen, nicht anpöbelt. Das ist das mindeste, was man erwarten muss. Aber es wird eine einmalige Sache sein, es wird nur noch schwarzgelbe Trikots geben und damit müsste diese Diskussion eigentlich auch abgehakt sein.

schwatzgelb.de: Man kann aber schon feststellen, dass nicht nur in Dortmund-Fans deutlich sensibler werden. Es gab in Braunschweig eine Trikotdiskussion, weil die plötzlich in dunklerem Blau spielen sollten, das wurde sogar so weit zurück genommen, dass man Heimspiele jetzt wieder im alten Trikot spielt…

Watzke: …naja, die hatten wahrscheinlich 300 Trikots vorproduziert.

schwatzgelb.de: Das ist es ja nicht allein. In Berlin gibt es großen Ärger um das veränderte Wappen auf den Trikots, wo auf einmal ein Adler drin ist.

Watzke: Das kann ich auch verstehen, das ist auch richtig so.

schwatzgelb.de: Und in Bremen war es dieses fürchterliche Orange: Haben Sie den Eindruck, dass sich das allgemein gewandelt hat und Fans heute dünnhäutiger sind? Mir persönlich geht es zumindest schon so, dass ich bei solchen Dingen dünnhäutiger werde. Ich habe oft den Eindruck, dass zwar schon früher Klubs von den Zechen gesponsert wurden, dass es damals aber darum ging, Geld zu bezahlen, um Fußball zu ermöglichen, während es heute oft so wirkt, als würde nur Fußball gespielt, um Geld zu verdienen.

Watzke: Da sage ich Ihnen mal eins: Es hat alles seine Vor- und Nachteile. Der Einfluss von Wirtschaftsunternehmen auf Borussia Dortmund war meiner Meinung nach vor 30 Jahren höher als heute. Das ist meine Meinung. Denn der BVB war sehr stark von Hoesch dominiert und wenn bei Hoesch im Vorstand der Daumen über einen Trainer gesenkt wurde, dann wurde der in der Regel auch entlassen. Da konnte der Präsident machen, was er wollte. Das war so.

Es gibt eben zwei Möglichkeiten. Du bist ja hier nicht auf einer Insel der Seligen. Wenn alle Klubs in der Bundesliga oder in Europa sagen: „Wir machen keine Stadionvermarktung!“, dann haben wir damit kein Problem und würden sicherlich nicht die ersten sein, die es dann doch machen. Aber wenn alle anderen das tun, dann haste am Ende keine Leute mehr hier, weil du jedes Spiel verlierst und die Leute sagen: „Die sind ja zu dämlich!“ Das ist das Problem.

Mir ist es lieber, jemand gibt uns Geld für eine klar definierte Leistung, als wenn du einen großen Sponsor hast, der das zwar vom Herzen her macht, aber von dem du gar nichts mehr kriegst, wenn du den mal ärgerst und er seinen Willen nicht bekommt. Oder der in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommt und du dann gleich mit baden gehst. Fortuna Köln oder Wattenscheid 09 lassen herzlichen grüßen, bei Chelsea London wollen wir uns mal nach Abramowitsch wieder sprechen.

Nur, und da haben Sie Recht: Man muss die „Auswüchse“ ein bisschen beschränken, wir sind auch gerade dabei, die Werbung im Stadion vielleicht ein bisschen dezenter zu machen. Aber, ich sage das noch einmal: Wenn Du hier mit 300 Millionen im Minus startest, dann musst du natürlich auch erst einmal sehen, wo du bleibst.

Ich habe The Unity gefragt: „Was sind Dinge, die Euch heilig sind?“ Da hat man mir drei Dinge genannt: Vereinsname, Vereinslogo… das ich die zwischenzeitlich von der Pfändung befreit habe, ist mir auch deutlich zu kurz gekommen bei der ganzen Diskussion… und eben die Farben. Das habe ich jetzt vollkommen internalisiert, wie man so schön sagt, und diese drei Dinge sind auch gar keine Frage.

Aber dass die Farben SO elementar sind, das habe ich ehrlich gesagt, auch nicht so eingeschätzt. Klar, dass wir immer in Schwarz und Gelb spielen, aber ob da jetzt ein weißer Zusatz drin ist… das habe ich persönlich nicht als so dramatisch gesehen. Jetzt weiß ich das und jetzt wird das auch so 1:1 umgesetzt, keine Frage! Diese drei Dinge, da wird sich definitiv - und solange ich bei Borussia Dortmund Einfluss habe – nichts dran ändern. Das ist meine ganz klare Aussage!

Im dritten und letzten Teil sprechen wir mit dem Geschäftsführer über Werbung beim Fußball, Außendarstellung, rosa Schals, Dr. Reinhard Rauball und noch einiges mehr.

Hier ein paar Zitate aus dem dritten Teil

Da protestiere ich!"

Aber das habt Ihr doch so gewollt!"

Jeder, der mich kennt, und das sind ja recht viele, weiß ohnehin, was Sache ist."

Lasst das bitte!"

Meine Frau hat nur gesagt: „Du bist völlig bekloppt!"

...weil ich einfach die Schnauze voll hatte."

Hört mir auf mit Fundamentalisten!"

Es ist grenzwertig"

Das zeichnet die Klasse von Reinhard Rauball aus."

Aber wenn es dann gegen andere geht, müssen wir auch zusammenhalten!"

Hier gehts zum ersten Teil: "Die Bank droht ja jedem"

Hier gehts zum dritten Teil: "Hör mir auf mit Fundamentalisten..."

Unterstütze uns mit steady

Weitere Artikel