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"Ich tat es für mein Land"

09.06.2006, 00:00 Uhr von:  Guido
"Ich tat es für mein Land"
© Amazon

Wenn heute Abend in München die WM eröffnet wird, werden die Kameras vor dem Anpfiff sicherlich die Lichtgestalt Franz Beckenbauer einfangen, und die Kommentatoren werden seine Verdienste um die WM loben. Währenddessen wird in Frankfurt am Main Martin Sonneborn vorm Fernseher sitzen und denken, dass es eigentlich er sein müsste, der da oben zwischen Bundeskanzlerin und FIFA-Präsident sitzen müsste, schließlich war er es, der die WM nach Deutschland geholt hat.

Es war der 5. Juli 2000, der Vorabend der Entscheidung über die Ausrichtung der WM 2006, als Titanic-Chefredakteur Martin Sonneborn sich als Mann der Tat erwies. Vor wenigen Stunden hatte in Zürich der DFB mit einer jämmerlichen Präsentation die letzten Chancen auf die Ausrichtung der WM nahezu verspielt. Das wichtigste Sportereignis der Welt drohte nach Südafrika vergeben zu werden. Und so verschickte Martin Sonneborn an besagtem Abend ein Bestechungsfax adressiert an die sieben FIFA-Exekutivmitglieder im Züricher Grand Hotel Dolder. In seinem Schreiben versprach ein gewisser „Martin Hansen“ seines Zeichens „Secretary TDES“ (TDES steht für „Titanic das endgültige Satiremagazin) den Adressaten Würstchen und „a wonderful KuKuClock“. Am nächsten Tag enthält sich der Vertreter Ozeanien/Australien, Charles Dempsey, entgegen der Absprache mit Vertretern seines Verbandes, die von ihm verlangt hatten für Südafrika zu stimmen, der Wahl. Die WM geht nach Deutschland- und der damals 78-jährige Dempsey gibt nachher zu, dass das Fax den Ausschlag gegeben hat („this final fax broke my neck“). Danach passierte, was passieren musste und wohl auch sollte: Eines der Faxschreiben landet beim englischen TV-Sender Channel4, bei dem sofort das böse Wort „Bestechung“ in den Mund genommen und eine sensationelle Enthüllung gewittert wird. Am nächsten Tag outet sich Sonneborn auf eine Anfrage der dpa mit den historischen Worten „Ich tat es für mein Land“. Auf die Frage eines Journalisten der BBC, ob er geglaubt habe, dass einer der Wahlmänner das Bestechungsfax hätte ernst nehmen können, entgegnet Sonneborn lediglich „Ja, wenn man sehr hungrig war“. Wer jetzt denkt, die Geschichte wäre damit erledigt, die Deutschen froh, dass die WM „nicht beim Neger gelandet ist“ (Sonneborn) und die Engländer voll Wut, der irrt. Wenige Tage nach der Abstimmung droht der DFB Sonneborn mit einer Schadenersatzklage in Höhe von 600 Millionen Euro und die Bild-Zeitung druckt im Sportteil, die Telefonnummer der Titanic-Redaktion ab und ruft ihre Leser dazu auf Dampf abzulassen. Was diese auch reichlich taten.

Wahre Helden haben es in Deutschland schwer. Anders ist es nicht zu erklären, dass Martin Sonneborn nicht den Platz in der Geschichte dieser WM erhält, der ihm zusteht. Unterhaltsam ist sein beim „Bombus“-Verlag erschienendes „Protokoll einer Bestechung“ trotz alledem und ein Pflichtkauf für alle „Freunde“ von DFB, Fifa und BILD-Zeitung. Chronologisch aufgelistet beschreibt er die Zeit vom ersten Fax bis zu den Anrufen der Bild-Leser, die größtenteils alle im kompletten Wortlaut („Im Rechtstaat gehören Leute wie Sie ins KZ“) wiedergegeben werden und den Höhepunkt des Buches bilden. Sonneborns größter Wunsch bleibt jedoch bis jetzt ungehört: „Wenn mein Land mich ruft, stehe ich als Ehrenspielführer bereit“.

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