Serie

Meister Borussia, aber welche Spieler waren auch meisterlich? - Teil 4

19.06.2002, 00:00 Uhr von:  Sebi BoKa

Während das defensive Mittelfeld ja zunächst vor allem dafür zuständig war, den Gegnern das Tore schießen zu erschweren, sollten die offensiver ausgerichteten Mittelfeldakteure zu eigenen Torerfolgen beitragen. Die Torquote eines Michael Ballack konnte dabei jedoch kein Borusse für sich verzeichnen. Nichtsdestotrotz war das Offensivspiel des BVB in vielen Spielen äußerst sehenswert. Hier der Beitrag der restlichen Mittelfeldspieler im Einzelnen...

Folge 4: Das Mittelfeld (offensive Spielweise):

Sunday Oliseh vor der Einwechselung, im Gespräch mit Matthias Sammer
Sunday Oliseh

Sunday Oliseh:

Für ihn gilt: Welch ein großes Potential, aber welch magere Leistungen!

Nach der vollzogenen Frings-Verpflichtung wurde bekannt, dass Betis Sevilla erneutes Interesse an den Diensten von Sunday Oliseh bekundet hat und der BVB nicht abgeneigt ist, den ehemaligen nigerianischen Nationalspieler ziehen zu lassen. Daraus lässt sich deutlich schließen, dass man beim BVB mit den Leistungen von Sunday Oliseh nicht zufrieden war. Einstmals als großer Hoffnungsträger, mit vorauseilend gutem unheimlich guter Ruf von Juventus Turin verpflichtet, konnte Sunday Oliseh nie die in ihn gesteckten Erwartungen erfüllen.

Nach der Katastrophensaison 1999/2000 als Nachfolger von Andreas Möller geholt und angekündigt, wurde schnell deutlich, dass die strategischen Fähigkeiten Olisehs für diese Aufgabe nicht ausreichen würden. Deutliche Stärken besitzt Oliseh dagegen bei defensiven Zweikämpfen im Mittelfeld. Dass seine durchaus beachtliche Quote an Ballgewinnen für den BVB aber letztlich wenig ertragreich war, liegt vor allem in seiner mangelhaften Konzentrationsfähigkeit begründet. Als sich ihm im UEFA-Pokal-Halbfinale gegen den AC Mailand eine große Bühne bot, zeigte er jedoch eindrucksvoll, dass er auch anders kann. Nahezu unüberwindbar in der Rückwärtsbewegung, wusste er in diesem Spiel die vielen Balleroberungen gewinnbringend für das Offensivspiel der Dortmunder umzumünzen. Dabei unterlief ihm kaum ein Fehler, und er zeigte in beeindruckender Manier zu welchen Leistungen er fähig wäre, wenn jedes Spiel der Borussen im italienischen TV übertragen würde. Leider gelang ihm das in seiner zweijährigen Zeit beim BVB viel zu selten. Sebastian Kehl, erst in der Winterpause verpflichtet, lief ihm daher auch in Windeseile den Rang ab. Auch an „Bundesligadurchstarter“ Torsten Frings dürfte Sunday Oliseh ebenfalls nur schwer vorbeikommen. Deswegen scheint ihm der BVB bei einem möglichen Vereinswechsel keine Steine in den Weg zu legen.

Gerade die von den vielen, vielen erfolglosen Weitschussversuchen Olisehs traumatisierten BVB-Fans würden sich wohl ebenfalls nicht gegen einen vorzeitigen Wechsel des Nigerianers sträuben. Möglicherweise wäre eine Trennung auch die beste Lösung für beiden Seiten, wobei allerdings zu erwähnen ist, dass Sunday Oliseh bei aller Kritik dennoch eine gewisse Qualität besitzt. Und genau diese könnte bei der langen und schweren Saison, die dem BVB erwartungsgemäß bevorsteht, noch von Nutzen sein. Wenn auch überwiegend von der Bankperspektive aus...

Sebastian Kehl kämpferisch auf dem Platz
Sebastian Kehl
Sebastian Kehl:

15 Spiele reichten zur Meisterschaft! Wie einst Jörg Heinrich, machte auch Sebastian Kehl alles richtig und wechselte in der Winterpause seiner ersten Deutschen Meisterschaft entgegen. Das wochenlange Transfer-Theater soll an dieser Stelle allerdings keine allzu große Erwähnung mehr finden, insgesamt wurde diesem Thema mehr als genug Aufmerksamkeit geschenkt. Nur soviel: Sebastian Kehl wurde in seiner Entscheidung vollkommen bestätigt. Als unumstrittener Stammspieler trug er vom ersten Spiel an zum Gewinn der 6. Deutschen Meisterschaft für den BVB entscheidend bei.


Gekrönt wurde diese überaus ereignisreiche Saison mit der Berufung in den WM-Kader Rudi Völlers. Wenn er auch in Japan und Korea anfangs nur zu den Edelreservisten zählte, so steht dennoch fast, dass Sebastian Kehl zu den absoluten Hoffnungsträgern des deutschen Fußballs gerechnet werden muss. Es war schon beeindruckend mit welcher Leichtigkeit er das Tohuwabohu um seine Person wegsteckte und vom ersten Spiel an eine tragende Rolle im Dortmunder Mittelfeld einnahm. Den größten Eindruck hinterließ sicherlich sein Auftritt beim Auswärtsspiel in München. Von den gegnerischen Fans und der Presse stark unter Druck gesetzt, ließ sich der ehemalige Freiburger keinerlei Nervosität anmerken und avancierte zum besten Feldspieler der Partie. Dabei konnte er eindrucksvoll beweisen, warum ihn Matthias Sammer unter allen Umständen nach Dortmund haben wollte. Sowohl offensiv, als auch defensiv konnte Sebastian Kehl entscheidende Akzente setzen.

Während er defensiv mit einer beinahe unfassbaren Einsatzfreude viele Bälle erobert, besitzt er auch die seltene Fähigkeit diese Bälle schnell für das eigene Offensivspiel zu verwerten. Insgesamt konnte er somit die Spieleröffnung beim BVB wesentlich beschleunigen und wesentlich effizienter gestalten. Bisweilen mangelnde Konstanz lässt sich einerseits mit seinem Alter erklären, angesichts der ungeheuer kurzen Integrationszeit ließ seine Beständigkeit allerdings nicht besonders viele Wünsche offen. Seine einzige Schwäche ist somit, dass er nicht zu den ganz schnellen Spielern der Bundesliga gezählt werden kann. Wie man allerdings hören konnte, soll Kehl hart an seiner Spritzigkeit arbeiten, was sehr gut zu seinem generellen Bild passt!

War man anfangs noch entsetzt, dass der BVB auf der Zielgeraden den dänischen Nationalspieler Christian Poulsen den „Blauen“ überließ, erklärte sich der Verzicht auf diese „preistreibende Personalie“ rasch drauf in der Verpflichtung des gebürtigen Fuldaers, mit dem Borussia jedenfalls einen großen Trumpf für die Zukunft in der Hand hält. Dabei dürfte seine Entwicklung noch längst nicht abgeschlossen sein und er mit der Zeit eine immer dominantere Rolle als Führungsspieler im BVB-Team spielen. Nicht wenige sehen seine Entwicklung erst dann abgeschlossen, wenn er den BVB mit der Kapitänsbinde zu weiteren Erfolgen treibt...

Lars Ricken auf dem Platz im Angriff
Lars Ricken

Lars Ricken:

Auch wenn der waschechte „Dortmunder Junge“ Lars Ricken bereits zum dritten Mal die Meisterschale in die Höhe stemmen durfte, wird er mit der zurückliegenden Saison nicht vollends zufrieden sein können. Zu Saisonbeginn ließ sich der Mittelfeldspieler noch von der allgemein starken Verfassung der BVB-Elf mitreißen. Dem dann folgenden Durchhänger schloss sich im Herbst des vergangenen Jahres seine vielleicht beste Phase an. Aufgrund einer Verletzungspause Stefans Reuters avancierte der gebürtige Dortmunder zwischenzeitlich zum Kapitän der Schwatzgelben. Diese zusätzliche Verantwortung schien ihn auch prompt zu beflügeln und in den Spielen gegen Cottbus und Stuttgart galt er nicht nur aufgrund seiner wichtigen Treffer als Matchwinner. Endlich schien er alle Kritiker eines besseren belehrt zu haben, indem man ihn auf dem besten Weg zu einer Führungspersönlichkeit wähnte.

Nach der Winterpause allerdings lief beim 25-jährigen gar nichts mehr zusammen. Sicherlich gehandicapt durch verschiedene Blessuren, fehlte Lars Ricken jegliche Spritzigkeit und so blieb er bei nahezu allen Auftritten äußerst farblos. Phasenweise verlor er sogar seinen zuvor so sicher geglaubten Stammplatz und durfte zu den erfolgreichen Auftritten des BVB höchstens als Einwechselspieler seinen Teil beitragen. Und weil Matthias Sammer als einer seiner größten Fürsprecher gilt, darf seiner zwischenzeitlichen Reservistenrolle fraglos eine gewisse Tendenz in der Aussagekraft zugesprochen werden.

Sein persönlicher Tiefpunkt war zweifellos das UEFA-Pokal-Finale in Rotterdam. Wirkungs- und bedeutungslos trabte er dort über den Platz und war an zwei Gegentreffern nicht schuldlos. Sicherlich wirkte bei seinem unsicheren Auftreten noch die für ihn frustrierende und doch berechtigte Nicht-Nominierung für die WM durch Rudi Völler nach. Dass er letztlich wider Erwarten die Reise nach Asien antreten durfte, hatte er lediglich dem Verletzungspech seiner Mitkonkurrenten zu verdanken. Hoffentlich kehrt er aus dem Kreis der Nationalmannschaft trotz seiner eher untergeordneten Touristenrolle gestärkt zu einer verletzungsfreien Saisonvorbereitung zurück. Ansonsten dürfte es Lars Ricken, der eigentlich schon als zukünftiger Kapitän auserkoren war, sehr schwer haben, sich einen Stammplatz zu erkämpfen. Die Konkurrenz hat nicht zuletzt durch die Verpflichtung von Allrounder Torsten Frings zugenommen, Konstanz wird während der kommenden Spielzeit mehr denn je gefragt sein. Und daher lautet die Prognose für Lars Rickens bevorstehende Saison - genau genommen - wie auch in den letzten drei Jahren: Er befindet sich einmal mehr am Scheideweg und muss in seinen Leistungen nicht nur konstanter werden, sondern darüber hinaus auch wesentlich mehr Verantwortung auf dem Platz übernehmen. Ansonsten könnte ihn, wie schon viele Hoffnungsträger zuvor, das Schicksal ereilen, den Ruf eines ewigen Talentes, das seine Möglichkeiten nicht voll auszunutzen wusste, nicht mehr loszuwerden...

Tomas Rosicky im Training am Ball
Tomas Rosicky

Tomas Rosicky:

Der Gewinn der Deutschen Meisterschaft war nicht der einzige große Wurf, der Tomas Rosicky in dieser Saison gelang. Für eine überaus erfolgreiche Spielzeit wurde er zusätzlich mit einem persönlichen Titel geehrt, indem er in seiner tschechischen Heimat zum „Fußballer des Jahres“ gewählt wurde. Noch vor Spielern wie Vladimir Smicer (FC Liverpool) oder dem Vorjahressieger Pavel Nedved vom italienischen Meister Juventus Turin. Und das völlig zurecht! Nach einem alles überragenden Start in die Saison, tauchte er zwar kräftemäßig teilweise ab, aber nahm das Zepter zur rechten Zeit wieder in die Hand.

„Es ist eine große Ehre mit solch einem Spieler in einem Team zu stehen. Er macht das Tore schießen einfach!“ So äußerste sich Marcio Amoroso über seinen Teamkollegen Tomas Rosicky nach dem Start-Rekord des BVB. Und tatsächlich schien gegen Rosickys Traumzuspiele für den Gegner kein Gegenmittel gewachsen. Darüber hinaus schien bei ihm nach den wunderschönen Toren gegen Wolfsburg und Rostock auch in dieser Hinsicht der Knoten geplatzt. Zum Ende der Rückrunde ging „Rosa“ jedoch merklich die Puste aus und ohne der Mannschaft besonders große Impulse geben zu können, verabschiedete er sich in die Winterpause. Nachdem Rosicky dort den Akku wieder aufgeladen hatte, war er zu Beginn der Rückrunde endlich wieder verstärkt ein Fixpunkt bei den Angriffbemühungen der Dortmunder. Doch so eine große Einflussnahme wie in seiner besten Phase in Halbserie Eins, hatte Tomas Rosicky noch immer nicht. Da gilt es für den BVB-Coach anzusetzen und auch er weiß um die sensible Fußballerseele in dem mit nur 1.75 m Körpergröße und 67 kg leichten Spielmacher.

Dass er aber eines der ganzen großen Talente im europäischen Fußballs ist, bewies er in der nervenaufreibenden, alles entscheidenden Endphase der Saison. Ob im UEFA-Pokal oder der Bundesliga; der junge Tscheche war eine der entscheidenden Kräfte und übernahm unglaublich viel Verantwortung. Und endlich traf er auch wieder: Gegen den 1.FC Köln oder den Hamburger SV war er nicht nur mit Traumpässen, sondern auch mit entscheidenden Toren für den (erfolgreichen) Spielausgang verantwortlich. Als es auf Rosicky ankam, war auf ihn Verlass. Kämpferisch und spielerisch – Rosicky wusste zu überzeugen!

Und da ärgert es den BVB-Fan – ganz im Gegensatz zum Spieler selbst – sicherlich nicht allzu sehr, dass den Tschechen die große WM-Bühne verwehrt wurde. Wer weiß, was ansonsten für verwirrende Angebote der europäischen Großeinkäufer beim BVB eingegangen wären. Für die kommende Saison wünschen wir Tomas Rosicky vor allem, dass er die vielen rüden Attacken seiner Gegenspieler weiterhin so schadlos übersteht und mit vielleicht noch ein wenig mehr Konstanz wesentlich öfter in der Torschützenliste auftaucht...

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