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BVB vor´m Rückrundenstart: Bescheidenheit ist Trumpf - Träume vom Titel sind bei uns tabu!

06.01.2001, 00:00 Uhr von:  BoKa
BVB vor´m  Rückrundenstart: Bescheidenheit ist Trumpf - Träume vom Titel sind bei uns tabu!

Mit Platz drei und punktgleich mit "Dauerabo-Meister" FC Bayern zur Winterpause, hat Trainerneuling Matthias Sammer den Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund bereits jetzt zurück in gewohnte Tabellenregionen geführt. Verpönt allerdings, sind beim 96´ger Europameister waghalsige Träume vom Titel. "Mit Reden hat noch keiner etwas gewonnen, und träumen sollte man zu Hause oder nachts. Es gibt keinen Grund bei uns, den Mund aufzureißen", formulierte Sammer gewohnt verheißungsvoll zum Auftakt der Rückrundenvorbereitung. Das Thema "Titelambitionen" erklärte er sogleich zum Tabu.

Dennoch: Gute Laune allenthalben. Die "WAZ" schrieb sogar euphorisch. "Wenn die Spieler die zurückliegenden Feiertage ähnlich gut überstanden haben wie ihr Denker und Lenker Matthias Sammer, dann steht der BVB vor einer großartigen zweiten Hälfte". Nun ja, da kommt doch [Vor-]Freude auf.

Besonderer „Weihnachtsschmuck“ in Dortmund

Aber Matthias, sooooo hoffnungslos war die Torausbeute in der Hinserie doch wohl auch nich...!

Zur Erinnerung: In der ersten Hälfte der neunziger Jahre hatte sich in Dortmund ein Brauch eingebürgert. Am 24. Dezember der Jahre 1991, 94 und 95 hängten sich die Fans die aktuelle Bundesliga-Tabelle unter den Weihnachtsbaum. In diesen Jahren war Borussia Dortmund als Tabellenerster, als "Weihnachtsmeister", in die Winterpause gegangen. Nach dem dritten Heimsieg in Folge, fünf Siegen und einem Remis aus den letzten sechs ungeschlagenen Spielen, träumt mancher Fan rund um´s Fußball verrückte Dortmund von einer Wiederholung. Nach dem Auswärtssieg im ersten Hinrundenspiel in Rostock, startet der BVB jedenfalls mit glänzend erarbeiteten Perspektiven hoffnungsvoll in die Rückrunde.

Der erfahrene ehemalige Weltklassespieler will sich als jüngster Trainer der Bundesliga von der derzeitigen Tabellensituation aber keineswegs blenden lassen: "Ich bin Realist. Wir sind noch lange nicht am Ende, es kann noch viel mehr kommen. Wir haben noch Platz in der Entwicklung nach oben. Die Spieler und ich - wir wissen noch gar nicht, was wir können", sieht er ein großes Potenzial in seiner Mannschaft. "Dass wir absolute Qualität besitzen und sie auch schon nachgewiesen haben, das behaupte ich einfach mal", meinte der Coach mit Blick auf die gute Auswärtsbilanz der schwatzgelben.

"Wir müssen noch wesentlich stabiler werden"

"Auf der anderen Seite sind wir noch nicht so gut, wie uns der Tabellenplatz glauben machen könnte", warnte Sammer, der vor Beginn dieser Saison als "Idealbesetzung" den Trainerposten beim Weltpokalsieger übernommen hatte, nachdem er zuvor gemeinsam mit "Trainerfuchs und Frührentner" Udo Lattek den BVB vor dem möglichen Absturz bewahrt hatte.

Der „Kokser“ bleibt der Defensivabteilung bis 2002 erhalten

"Davon zu sprechen, dass wir reif für den Titel sind, wäre ziemlich übertrieben. Bevor man über Titel redet, sollte man sich mit dem Wesentlichen befassen. Das heißt bei uns: Wir müssen stabiler werden", meinte der BVB-Coach. Gerade in den Spielen gegen die anderen Spitzenvereine habe seine Mannschaft "Anfängerfehler gemacht". Lediglich gegen Hertha BSC gewann der BVB, während es gegen den unbedeutenden Nachbarverein, den bayuwarischen Titelverteidiger, die Werkself und die Pfälzer Bauernelite zum Teil deftige Schmerzen setzte! Dazu kam noch eine "hausbackene Heimschwäche", weil die Borussen nur allzu häufig äußerst leichtfertig vor des Gegners Gehäuse mit ihren Chancen umgingen.

Im umgekehrten Fall aber "schwächelte" plötzlich auch noch der Deckungsverband in zunehmendem Maße und fing sich bei nur 29 geschossenen Toren sogar 25(!) ein. Eine Quote, wie sie eigentlich nur bei "Hammertruppen" der unteren Tabellenränge vorzufinden ist...

„Turbo“ Sörensen wird für neuen Schwung sorgen

Sammer erklärt Sörensen eindrucksvoll, wo´s in Dortmund lang geht...

Die fehlende Torgefährlichkeit soll der norwegische Neueinkauf Jan Derek Sörensen [Rückennummer 29] mit seinen feinen Dribblings wesentlich erhöhen, der am Donnerstag seinen Dienst in Dortmund antrat (schwatzgelb.de berichtete). Wohl rund 1,5 Millionen Mark soll die Dortmunder seine zwischenzeitliche "amnesische Träumerei" gekostet haben. Er gilt allerdings eher als Vorbereiter denn als Vollstrecker. "Matthes" will dem Dribbelkünstler, der bekanntlich 1999 in der Champions League in zwei Spielen drei Tore gegen uns geschossen hatte, "gewisse Freiheiten" einräumen.

Aufgalopp für eine neue Zeit: Stürmer Connor Casey und Jan-Derek Sörensen

Dem ablösefreien 19jährigen US-Amerikaner Connor Casey [Rückennummer 40] konnte man die Freude über seinen Wechsel zur Borussia aufrichtig abnehmen. Unglaublich aufgeregt sei er. Noch vor drei Jahren habe er die Dortmunder im Champions-League-Finale bestaunt. Erst einmal wolle er bei den Stars in die Lehre gehen. Also, lassen wir ihm Zeit und hoffen auf seinen Ehrgeiz, zunächst einmal die BVB-Amateure zum Regionalliga-Klassenerhalt zu bomben!

Mit „Papa UDO“ ist wieder alles im Lot!

Ausgeräumt hat Sammer inzwischen seinen Zwist mit Udo Lattek, der ihn nach der bösen 2:6-Niederlage in München öffentlich harsch kritisiert hatte. "Sich hinzustellen und Kritik zu üben, ohne Hintergrundwissen zu haben, was wir genau wollten, das ist mir zu einfach und zu oberflächlich. Deshalb habe ich eben zurückgebissen", verteidigte der Trainernovize aggressiv seine seinerzeitigen verbalen Konter, die jedoch nichts an seinem guten Verhältnis zu Lattek geändert hätten, was er mit dem Zitat:. "Ich respektiere ihn. Lattek weiß, was ich von ihm halte und wie dankbar ich ihm bin", mehr als deutlich untermauerte.

„Matthes“ und Trainer-Legende Udo Lattek beim strategischen Gespräch
Außerdem hat er sich eine ganze Reihe grundlegender Veränderungen auf seine Fahnen geschrieben. Neben den fachlichen Qualitäten, versucht der einstige Musterprofi Sammer seinen Spielern auch andere Werte zu vermitteln: "Wenn sie Fehler machen, sollen sie auch dazu stehen und nicht stereotyp etwas herunterleiern, um den knallharten Profi darzustellen. Von der Söldnermentalität, vom eiskalten Profidenken müssen wir wegkommen. Mit Eiseskälte erreichen wir nichts." Allerdings, ob da wirklich jeder zugehört hat? Zweifel dürften erlaubt sein...


Aber wer weiß, vielleicht bricht Sammer ja auch eines Tages mit den etablierten Standards und befreit die immer in großer Stückzahl vertretenen Fans von dem dösigen Gitter am Ende des Trainingsgeländes. Und wenn das wirklich mal so weit kommt, wird ja vielleicht auch noch „Oberarsch“ Gerd Brosky frühpensioniert, wenn wir schon gerade dabei sind familienfreundlicher zu werden... Schöner Traum! ;-)

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