Unsa Senf

Nur Hitzfeld kann entlassenen Daum beerben - Sensationelle Wende in der Daum / Hoeneß-Affäre

22.10.2000, 13:00 Uhr von:  BoKa

Die Nachrichtenagentur „dpa“ meldete es lapidar: „Nach der positiven Haaranalyse bei Christoph Daum haben Fußball-Bundesligist Bayer Leverkusen und auch der Deutsche Fußball-Bund ihre Zusammenarbeit mit dem Trainer aufgekündigt“. Aber diese Nachricht löst ein Erdbeben aus, weit schlimmer noch als der Skandal des FC Meineid aus der Nachbarstadt im Jahre 1972. Jetzt kann der deutsche Fußball nur noch zum „finalen Befreiungsschlag“ ausholen, will er jetzt die Wende zu einem sauberen Neuanfang schaffen. Die Antwort ist einfach. Sie heißt: Ottmar Hitzfeld!

Der 9. Spieltag hat seine Sensation. Allerdings außerhalb des Rasens. Die wohl denkwürdigste Schlammschlacht der deutschen Fußballgeschichte ist beendet - durch einen Paukenschlag, mit dem so wohl keiner gerechnet hat. Ein sichtlich angeschlagener und mit den Tränen kämpfender Bayer-Manager Reiner Calmund, verkündete auf einer hastig einberufenen Pressekonferenz: „Christoph Daum ist ab sofort nicht mehr Trainer von Bayer 04 Leverkusen“ und nur eine knappe Stunde später löste auch der DFB unverzüglich seine Vereinbarungen mit Daum. Rudi Völler übernimmt nun in Abstimmung mit dem DFB (Mayer-Vorfelder: Ich bin persönlich sehr getroffen. Das Ganze ist eine menschliche Tragödie. Ich habe Christoph Daum über all' die Jahre immer vertraut und auch seiner nachdrücklichen Versicherung geglaubt, daß an den aufgekommenen Gerüchten nichts Wahres dran sei.) „ab sofort und bis auf weiteres“ zusätzlich das Traineramt in Leverkusen.

Der 46-jährige Daum hatte Calmund am Freitagabend über das positive Ergebnis der von ihm abgegebenen Haarprobe informiert und um sofortige Entbindung von allen Aufgaben gebeten. Prof. Wilhelm Schänzer, vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Köln hatte ihm am Freitagnachmittag die Ergebnisse seiner Haarprobenanalyse übermittelt. Dabei hatte es gestern zumindest noch den Anschein, als sei er der sichere Sieger. Da sagte der Kölner Dopingfahnder noch: „Ich hätte das an Daums Stelle nie getan. Von einem freiwilligen Test würde ich jedem abraten. Zumal man sowieso nicht 100prozentig beweisen kann, dass man nichts gemacht hat. Bei Blut und Urin-Werten ist der Nachweis von Drogen wie etwa Kokain nur ein bis drei Tage nachweisbar. Auch eine Haaranalyse kann Drogenkonsum nur etwa bis zu einem Jahr kenntlich machen.“ Aber der Mediziner irrte. Die Konsequenz: Daum (inzwischen ins Ausland geflüchtet) ließ auf der Pressekonferenz vom „Paten“ eine persönliche Erklärung verlesen.

Daum´s Erklärung im Wortlaut:

Die Erklärung von Christoph Daum im Original
"Das Institut für Rechtsmedizin der Universität zu Köln hat mir am gestrigen Nachmittag die Ergebnisse meiner Haaranalyse zukommen lassen. Aufgrund der mir vorliegenden Daten, die ich anzweifle und mit einer zweiten Propbe wiederlegen werde, sehe ich mich nicht mehr in der Lage, meine Tätigkeit bei Bayer Leverkusen fortzusetzten. Ich habe die Geschäftsleitung um die sofortige Entbindung von meinen Aufgaben gebeten. Dieser Bitte ist entsprochen worden."

(Christoph Daum, den 21. Oktober 2000)

Überall in der Bundesliga herrschte Betroffenheit. Damit versetzte er die deutsche Fußball-Welt in einen Schockzustand und löste allerorts Bestürzung und Mitleid aus. Für den FC Bayern äußerte sich Ottmar Hitzfeld: „Ich war sehr betroffen über das positive Ergebnis des Tests. Ich hoffe, dass er gut aus der Sache als Mensch rauskommt. Dabei muss man ihn unterstützen. Der Mensch Daum steht im Vordergrund“. Nein Ottmar, der Mensch Hitzfeld!

Denn es steht jetzt wohl außer Frage, dass nur der erfolgreichste Trainer des letzten Jahrzehnts den ramponierten Ruf des deutschen Fußballs retten kann. Ottmar Hitzfeld (51) als Bundestrainer? Der Bayern-Coach wiegelte zuletzt immer wieder ab: „Ich habe in München auch deshalb bis 2003 verlängert, um diese Diskussion gar nicht erst hochkommen zu lassen.“ Doch ist das die Wahrheit? Der stets elegante Gentleman, ehemaliges Markenzeichen beim BVB, beiger Trenchcoat, will nur eins - den absoluten Erfolg! Sein Stil: Nach außen hin ruhiger Analytiker. Ein Mann mit präzisen Anweisungen und ohne Angst vor großen Namen. Als "Wolf im Schafspelz", hat ihn sein ehemaliger Trainer-Kollege Friedel Rausch mal charakterisiert. Urs Meier, der mit Hitzfeld früher in Zürich spielte: "Wenn er ausbricht, vergißt er seinen Akademiker-Wortschatz." Auch so kann er also sein.

Übrigens: Als Schauspieler wäre der Meistertrainer gern wie Jack Nicholson - "unberechenbar!" Ottmar Hitzfeld, ein Mann mit Ecken und Kanten, geradezu prädestiniert für diese heikle „Mission deutscher Fußball“.

Der Fall Christoph Daum. Er hat Deutschlands Fußball verändert und wird die Boulevard-Medien jetzt noch mehr beschäftigen. Das letzte Wort jedoch, gebührt heute BVB-Coach „Matthes“ Sammer: „Mein Freund wird er immer bleiben und jetzt noch mehr!"

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