Warmlaufen

Der BVB empfängt Bodø/Glimt Die Schwarz-Gelben aus dem Norden

08.12.2025, 13:09 Uhr von:  Anton
Die Schwarz-Gelben aus dem Norden

Statt Schneeballschlacht am Polarkreis heißt Borussia Dortmund am Mittwochabend einen gänzlich neuen Gegner im Westfalenstadion willkommen. Was macht den Verein aus der Stadt mit langen Nächten und eisigen Temperaturen aus? Unser Vorbericht.

Jetzt mal vollkommen ehrlich: Wie viele Nicht-Fußballfans könnten sagen, in welchem der skandinavischen Länder die Stadt Bodø liegt? Ich vermute, es wäre ein enges Rennen zwischen dem Prozentsatz der Leute, die diese Frage beantworten könnten, und der wöchentlichen Spielzeit von Fábio Silva.

Die norwegische Provinzstadt mit ein wenig mehr als halb so vielen Einwohnern wie Castrop-Rauxel liegt nördlich des Polarkreises. Neben Polarlichtern hat die Hauptstadt der Region Nordland auch den Achtungserfolg der Europäischen Kulturhauptstadt 2024 zu bieten. Leider hat der Computer der UEFA der Dortmunder Fangemeinde die Möglichkeit auf eine Schneeballschlacht vor dem Stadion verwehrt, und folglich werden einige Norweger*innen sich auf den langen Weg nach Dortmund machen.

Zwar hat Bodø am letzten Spieltag vor einer Woche offiziell die erste Meisterschaft nach vier Erfolgen in Serie an Viking FK abgeben müssen, aber die Erfolge national und international in den letzten Jahren drängen dennoch eine Frage auf:

Warum ist ein norwegischer Provinzverein – ohne einen großen Investor im Rücken wohlgemerkt – in den letzten Jahren zur treibenden Kraft im norwegischen Fußball geworden?

Die norwegische Dreifaltigkeit besteht aus einem Ansatz aus Psychologie, regionalem Bezug und Datenanalyse. Dabei ist insbesondere der Trainer zu nennen. Ohne eine nennenswerte Karriere als Spieler startete Kjetil Knutsen seine Trainerkarriere beim Fünftligisten TIL Hovding. Nach weiteren Stationen bei Vereinen, deren Aussprache dem gemeinen Westfalen einem Zungenbrecher gleichkommt, landete er als Assistent bei Bodø, wo er 2018 zum Cheftrainer aufstieg. Er ist eines der besten Beispiele dafür, was Geduld und Entwicklung in einem Verein bewirken können. Das Interessante an Knutsens Philosophie ist, dass er nie über Ergebnisse spricht. Seit seiner Anstellung hat er laut Sportdirektor Ørjan Berg kein einziges Mal das Wort „Sieg“ auf einer Pressekonferenz oder im TV-Interview benutzt. Es wird rein über die Leistung geredet und darüber, wie gut sie gespielt haben. Im Norden Norwegens ist man überzeugt, dass dies der Grund ist, warum man sich von einer Fahrstuhlmannschaft zu einem Verein entwickelt hat, der fest zum Establishment des europäischen Fußballs gehört.

Wer mehr über die Geschichte des Vereins erfahren will, dem sei eine der (zahlreichen) wirklich exzellenten Dokumentationen von Eli Mengem und Copa90 empfohlen.

Rein spielerisch kann man vieles von Knutsens Spielvorstellung auch in der aktuellen U19 von Borussia Dortmund finden. Während der Spielaufbau aus einem klassischen 4-3-3 heraus vonstattengeht, schieben zunächst die Außenverteidiger auf eine Höhe mit dem Sechser, während sich die beiden Achter sowie die restlichen offensiven Spieler primär auf das Angriffsdrittel beschränken. So sind im Aufbau alle wichtigen Räume besetzt, und es kann das im modernen Fußball eigentlich zum Standard gewordene Angriffsspiel mit mindestens fünf Spielern genutzt werden. Tatsächlich sind es zumeist allerdings mehr, da die beiden Außenverteidiger im eigenen Ballbesitz von Zeit zu Zeit noch höher schieben, um zusätzliche Optionen und besonders Breite im Spiel auf der ballfernen Seite zu schaffen.

Der wichtigste Teil im Spiel von Bodø/Glimt ist allerdings das Pressing. Das Anlaufverhalten verändert sich je nachdem, wo Bodø den Ball gerne haben möchte: auf außen oder im Zentrum. Immer wieder ist zu beobachten, dass einer der beiden Flügelspieler den ballspielenden Innenverteidiger anläuft und damit zeitweise das 4-3-3 in eine Rautenformation umwandelt. Das erfordert viel Laufarbeit der beiden Achter, aber der Erfolg gibt ihnen recht. Haben sie den Ball zurückerobert, geht viel über kurze Pässe und eine hohe Ballbesitzquote (oft über 60 %). Selbst in Niederlagen in der Champions League wie beispielsweise bei Galatasaray beendeten sie das Spiel mit 62 % und annähernd doppelt so vielen Pässen.

Es bleibt abzuwarten, inwiefern Knutsen sich an die Gegebenheiten anpasst, die ein Gegner wie Borussia Dortmund mit sich bringt. Die individuelle Klasse spricht ganz klar für Schwarzgelb, aber auch das hat in dieser Saison nicht immer ausgereicht. 

Die Tabellenkonstellation ist klar: Mit einem Sieg können sich die Fans der Borussia schon sehr sicher Urlaub für die Zwischenrunde vormerken, wobei es auch gute Chancen gibt, diese zu überspringen. Bodø dagegen muss schleunigst anfangen zu gewinnen, wenn sie in Europa überwintern wollen. Wobei dies selbst mit einem Sieg im Westfalenstadion ein schweres Unterfangen wäre. Wenn sich der aktuelle Trend fortsetzt, können sich Fans beider Mannschaften auf viele Tore einstellen. In allen Spielen der Champions League mit Beteiligung von Borussia Dortmund fielen in dieser Saison vier Tore für mindestens eine der beiden Mannschaften. Es bleibt zu hoffen, dass es diesmal wieder das richtige Schwarz-Gelb ist, dass zum Jubeln abdreht. 

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