Warmlaufen

RWE gegen den BVB Der Feind meines Feindes ist mein Freund

15.08.2025, 10:21 Uhr von:  Emily  
Der BVB-Block beim Spiel in Essen 2008 mit dem Banner davor "In Essen geboren um für Dortmund zu sterben"

Als der BVB zuletzt ein Pflichtspiel gegen RWE gespielt hat, hießen die Torschützen Valdez und Kringe. Ein Ausblick in die Vergangenheit...

Die Freundschaft zu RWE ist vermutlich etwas einseitig. Während man von Dortmunder Seite sehr wohlwollend auf den Zwilling schaut, der bei armen Eltern aufgewachsen ist, während man selbst im Palast mit Goldlöffeln gefüttert wurde, dürfte in Essen eher eine Art Toleranz gegenüber den Dortmundern vorhanden sein. Es geht um Minderwertigkeitskomplexe, Überheblichkeitsgefühle und alles was dazugehört zu einer Beziehung zwischen zwei Vereinen, die sich eigentlich unglaublich ähnlich sind, aber total andere Wege beschritten haben. Der BVB und RWE, Ying und Yang, Glück und Pech, durchgemogelt und hinten runtergefallen, zur rechten Zeit am rechten Ort und im schlimmsten Moment betrogen. So ähnlich und doch so unglaublich verschieden.

Viele Dortmunder sind regelmäßig in Essen im Stadion, teilweise sogar Mitglied bei RWE, man fühlt sich verbunden, man hat das Gefühl, dem Verein helfen zu wollen, weil man ihn so viel lieber als echten Konkurrenten hätte, als der ganze Plastik, der in der Bundesliga so rumläuft und natürlich viel, viel, viel lieber als die Blauen.

Die sind dann auch der gemeinsame Nenner. Der Feind meines Feindes ist mein Freund und weil wir beide die Blauen mehr hassen als alles andere, kann man vermutlich auch von Essener Seite nicht anders, als gewisse Sympathien zu hegen. Und sei es nur deswegen.

Durch die unterschiedlichen Wege, die man beschritten hat, gab es kaum Kreuzungen. Doch 2008 war es endlich wieder soweit: es kam zum ersten Pflichtspiel seit 1982, wir machten uns auf zur ersten Runde DFB-Pokal in Essen.

Der Torhüter steht vor dem BVB-Block im alten Stadion in Essen, die Fans im Stehblock haben die Hände in der Luft

Wir hatten uns auf das Spiel gefreut, ein Ruhrpottderby gegen Freunde zu spielen ist eine Seltenheit und wir hatten erwartet, dass es ein spezielles Spiel werden würde. Am Essener Bahnhof angekommen wurde jedoch schnell klar, dass die Polizei das Memo nicht bekommen hatte... Am Bahnhof standen Busse bereit, die uns zum Stadion eskortieren sollten und wir fragten verwirrt nach, warum wir uns nicht frei bewegen durften. "Das ist ein Derby, wir erwarten Ausschreitungen, seien Sie vorsichtig und befolgen Sie die Anweisungen" so oder so ähnlich kam die Antwort der anwesenden Polizeibeamten. Äh, was? Derby, ja, sicher, aber wir sind nicht verfeindet! Es wurde uns nicht geglaubt, stattdessen wurden wir wie in GE in Bussen durch die Stadt gekarrt und am Auswärtsblock rausgelassen. "Tschuldigung, wir haben Sitzplatzkarten, wie kommen wir denn dahin?" - "Gehen Sie einmal ums Stadion, hinter der Tribüne der Essener durch, schon sind Sie da." Ah, ok, alles klar. Am Stadion angekommen, wurden scheinbar keine Ausschreitungen mehr befürchtet oder man hat uns absichtlich den Löwen zum Fraß vorgeworfen. Wie auch immer, wir taten das, was wir in Gelsenkirchen ganz sicher niemals so getan hätten (soviel zum Thema Derby) und gingen in unseren Trikots hinter der Ultra-Tribüne entlang auf unsere Plätze. Zu unserer gigantischen Überraschung (nicht) wurden wir dabei nicht mal angefeindet, geschweige denn angegriffen.

Im Stadion waren wir dann sehr erleichtert zu sehen, dass die Essener im Gegensatz zur Polizei durchaus von einem freundschaftlichen Spiel ausgingen. Zu unserer Überraschung waren sowohl Nobby, als auch Emma auf dem Rasen und Nobby hatte sogar ein Mikrofon. Nachdem das übliche Vorgeplänkel, die Mannschaftsaufstellungen und Vorspiel-Rituale durch und die Fans bereit waren, kam aus den Lautsprechern dann (die Originalversion von) "Am Tag als Conny Kramer starb". Ein Aufschrei ging durchs Stadion und Heim- und Auswärtsblöcke stimmten gemeinsam ein, um alle drei Strophen zusammen zu singen. Ein Einklang von Hass, der so wunderschön war und so typisch Ruhrpott-Fussball, dass einem das Herz aufging. Strahlende Gesichter allenthalben und nur eine kleine Dissonanz, wann immer im Refrain die Essener "Essener" und die Dortmunder "Borussen" sangen.

Florian Kringe in Grossaufnahme mit dem Ball, im Hintergrund steht Hajnal bereit, ein Essener schaut von der Seite zu

Das Spiel selbst war wie zu erwarten einseitig, wenn auch vielleicht nicht ganz so sehr, wie der BVB gehofft hatte. Die Borussia spielte zu dem Zeitpunkt 3 Klassen höher als RWE und dafür hielten sich die Essener wacker, am Ende war der Unterschied dann aber doch zu groß und nach dem Ausgleich in der ersten Halbzeit, konnte der Regionalligist auf die erneute Führung von Kringe und ein weiteres Tor von Valdez nicht mehr reagieren. Das spielerisch Bemerkenswerteste an diesem Tag, war jedoch die (gefühlt) schnellste rote Karte der Geschichte. Als in der 71. Minute Sadrijaj eingewechselt wurde, hatte der die Worte des Trainers wohl leicht missverstanden. Die Art von "motiviert", die der Eingewechselte an den Tag legte, war eher für die 3. Halbzeit angemessen und so flog er nach ein paar Sekunden gleich mit Rot vom Platz. Das änderte am Spiel wenig, wird aber für immer für Rekorde sorgen. Zumal er danach kaum mehr Spiele für den BVB absolviert hat und wohl einer der BVB-Spieler mit den wenigsten Einsatzsekunden geblieben sein dürfte (Statistiker dürfen gerne nachforschen, wie lange er tatsächlich insgesamt gespielt hat und ob das irgendwelche Rekorde sind).

Wenn am morgigen Montag der BVB wieder auf RWE trifft, dürfen viele Voraussetzungen von 2008 noch ziemlich ähnlich sein. Der Klassenunterschied ist noch da, aber (auch zur Freude der Dortmunder) ein wenig geschrumpft und es sind nur noch zwei Ligen. Die Freundschaft zwischen den Vereinen beruht noch immer auf dem Motto "der Feind meines Feindes ist mein Freund" und die Polizei wird wohl das Memo wieder nicht bekommen haben. Vielleicht erklingt Conny Kramer, über die Stadionlautsprecher, vielleicht kommt man auf die Idee, Nobby wieder ein Mikrofon zu geben (ich lasse es mal dahingestellt, ob das eine gute Idee wäre), vielleicht findet man wieder die Gemeinschaft in den Unterschieden und im Hass, von dem Außenstehende nie verstehen werden, wie gut er sich anfühlt, wenn man ihn teilt.

Wie auch immer sich der Tag entwickeln wird, es wird immer schön bleiben, gegen RWE zu spielen und in Dortmund wird man immer darauf hoffen, das nach 1977 irgendwann auch wieder in der ersten Liga tun zu können.

Unterstütze uns mit steady

Weitere Artikel