
Da haben wir doch noch das geschafft, wovon vor zehn Spieltagen keiner mehr zu träumen gewagt hat: ein Finale. Nunja, kein offizielles Finale. Es gibt keinen Pokal und keine Schale zu gewinnen, „nur“ einen dicken Sack voller Geld. Die Konstellationen sind alle schon durchgekaut worden und bekannt. Sicher ist nur, dass wir gegen Holstein Kiel tunlichst gewinnen sollten, um erneut in die Königsklasse einzuziehen. Dass wir in der Liga jetzt schon seit sieben Spielen ungeschlagen sind, davon sechs gewonnen haben, zuhause wieder eine Macht sind und der Gegner bereits als Absteiger feststeht, spricht deutlich für ein Gelingen. Aber dann ist da ja noch Mainz…
Wir erinnern uns – auch wenn wir es nicht wollen: Vorletzte Saison mussten wir im letzten Spiel auch „nur noch“ zuhause gegen Mainzer, die schon halb in Badeschlappen und mit gepackten Koffern angereist waren, gewinnen und hätten uns erneut Deutscher Meister nennen dürfen. In der Woche davor drehte sich in den Gesprächen vieles darum, wo und wie man den Titel denn feiern würde, wann der Korso um den Borsigplatz zieht und wie toll es doch sei, in der Tabelle mal wieder vor den Bayern zu stehen. Kaum einer hatte auf der Rechnung, dass der Karnevalsverein die Sache durchaus sportlich angehen und uns in die Suppe spucken würde. So wurde aus der geplanten Party ein handfestes Trauma.
Verlieren gehört dazu
Aber welcher Verein hat solche Momente nicht? Jeder Fan eines Vereins wird Erinnerungen parat haben an Spiele und Saisonverläufe, in denen es irre Wendungen mit unglaublichen Enden gab – und dazu gehört dann zwangsläufig auch eine Gegenseite, die diese Geschichte als schmerzhaftes Scheitern aufgefasst hat. In der spanischen Hafenstadt dürfte die Erwähnung des „Malagaspiels“ zum Beispiel deutlich weniger leuchtende Augen verursachen als bei uns. Borussia Dortmund hat Meisterschaften, nationale und internationale Pokale gewonnen. Das schafft man nicht, wenn man nicht auch in vielen Spielen, in denen es um „die Wurst“ ging, erfolgreich gearbeitet und sie gewonnen hat.
Ja, wir haben es gegen Mainz amtlich verkackt. Wir waren arrogant, selbstgefällig und überheblich. Das lässt sich nicht wegdiskutieren. Drauf gesch…. Wollen wir das jetzt wirklich zukünftig bei jedem Spiel, bei dem es was zu gewinnen gibt, als Menetekel hervor zerren und uns selbst kasteien? Die Lehre aus der verpassten Meisterschaft ist eigentlich eine Binsenweisheit: Jedes Spiel muss konzentriert angegangen und darf nicht schon vor dem Anpfiff als gewonnen angesehen werden. War vielleicht ganz gut, uns allen das mal wieder so drastisch vor Augen zu führen.
... aber es darf nicht lähmen
Es wäre aber fatal, wenn sich daraus eine Gewissheit entwickeln würde, dass wir „Endspiele“ auch dann verlieren, wenn wir als deutlicher Favorit ins Spiel gehen. Das lähmt und wird zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Es setzt negative Energien frei, die dafür sorgen, dass man bei einem Gegentor resigniert denkt „es läuft wie befürchtet“, statt „kommt schon, wir drehen das Ding.“
Die Mannschaft hat in den letzten zwei Monaten den Eindruck gemacht, als habe sie verstanden, dass es nur über konzentriertes Arbeiten geht und es sich verdient, eine breite Brust zu haben. Anders als in den Wochen vor Mainz, in denen man unter anderem in Überzahl eine 2:0-Führung gegen Stuttgarter, die damals nur knapp dem Abstieg entgangen sind, verspielt hat, taumelt man nicht über die Ziellinie und versucht etwas rüber zu retten, sondern hat zum richtigen Zeitpunkt die richtige Souveränität im Spiel gefunden. Damit hat sich die Mannschaft auch ein Stück weit das Vertrauen verdient, dass sie diese Souveränität auch Samstag auf den Platz bekommt.
Vielleicht wäre es ein guter Zeitpunkt, die Erinnerungen an Mainz zur Seite zu stellen und stattdessen durch positive, starke Gedanken zu ersetzen. An Norbert Dickel, der Werder im Pokalfinale einschenkt. An Lars Ricken, der den Ball über Peruzzi lupft. An Santana, der das Westfalenstadion mit seinem Tor zum Beben bringt, oder an Robert Lewandowski, der drei Tore im Pokalfinale gegen die Bayern schießt.
Mit diesem Spirit klappt‘s auch gegen Holstein Kiel.
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