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Sicherheit im Stadion Die Innen- und Sportminister drehen frei

27.10.2025, 11:27 Uhr von:  Sascha  
Banner: Die Statistiken lügen nicht: Das Stadion ist sicher Abrüstung statt Populismus!

Die Politik plant drastische Maßnahmen gegen Fußballfans - von personalisierten Tickets bis zu Stadionverboten ohne Urteil. Ein gefährlicher Angriff auf Rechtsstaatlichkeit und Fankultur.

Bereits seit über einem Jahr laufen Gespräche zwischen der DFL und dem DFB auf der einen, sowie Mitgliedern der Innen- und Sportministerkonferenzen auf der anderen Seite darüber, wie man den Aufenthalt in deutschen Stadien wieder sicher machen kann. Dabei scheint man die aktuelle Studie der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze, die rückläufige Einsatz- bei steigenden Zuschauerzahlen ausweist, ebenso gekonnt zu übersehen wie Fragen nach Sinnhaftigkeit und Rechtsstaatlichkeit.

Nun ist es nicht gerade eine neue Erkenntnis, dass Heerscharen von Innenminister auf Länderebene den Fußball dazu nutzen, ihre dürftige politische Erfolgsbilanz durch möglichst markige Law-and-Order-Ankündigungen in Richtung von Fußballfans aufzupolieren und sich gegenseitig mit zum Teil absurden und realitätsfernen Maßnahmen zu überbieten. Neu ist an der aktuellen Situation, dass man dieses Mal einen wirklichen Hebel in der Hand hat. Im Januar hat das Bundesverfassungsgericht letztinstanzlich entschieden, dass Länder die Kosten für Polizeieinsätze bei Fußballspielen an die Vereine weiter berechnen dürfen. Das würde die Vereine dort treffen, wo es für sie am schmerzhaftesten wäre – auf dem Bankkonto. Mit der Drohung saftiger Rechnungen in der Hinterhand scheint man sich sicher zu sein, ein gutes „Argument“ in der Hand zu haben, um die Vereine zuverlässig zur eifrigen Mitarbeit zu animieren. Und zwar so sicher, dass man auch weit über das Ziel hinausschießt und den Boden der Rechtsstaatlichkeit zu verlassen gewillt ist.

Personalisierte Tickets – Sicherheit oder Symbolpolitik?

Im Kern geht es um zwei mögliche Maßnahmen, die höchst zweifelhaft sind. Zum einen eine verpflichtende Personalisierung von Eintrittskarten und zum anderen ein verpflichtendes Stadionverbot von mindestens drei Monaten bei der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Besonders der zweite Punkt lässt einen ziemlich (ver-)fassungslos mit dem Kopf schütteln, doch dazu später mehr. Zuerst einmal zum Klassiker, der personalisierten Eintrittskarte. Hier gibt es immer noch keine konkrete Angabe, was diese Maßnahme überhaupt bringen soll. In Ländern wie Polen oder Italien sind personalisierte Tickets bereits seit vielen Jahren Standard. Man kann aber nicht wirklich behaupten, dass seitdem Pyrotechnik aus dem Fußball verschwunden ist. In den Kurven brennen die Fackeln weiter munter, Gewalt innerhalb des Stadions kommt eh kaum noch vor. Der Effekt dieser Maßnahme ist, wenn er überhaupt existiert, kaum messbar.

Dabei ignoriert die Politik verschiedene Umstände: Zum einen ist der Großteil der Tickets schon heutzutage über einen hohen Anteil an Dauerkarten und durch den Bezug über Online-Ticketsysteme personalisiert. Es werden schlichtweg kaum noch Tickets verkauft, die man nicht bereits jetzt schon mit einem Käufernamen verknüpfen kann. Stattdessen verkompliziert man damit Abläufe und ignoriert schlicht das Problem der Umsetzbarkeit. Eine kurzfristige Weitergabe von Eintrittskarten, zum Beispiel im Krankheitsfall im Bekanntenkreis, wird dadurch erschwert, oder sogar unmöglich gemacht, wenn die Person, die die Tickets übernimmt, damit rechnen muss, am Eingang abgewiesen zu werden. Zumindest dann, wenn großflächig am Eingang geprüft wird, ob der Name auf dem Ticket mit dem im Personalausweis übereinstimmt. Wie das allerdings an einem Standort wie Dortmund funktionieren soll, bei dem 80.000 Menschen bauseitig bedingt nur auf zwei Stadionseiten das Gelände betreten können, bleibt ein Geheimnis der Innen- und Sportminister. Beim BVB wird man dann wohl die „Happy Hour“ mit günstigen Getränkepreisen eher zum Frühschoppen umfunktionieren müssen.

Stadionverbote ohne Urteil – der Rechtsstaat wankt

Richtig übel wird es aber bei der Forderung, dass zukünftig bereits die bloße Einleitung eines polizeilichen Ermittlungsverfahrens zu einem Stadionverbot für mindestens drei Monate führen soll. Ja, richtig – eine Strafe, die völlig unabhängig von Vergehen und Beweislage bereits präventiv verhängt werden soll. Vermutlich wird es gar nicht so wenig Menschen geben, die dabei nur mit den Schultern zucken und das durchaus als angemessen halten, um „Gewalttäter“ aus den Stadien zu vertreiben. Aber so einfach und plakativ ist das alles nicht. Das zeigt zum Beispiel dieser Fall aus Nürnberg, bei dem ein Jugendlicher von einer Zivilstreife dabei beobachtet wurde, wie er beim Fahrradfahren auf einem Radweg unterwegs einen Sticker des FCN auf ein Straßenschild klebte. Neben einem Ordnungsgeld und einer Rechnung über die Reinigungskosten gab es am Ende richterlich noch ein Stadionverbot obendrauf, weil der Jugendliche eine Dauerkarte im Max-Morlock-Stadion besaß und das Stickermotiv einen Fußballbezug hatte. Nun kann man grundsätzlich schon in Zweifel ziehen, ob Stadionverbotsrichtlinien jemals dazu gedacht waren, Bagatelldelikte abseits des Spieltags zu sanktionieren, zudem zeigt dieser Fall eindrücklich, was für ein machtvolles Instrument die Polizei hier in die Hand bekommen würde.

In Zukunft wäre es möglich, eine Gruppe sichtbarer Fußballfans, die an diesem Schild nur vorbei gehen, präventiv für drei Monate aus dem Stadion zu verbannen, wenn man sie nur pauschal beschuldigt, diese Sticker geklebt zu haben. Nun wird das in der Realität wohl keine Auswirkungen für Familien mit Kind auf dem Weg zum Stadion haben, aber schon Personen, die mit ihrer Kleidung zumindest dem Szeneumfeld zugerechnet werden können, zum Beispiel über eine Mütze mit der Aufschrift „Bündnis Südtribüne“, würden dann latent Gefahr laufen, einfach mal als Beifang aus dem Verkehr gezogen zu werden.

Die Regierungen der Bundesländer sind an dieser Stelle dringend aufgerufen, ihre Kettenhunde in den Ministerien wieder zurückzupfeifen und zu einer sach- und rechtsgemäßen Arbeit anzuhalten. Gerade in Zeiten, in denen das Vertrauen in die Qualität der führenden Volksparteien schwindet, ist es absolut kontraproduktiv, Maßnahmenpakete zu erlassen, die weder zielführend, noch mit Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit vereinbar sind. Natürlich kann man sich viel schwerer als „Hand, die die Zügel straff führt“ darstellen, wenn man sich zum Beispiel für einen Zeugenschutz für Mitarbeiter der Fanprojekte einsetzt, aber man würde den Eindruck von Kompetenz und ergebnisorientierter Arbeit vermitteln.

Die Vereine und Verbände wiederum sind dazu aufgerufen, das Fähnchen nicht in den Wind zu hängen und bereitwillig alles abzunicken, was die Konferenz gewogen stimmt. Zeigt einmal, dass Haltung für Euch nicht nur ein Wort mit sieben Buchstaben ist!

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