Unsa Senf

Die DFL und das Bundeskartellamt 50+1 darf und muss bleiben

17.06.2025, 18:41 Uhr von:  Sascha  
Im Vordergrund der Rasen mit einem Spieler und den Werbebanden. An der Mauer zur Tribüne, auf der viele gelbe Sitze leer sind, ein Banner mit der Aufschrift "50+1 muss bleiben"

Das Bundeskartellamt hat das Ergebnis eines Gutachtens zur Umsetzung der 50+1-Regel veröffentlicht. Die Regel ist grundsätzlich in Ordnung - nur nicht die Umsetzung. Auf die DFL kommen jetzt spannende Zeiten zu.

An wohl kaum einem anderen Thema wird der Richtungsstreit zwischen „Traditionalisten“ und „Kapitalisten“ im deutschen Profifußball so deutlich wie an der 50+1-Regel, die grob vereinfacht aussagt, dass auch bei ausgegliederten Kapitalgesellschaften der Mutterverein immer eine Mehrheit von mindestens einer Stimme besitzen muss. Für die Einen ein fundamentaler Baustein zur Mitbestimmung durch die Vereinsmitglieder, für die Anderen ein Hemmschuh im Wettbewerb mit anderen europäischen Ligen, die ihren Vereinen unbegrenzten Zugang für Investoren ermöglichen. Erschwert wird die ganze Diskussion durch zwei Ausnahmen im Regelwerk für den VfL Wolfsburg und Bayer Leverkusen, die komplett in Konzernbesitz sind. Diese Unwucht im Wettbewerb rief bereits in der Vergangenheit das Bundeskartellamt auf den Plan, das Nachbesserungen an der Regelung einforderte. Vor einiger Zeit bat deshalb die DFL ihrerseits das Bundeskartellamt um ein Gutachten, ob der derzeitige Stand ausreichend und aus Sicht der Wettbewerbshüter nicht zu beanstanden ist. Das Ergebnis dieses Gutachtens wurde gestern veröffentlicht und dürfte nicht gerade für Freudensprünge in Frankfurt gesorgt haben.

Das Bundeskartellamt moniert Umsetzung

In Kurzform bestätigt das Bundeskartellamt, dass die 50+1-Regel grundsätzlich statthaft und in diesem Falle eine Ausnahme vom Kartellrecht möglich ist. Das Gutachten fordert allerdings eine konsistente und einheitliche Anwendung ein. Für die Vereine aus Wolfsburg und Leverkusen heißt das, dass nach neuster Rechtsprechung kein Bestandsschutz mehr für diese beiden Clubs möglich ist. Perspektivisch ist auch dort sicherzustellen, dass zukünftig für alle Mitglieder offene Muttervereine das Sagen haben. Dieser Punkt ist insofern interessant, als dass damit auch zwei andere Vereine in den Blickpunkt gerückt sind. Zum Einen Hannover 96, wo Investor und bis 2024 Geschäftsführer Martin Kind bei der DFL-Abstimmung zur Aufnahme von Investoren entgegen den Vorgaben des Hannover 96 e.V. gestimmt hat und zum Anderen der Brauseclub aus Leipzig. Dort gibt es zwar einen Mutterverein, es ist aber nahezu unmöglich, dort stimmberechtigtes Mitglied zu werden. In seinem Gutachten hat das Bundeskartellamt also deutlich gemacht, dass es nicht ausreichend ist, 50+1 irgendwie rein formell zu erfüllen. Letzten Endes stellt das Bundeskartellamt also nur etwas fest, was viele Befürworter von 50+1 eh schon lange anprangern.

Anzeigetafel im Retrostil mit pixeligen Buchstaben und dem Text "BV Borussia 09 Rasenball Leipzig 1:0"

Dabei ist eine Unterscheidung wichtig: Es handelt sich hierbei nur um ein Gutachten mit Empfehlungen, wie die DFL die Regelung langfristig auf rechtssichere Füße stellen kann. Es stellt jedoch keine Einleitung eines Verfahrens dar. In dieser Hinsicht äußert sich der Präsident des Bundeskartellamtes Andreas Mundt auch sehr zurückhaltend und spricht von einer Hilfestellung. Allerdings sollte es sich die DFL mit diesem Status nicht zu bequem machen. Es wäre ziemlich erstaunlich, wenn das Bundeskartellamt in einem Gutachten eine nicht wettbewerbskonforme Umsetzung einer Regelung feststellt, in der Folge aber langfristig tatenlos zusehen würde, wenn diese Umsetzung einfach so beibehalten würde. Dabei ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass die DFL endlich einmal aus ihrer eigenen Wurstigkeit und Bequemlichkeit in dieser Angelegenheit herausgezogen und dazu gezwungen wird, sich mit dieser Problematik zu beschäftigen – die bisherige Taktik bestand eher aus einem Aussitzen. Im Falle RB Leipzig hat man sich ebenso offensichtlich wie bereitwillig verarschen lassen und eine Konstruktion durchgewunken, die ganz eindeutig mit dem Geist von 50+1 nichts zu tun hatte. Ebenso offensichtlich war Martin Kinds Verstoß bei der Invenstorenabstimmung: Die wurde zwar geheim durchgeführt, aber nachdem alle anderen Vereine mehr oder weniger öffentlich mitgeteilt haben, wie sie dort gestimmt haben, war es simpelste Mathematik herauszufinden, dass Herr Kind sich nicht an die Vorgaben des e.V. gehalten hat. Reaktionen der DFL darauf? Fehlanzeige.

Unterschiedliche Interessen prallen aufeinander

Auf den ersten Blick ist die neue Lage jetzt eindeutig. Man hat Gewissheit, dass die aktuelle Ausführung der 50+1-Regel in den ersten beiden Ligen nicht vollständig wettbewerbskonform und anzupassen ist. Alternativ besteht natürlich auch die Möglichkeit, die 50+1-Regel abzuschaffen und den Weg für Investorenübernahmen freizumachen. Letzteres wäre im Verhältnis eine absurde Maßnahme angesichts der Tatsache, dass bei 36 Vereinen in der ersten und zweiten Bundesliga nur die Umsetzung bei vier Vereinen bemängelt wurde. Warum sollte man dann eine Regelung abschaffen, die für 32 Vereine funktioniert, statt bei vier Vereinen Änderungen anzumahnen?

Aber ganz so einfach wird es leider nicht werden. Der VfL Wolfsburg und Bayer Leverkusen reagierten umgehend mit nahezu gleichlautenden Erklärungen, dass man die Einschätzung des Bundeskartellamtes inhaltlich für nicht überzeugend halte und sich rechtliche Schritte vorbehalten werde. Dass VW und Bayer überhaupt kein Problem mit rechtlichen Auseinandersetzungen haben, zeigen ja schon die Vorgänge um den Dieselskandal und Monsanto. Eine besondere Rolle nimmt der VW-Konzern ein, der über Audi Mitglied des Aufsichtsrates beim FC Bayern München und analog über Porsche beim VfB Stuttgart ist. Zudem sind VW und zum Konzern gehörige Automarken bei mehreren Vereinen als Sponsoren aktiv. Bei Red Bull könnte man sich zwar vorstellen, dass man sich in Zukunft eher auf die neuen Minderheitsbeteiligungen für den FC Paris und vor allem Leeds United konzentriert, so dass der „deutsche Markt“ und damit die Leipziger Filiale an Bedeutung verlieren, aber sehr wahrscheinlich ist das nicht, nachdem man bereits mehrere hundert Millionen Euro in diesen Standort investiert hat. Hannover 96 ist ein Fall für sich und nur der Himmel weiß, was Martin Kind dort zukünftig alles versuchen wird. Dazu kommen sicherlich noch einige Vereinschefs, die gar nicht so böse wären, wenn 50+1 fallen würde, ohne es offen zuzugeben. Die Grenzen verlaufen also nicht so eindeutig wie man im ersten Moment glauben mag.

Dennoch sollte man sich bei der DFL davor hüten, in diese Richtung zu denken. 50+1 ist für viele Fans unantastbar und eins der letzten Elemente, die noch eine Brücke zwischen Profifußball und Vereins-/Volkssport darstellen. Schon der Versuch, Invenstorenbeteiligungen in der DFL zu ermöglichen, haben zu massiven und viel beachteten Protesten geführt. Ein Angriff auf 50+1 auf Vereinsebene dürfte mit Sicherheit noch viel umfangreicher und intensiver „kommentiert“ werden. Stattdessen sollte die DFL das Gutachten als Chance begreifen, für alle gleiche Bedingungen auf Basis der Regelung zu finden. Und wenn sich Wolfsburg, Leverkusen und Leipzig nicht bereit zeigen sollten, sich dieser Regelung zu unterwerfen, steht es ihnen immer noch frei, aus dem Profifußball auszuscheiden.

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