Im Gespräch mit...

Svenja Schlenker im Interview "Wir wollen ein Stück weit der Vorreiter sein"

25.09.2025, 08:00 Uhr von:  Tim K   Alexey Philippa
Portraitfoto von Svenja Schlenker, welche lacht

Abteilungsleiterin Svenja Schlenker spricht im Interview mit schwatzgelb.de über Highlights aus den vergangenen Jahren, die Zukunft der Abteilung und die Strukturen des Frauenfußballs.

schwatzgelb.de: Wir treffen uns einen Tag nach dem DFB-Pokal-Spiel gegen Borussia Mönchengladbach. Wie hast du das Spiel erlebt?

Svenja Schlenker: Das Schöne vor dem Spiel war, dass wir gefühlt zum ersten Mal nichts zu verlieren hatten, weil wir als Außenseiter in das Spiel gegangen sind. Dementsprechend war ich in den Tagen vor dem Spiel recht relaxed. Mit Ankunft im Stadion etwa eine Stunde vor Anpfiff hat es dann aber natürlich dann doch noch angefangen zu kribbeln. Und wenn das Spiel läuft, bin ich sowieso total aufgeregt, zumal ich wusste, dass wir auf jeden Fall eine Chance haben.

Und doch habt ihr das Spiel über weite Strecken dominiert.

Absolut. Wir sind total gut ins Spiel gekommen und haben das Zepter selbstbewusst in die Hand genommen. Um die 20. Minute herum gab es eine kleine Phase, in der wir das Spiel etwas aus der Hand gegeben haben. Aber solche Phasen gibt es in einem Spiel eigentlich immer. Wir haben uns davon nicht beirren lassen, weitergekämpft und dann irgendwann auch das verdiente 1:0 erzielt.

Dann kam ja auch noch die Auslosung…

Ich habe vor dem Spiel schon von vielen Seiten gehört: “Wenn ihr weiterkommt, dann zieht ihr die Bayern!” Ich bin im Sport sehr abergläubisch, auch wirklich nur im Sport. Bei solchen Aussagen denke ich: “Wir müssen doch erstmal dieses Spiel gewinnen.” Anschließend kann man mit mir auch über den nächsten Gegner sprechen. Als das Los kam, habe ich aber natürlich wie wohl jeder gedacht: “Wow!” Hätte mir jemand vor vier Jahren gesagt, dass wir gegen Bayern München spielen würden, ich hätte es nicht geglaubt.

Weiten wir mal etwas den Blick. In unserem Interview zur Abteilungsgründung der BVB-Frauen mit Carsten Cramer und dir haben wir damals auch den Hoeschpark als mögliche Spielstätte aufgeworfen. Damals habt ihr euch wegen einer möglichen Isolation des Frauenteams kritisch geäußert. Seit dieser Saison trainiert ihr dort. Wie kam es dazu?

In den vergangenen Jahren hatten wir mit der Fußballakademie eine tolle Heimat. Manchmal wird diese Heimat jedoch zu klein und man muss in ein neues „Haus“ umziehen. Dieses wird das eigene Trainingsgelände in Brackel, welches derzeit für uns gebaut wird. Vor fünf Jahren hätte das wohl niemand von uns erwartet. Für den Übergang benötigen wir bis zur Fertigstellung eine temporäre Heimat. Wir wollten sehr gerne auf Naturrasen trainieren, weil wir darauf auch meistens spielen. Darüber hinaus trainieren wir zweimal am Tag. Dementsprechend muss es eine Anlage sein, die uns sehr flexibel zur Verfügung steht. Also sowohl vormittags, aber eben auch nachmittags oder abends. Ich bin in Gespräche mit der Stadt Dortmund getreten und wir haben zusammen überlegt, wo es etwas gibt, wo wir dauerhaft trainieren können. Denn wir wollten nicht montags da, mittwochs dort und donnerstags wieder woanders hinfahren. Das ist ja auch nicht sonderlich professionell, wo wir doch gerade von Professionalisierung sprechen. Die Stadt Dortmund hat uns daraufhin den Hoeschpark vorgeschlagen, der sich als sehr gute Möglichkeit herausstellte. Schließlich gibt es dort ein nagelneues Funktionsgebäude, welches für den Tennisclub gebaut wurde. Die nutzen derzeit aber maximal abends die Duschen und Umkleiden. Daraufhin haben wir uns das angeschaut und haben gesagt: Das ist genau das, was wir brauchen. Neben den Umkleiden und Duschen haben wir dort auch einen Aufenthaltsraum, eine Küche, ein paar kleine Büros…das ist dort einfach auf dem Silbertablett serviert. Da sind wir der Stadt auch unfassbar dankbar, dass sie uns das Gelände zur Verfügung stellt. Dort haben wir eine wirklich coole Bleibe gefunden, bis wir irgendwann in unser neues „Haus“, das wir selber bauen, einziehen können.

Du sprichst von einer Zwischenlösung. Wann soll das neue Gelände denn fertig sein?

Solche Zeitangaben sind bei Bauprojekten wirklich schwer, derzeit kümmern wir uns um alle Genehmigungen. Abgerissen ist das jetzige Gelände fast vollständig, einige Überbleibsel müssen aber noch abtransportiert werden. Wir hoffen, dass wir es modular bauen können. Wichtig sind dabei erst einmal die beiden Trainingsplätze, die dort entstehen. Sobald diese fertig sind, wird es vorübergehend eine Containerlösung geben. Im Hintergrund wird parallel dann das neue Gebäude errichtet. Wir hoffen, dass wir im kommenden Sommer dorthin wechseln können.

Diese Info macht uns möglicherweise die Anschlussfrage kaputt (lacht). Im Kreise der Groundhopper und Traditionalisten in der BVB-Fanszene gibt es häufiger den Wunsch, dass der BVB während der Zeit, in der er im Hoeschpark trainiert, auch ein Spiel austrägt. Ist das so ausgeschlossen, wie man glauben mag?

Nein, absolut nicht. Ihr seid nicht die ersten, die diesen Wunsch an uns herantragen. Wir sind da absolut offen, dort z.B. mal ein Pokalspiel stattfinden zu lassen. Gern hätten wir das im letzten Jahr schon gemacht und dabei das Weiße-Wiese-Trikot getragen. Leider hat es terminlich nicht geklappt. Aber Richtung Frühjahr peilen wir an, dort eine Partie zu spielen.

Wir haben gerade eben schon ein bisschen über die Rote Erde gesprochen. Was bedeutet die Kampfbahn, die in dieser Saison ihr 100-Jähriges Bestehen feiert, für euch?

Dort zu spielen ist weiterhin eine große Ehre für uns. Dieses Stadion hat so viel Pathos, so viel Geschichte, was es zu einem ganz besonderen Ort macht. Das fühlen auch unsere Spielerinnen, die weniger mit der Geschichte von Borussia Dortmund verbunden sind, genauso wie jeder Gegner, der zu uns kommt. Mussten wir mal ausweichen, war der Gegner oft total enttäuscht, dass er nicht in der Roten Erde spielen durfte. Für viele ist das schließlich auch ein einmaliges Erlebnis.

In der Vergangenheit gab es einen durchaus kritischen Blick aus der Frauen-Bundesliga auf den BVB. Besonders aus München kam von mehreren Spielerinnen Kritik, der BVB würde den Frauenfußball nur halbherzig fördern. Wie bewertest du diese Kritik?

Wir stehen nach wie vor hinter dem von uns eingeschlagenen Weg. Von Saison zu Saison können wir ganz viel lernen und die Abteilung Schritt für Schritt aufbauen, um ein gesundes Fundament zu schaffen. Bei einem direkten Einstieg in den Profifußball wären wir ins kalte Wasser geworfen worden und möglicherweise im Chaos versunken. Ich glaube, wir haben unterstrichen, dass wir es ernst meinen. Die Spielerinnen haben Profiverträge, weil wir wollen, dass die Mädels davon leben können. Wir bauen unser eigenes Trainingsgelände und haben ein tolles Trainerteam. Eine solche Abteilung muss immer mit Auge und Verstand aufgebaut werden, damit sie auch nachhaltig ist.

Zumal es solche Spiele wie nun gegen Bayern ja auch besonderer macht. Hätte man das Startrecht von einem Verein wie der SV Berghofen übernommen, hätte man möglicherweise schon ein Jahr später gegen die Bayern in der Bundesliga antreten können. So hat man es sich Schritt für Schritt erarbeitet.

Ganz genau. Wenn man sich etwas selbst erarbeitet hat, steigt zudem der Wert eines solchen Spiels doch auch automatisch.

Sprechen wir mal über das Binnenverhältnis beim BVB. Wie ist das Verhältnis zwischen Frauen- und Männerteam?

Das Verhältnis zwischen den Männer- und Frauen-Profis ist super. Wir sind zum Beispiel zusammen aus dem Trainingslager zurückgeflogen, weil es zum einen derselbe Rückflugtermin war und wir uns zum anderen nur unweit voneinander auf die neue Saison vorbereitet haben. In Brackel [auf dem Trainingsgelände, Anm. der Redaktion], wenn wir dort im Fitnesszelt trainieren, oder bei Content-Days, Video-Produktionen und bei Sponsoren-Events, laufen wir uns immer über den Weg, drehen gemeinsam Content. Auch unsere Partner und Sponsoren fördern und fordern diesen Weg. Zudem ist der Austausch zwischen den Verantwortlichen hinter den Kulissen sehr gut und regelmäßig. Wir erhalten viel Unterstützung durch erfahrene Kolleginnen und Kollegen, wenn wir selbst einmal nicht weiterwissen.

Nun gehört zum Verhältnis zwischen den beiden Teams allerdings auch ein entsprechendes Interesse untereinander. Für die Spielerinnen der BVB-Frauen scheint es völlig normal auch Spiele der Männer zu besuchen, unabhängig davon, ob sie vor ihrem Wechsel zum BVB bereits Fans des Vereins waren oder nicht. In dem Interview vor fünf Jahren haben Carsten Cramer und du den Wunsch geäußert, dass künftig auch Männerprofis bei den Frauen vorbeischauen sollen. Das hat sich bislang aber kaum bewahrheitet.

Ich verstehe, was ihr meint. Aber: Soll ich den männlichen Profis sagen, dass sie zum Frauenfußball kommen müssen, wenn sie keine Lust darauf haben? Die Mädels sind intrinsisch motiviert, sich Spiele ihrer männlichen Kollegen im Stadion anzuschauen. Und ich bin mir sicher, irgendwann wird es auch Spieler geben, die den Frauenfußball richtig cool finden und dann auch vorbeikommen. Das werden nicht alle sein, aber das ist vollkommen fein. Grundsätzlich sollte das eine natürliche Entwicklung sein, das ist mir wirklich wichtig. Sie sind jederzeit herzlich willkommen, wenn sie Lust darauf haben, unsere Spiele zu schauen. 

Bei der Abteilungsgründung vor fünf Jahren seid ihr mit euren Ambitionen noch etwas vorsichtiger gewesen und habt 10 Jahre für den Weg in die 1. Bundesliga ausgerufen. Hast du anfangs damit gerechnet, dass ihr so schnell in der Regional- und Westfalenliga landen würdet?

Nein, das hätte ich nicht gedacht. Wir haben uns das natürlich gewünscht und viel dafür getan, aber Sport ist am Ende nicht absolut planbar. Da stehen elf Menschen auf dem Platz und ein paar am Rand, die versuchen, diese Menschen zu lenken. Wir können sie bestmöglich vorbereiten, aber sie sind immer noch Menschen. Und die können auch alle mal einen schlechten Tag haben. Deswegen bin ich sehr froh, dass das mit den Aufstiegen bisher so gut geklappt hat, sogar im Gleichschritt mit der zweiten Mannschaft. Dieses Jahr müssen wir zum Beispiel im Falle einer Meisterschaft in die Relegation (gegen den Meister der Regionalliga Nord, Anm. der Redaktion). Das könnte ein erster Stolperstein werden. Aber bis zu einer möglichen Meisterschaft ist es ohnehin noch ein langer Weg.

Apropos Relegationsspiel. Ein solches musstet ihr auch schon in der Kreisliga spielen, in der es früh eine fragwürdige rote Karte gab…

Ja, der VAR hatte an dem Tag keine Zeit (lacht).

BVB-Mannschaft posiert zum Siegerfoto
An Erfolgen mangelte es bislang nicht

Hoffentlich sind wir erst am Anfang der erfolgreichen Geschichte der BVB-Frauen. Könntest du drei Momente aus dieser Anfangszeit von der Abteilungsgründung bis heute herausheben?

Da sind natürlich die drei Derbys, insbesondere die beiden Heimderbys zu nennen, zumal wir die gewonnen haben. Zweimal die Rote Erde mit 10.000 Menschen vollzumachen, war unbeschreiblich. Dann ist natürlich das erste Spiel gegen 1860 München zu nennen. Auch wenn es nur ein Testspiel war, war es der erste öffentliche Auftritt von uns und ich war dementsprechend nervös. Ich habe mich vor dem Spiel die ganze Zeit in der Gaststätte Rote Erde versteckt, weil ich es nicht ausgehalten habe. Das erste Mal in der Roten Erde vor so vielen Zuschauern zu spielen, war sehr besonders. Es gab so viele Highlights, da ist es kaum möglich nur noch ein weiteres zu nennen. Was aber natürlich ebenfalls weit oben ist, ist das Aufstiegsspiel gegen den TV Brechten II. Nach der Roten Karte lagen meine Nerven zum ersten Mal richtig blank. Doch am Ende ging alles gut aus. Habt ihr noch weitere Highlights?

Die von dir genannten fallen uns auch als erstes ein. Dazu gab es ein Pokalspiel gegen SuS Hörde auf Asche. Ein Spiel des eigenen Vereins auf Asche gesehen zu haben, können wohl nicht viele von sich behaupten.

Das stimmt, es war ein sehr nostalgischer Moment.

Und was ist eigentlich mit deinem eigenen Spiel für den BVB?

Oh, ja. Stimmt. Das werde ich nie vergessen. Nicht nur, weil sich mein Traum erfüllt hat, einmal im BVB-Trikot spielen zu dürfen. Es war auch ein besonderes Gefühl, weil ich auf einmal nicht mehr die war, die für das Team verantwortlich war. Ich war wirklich Teil des Teams. Dieser Rollen- bzw. Perspektivwechsel innerhalb von wenigen Minuten hat sich wirklich gut angefühlt.

Soll es nochmal einen Einsatz für den BVB geben?

Manche Dinge macht man nur einmal. So bleibt dieser schöne Moment einmalig. Es kann dann auch nicht mehr besser werden. Außer, ich würde das Tor treffen (lacht).

Ihr habt zu dieser Saison einen großen Schritt gewagt. Während ihr in der Vergangenheit den Erfolg vor allem auf guter Infrastruktur, die Reputation des BVB und professionelle Strukturen in der Abteilungsführung basierte, habt ihr die Abteilung zu dieser Saison nochmal auf ein ganz anderes Level gehoben. Mit Markus Högner habt ihr einen echten Topmann geholt, die Spielerinnen haben nun Profiverträge und dementsprechend auch nochmal ein ganz anderes sportliches Niveau. Warum seid ihr den Schritt gerade jetzt gegangen? Wann habt ihr vorhergesehen, dass ihr diesen Schritt im Sommer 25 gehen wollt?

Die letzte Saison hat uns verdeutlicht, dass die Luft dünner wird in den oberen Ligen. Die vergangene Saison war sicherlich die knappste, die wir bisher gespielt haben… 

Ein Einwurf dazu: Wir teilen die These, dass es letztes Jahr knapp war und auch in die andere Richtung hätte ausschlagen können. Aber war die Saison in der Westfalenliga gegen die Blauen nicht ein Sonderfall?

Das kann man so sehen. Schaut man sich allerdings die Spiele in der Hinrunde an, war es häufig eng, erst in der Rückrunde hat es sich auseinanderdividiert. Mit den Eindrücken aus der Hinrunde hatten wir im Winter personell ja auch nochmal nachgelegt, da nicht alles so funktioniert hat, wie wir uns das vorgestellt hatten. Wir sind bewusst jetzt diesen großen Schritt gegangen, weil er unserer Meinung nach zwingend ist. Wir haben in der Regionalliga viele Zweitvertretungen von Teams aus der 1. Bundesliga, die eben auch schon professionelle Strukturen haben. Die können alle Fußball spielen und haben eine viel langjährigere Erfahrung als wir dahinter. Außerdem war es uns wichtig, eine Achse in der Mannschaft zu haben, die es schafft, dieses Team in die erste Liga zu führen. Wir wollen den Kader künftig jedes Jahr nur an der ein oder anderen Stellen optimieren, deshalb jetzt dieser große Umbruch. 

Ab der 1. Bundesliga gibt dann ja auch die Vorgabe von DFB und DFL, dass Männer- und Frauenteams nicht parallel angesetzt werden sollen…

Richtig, für uns gilt das also jetzt noch nicht und wir bemühen uns gemeinsam mit dem Verband, Parallelansetzungen mit den Männerteams zu umgehen. Klappen wird das vermutlich nicht immer, denn der gegnerische Verein hat ja auch noch mitzureden. Wenn dieser nein sagt, ist das eben so. Manchmal müssen in dieser Saison sogar die erste und zweite Frauenmannschaft parallel spielen, was uns keinesfalls froh stimmt.

Wie läuft das eigentlich mit den Ansetzungen? Ihr spielt ja nun wie die U23 der Männer in der Regionalliga.

Derzeit müssen wir uns natürlich noch abstimmen. Erst kommen die männlichen Profis, dann die U23 und dann wir. Aber wir sprechen uns mit der U23 gut ab. Sowohl intern als auch mit dem DFB und dem WDFV. Ab der zweiten Bundesliga hätten wir dann tatsächlich Vorrang vor der Regionalliga der Männer.

Ihr sprecht häufig von dem Weg in die 1. Liga und formuliert dies als Ziel. Natürlich ist diese auch noch mindestens zwei Jahre weg. Habt ihr trotzdem schon Überlegungen, wohin die Reise irgendwann mal hingehen soll?

Stimmt, wir sprechen bisher nie von der Champions League. Ich bin da so ein bisschen wie Lucien Favre, ich schaue nur von Spiel zu Spiel.

Aber ihr schaut ja nicht wirklich von Spiel zu Spiel…

Ich würde es als „wir schauen von Liga zu Liga“ beschreiben und prüfen dann, was für Gegebenheiten dort gerade vorhanden sind.: Der Frauenfußball entwickelt sich gerade so schnell, dass sich oft innerhalb von nur einer Saison so viel ändert, dass man relativ flexibel und offen für Neuerungen sein muss. Dementsprechend kann man vielleicht, wenn wir dann in der ersten Liga angekommen sind, den Fokus darauf legen, sich dort zunächst zu etablieren. Auch bei solchen Überlegungen halte ich viel davon, nachhaltig zu wachsen. Natürlich wollen wir irgendwann Champions League spielen. Wir sind Borussia Dortmund! Aufgrund der oben genannten rasanten Entwicklung, auch was Etats angeht, wäre es heute aber fahrlässig, sich jetzt schon konkret auf das erste CL-Jahr zu festzulegen. 

Du hast gerade kurz die Finanzierung der Abteilung angerissen. In den vergangenen Jahren habt ihr schwarze Zahlen geschrieben. Wie sieht es für die aktuelle und perspektivisch für die kommenden zwei, drei Jahre aus?

Wir wären den Schritt (der Professionalisierung, Anm. der Redaktion) nicht gegangen, wenn wir nicht auch jetzt schwarze Zahlen schreiben würden. Daran arbeiten wirklich sehr viele Kolleginnen und Kollegen im Hintergrund. Alle Abteilungen haben sich committed und anerkannt, dass wir mittlerweile ein fester Bestandteil von Borussia Dortmund sind. Wir haben daher einen Budgetplan, der auf die nächsten Jahre ausgelegt ist. Dann müssen wir irgendwann schauen, in welchen Sphären wir uns bewegen, sollten wir über die Champions League nachdenken. Es wäre schon schön, wenn wir uns selber tragen könnten und unterm Strich zumindest eine schwarze Null stünde.

Absolut. Das langfristige Ziel des Frauenfußballs sollte es eben auch sein, dass er sich selbst trägt. Denn letztlich will man sich ja möglicherweise auch ein Stück weit vom Männerfußball emanzipieren. Und das schafft man ja, indem man selbst so attraktiv und populär ist, dass man sich selbst finanzieren kann.

Im besten Fall ist das so.

Portraitfoto von Svenja Schlenker, welche lacht

Ihr habt zur neuen Saison Markus Högner vom Bundesligisten SGS Essen verpflichtet. Kannst du ihn uns etwas vorstellen?

Seine Erfahrung, sowohl als Trainer als auch hinsichtlich seines Wissens im Frauenfußball, ist wirklich unbezahlbar. Nennt man ihm eine Spielerin, kennt er diese schon, hat sie wahrscheinlich sogar schon mal trainiert, gegen eine andere schon mal gespielt und noch eine andere schon mal in der Nationalmannschaft gesehen. Das ist der absolute Wahnsinn, wie tief er im Frauenfußball drin ist. Das waren wir vorher ehrlicherweise noch nicht. Davon können wir alle als Abteilung und als Borussia Dortmund profitieren. Die Spielerinnen schätzen ihn unheimlich, sein guter Ruf eilt ihm voraus. Wenn eine Spielerin im Sommer vielleicht noch gezögert hat, den Schritt runter in die Regionalliga zu machen, war die Personalie Markus Högner am Ende auch mal das entscheidende letzte Puzzleteil. Charakterlich und mit vielen Ambitionen im Gepäck, passt er zudem sehr gut zu uns.

Das ist ja auch ein absoluter Statement Transfer, also wenn du DEN Nachwuchsförderer im deutschen Frauenfußball verpflichtest.

Darüber sind wir auch sehr froh und stolz zugleich.

Wie weit wollt ihr denn mit dem Kader kommen? Wir haben ja schon ein bisschen über Champions League gesprochen, über Umstrukturierung. Wo wollt ihr hin?

Genau, ich habe es eben schon mal kurz angerissen. Wir haben den Kader schon sehr mit Auge geplant. Wir wollten eine starke Achse, die bereit ist, ihr fußballerisches Können auf den Platz zu bringen, aber gleichzeitig auch bereit ist, Verantwortung in einem Club zu übernehmen, bei dem unweigerlich Druck da ist. Wir versuchen diesen immer möglichst fern der Spielerinnen zu halten, aber mit unseren Ambitionen ist er letztendlich unvermeidbar. Diese genannte Achse wollen wir mit jüngeren Talenten füttern, sodass das Grundgerüst des Kaders möglichst lange zusammenbleibt. Natürlich ist man nie vor schweren Verletzungen oder Heimweh gefeit, dennoch glauben wir, dass es so sehr gut und lange funktionieren kann.

Habt ihr, als ihr diesen Umbruch geplant habt und auf die neuen Spielerinnen zugegangen seid, ihnen mitgeteilt, dass ihr langfristig mit ihnen plant und eine Achse aufbauen wollt?

Wir haben uns mit jeder einzelnen Spielerin zusammengesetzt, unsere Vision und die individuellen Pläne mit ihr vorgestellt. Die meisten Spielerinnen haben von uns nicht nur Einjahresverträge erhalten, wie es viele andere Vereine machen, sondern zwei- oder dreijährige Verträge, weil wir sie als wichtigen Teil in diesem Kader und dieser Mannschaft betrachten, um die nächsten Schritte zu gehen.

Um da nochmal einzuhaken, auch retrospektiv vielleicht: Die meisten Spielerinnen waren in der Regel zwei Jahre da. Wurde das in der Vergangenheit transparent gemacht oder wie lief es ab? Damals gab es keine Verträge und kein Geld, es war eher ein reines Hobby.

Grundsätzlich war und ist uns sehr wichtig, regelmäßig Feedback zu geben, transparent zu kommunizieren. Auch in den ersten beiden Saisons war uns meistens früh bewusst, wie lange der gemeinsame Weg dauern könnte. Irgendwann kommt es dann aber mal zu dem Punkt, an dem man als Trainer und/oder Verantwortliche klar benennen muss, dass sich die Wege zur neuen Saison leider trennen müssen. Solche Gespräche sind nicht einfach. Als Spielerin erhofft man sich natürlich schon, lange für den Verein zu spielen, den man liebt – und dann reicht es eines Tages dann doch nicht mehr. Das kann Träume platzen lassen.

Auch für uns war und ist das nie einfach, schließlich haben die Mädels alle Geschichte geschrieben und wir sind ihnen dankbar für die gemeinsame Zeit. Wenn es dann jemanden trifft, bei dem du genau weißt, dass diejenige mit Haut und Haar schwarzgelb ist, dann fließen da auch mal Tränen.

Bei dir auch?

Klar, bei mir auch. Meistens jedoch vor Überwältigung und Rührung. Nach dem Aufstiegsspiel (zur Bezirksliga, Anm. der Redaktion) wollte ich zur Mannschaft sprechen und ihnen danken. Doch der Abfall des gesamten Drucks in diesem Moment gepaart mit unbändigem Stolz, hat die Worte in Tränen ersticken lassen.

Kommen wir bei all der Nostalgie dennoch ins Hier und Jetzt: Wie sehen die Ambitionen der anderen beiden Mannschaften (2. Frauen und U17) aus? Wollt ihr mit beiden Mannschaften aufsteigen?

Diese Ambitionen haben wir auf jeden Fall. Die Zweite Mannschaft hat bisher alle Spiele gewonnen und momentan den zweiten Tabellenplatz inne. Dieser würde zum Aufstieg reichen, denn es gibt in dieser Saison zwei Aufstiegsplätze. Auch mit der U17 wollen wir auf jeden Fall hoch, weil es wichtig ist, dass gerade junge Spielerinnen regelmäßig auf hohem Niveau spielen können, um dann bereit für den nächsten Schritt zu den Frauen zu sein. 

Sind auch unterhalb der U17 noch weitere Mannschaften geplant?

Wir denken über eine U15 zur neuen Saison nach. Darüber hinaus gibt es aber auch noch andere Optionen: Wir könnten mit einem eigenen NLZ die Mädchenmannschaften bis ganz unten bei uns ansiedeln. Eine Kooperation mit einem anderen Verein, der bereits starken Mädchenfußball hat, ist ebenfalls denkbar. Sinnvoll ist es auch, wenn die Mädels noch eine Zeit lang bei den Jungs mitspielen. Wenn man gestern (im Spiel gegen Borussia Mönchengladbach, Anm. der Redaktion) Emilia Pauls gesehen hat, die gerade erst 16 geworden ist, ist man total überrascht, wie jung sie ist. Sie ist U-Nationalspielerin und spielt eigentlich noch bei den Jungs. Das könnte sich auszahlen.

Eine U-Nationalspielerin haben wir schon mal, wann folgt die erste A-Nationalspielerin? (lacht)

Schön wäre doch, wenn wir unsere eigene Nationalspielerin entwickeln würden. Das würde mich sehr stolz machen. Und vielleicht kommt ja trotzdem irgendwann mal eine zu uns.

Das Wachstum beim BVB und im Frauenfußball insgesamt führt zu größerer medialer Aufmerksamkeit. Wie stellt ihr sicher, dass daraus strukturelle Macht und Teilhabe für Mädchen und Spielerinnen geschaffen werden?

Ich glaube, es ist deutlich geworden, dass der Mädchen- und Frauenfußball ein fester und anerkannter Bestandteil von Borussia Dortmund ist. Wir haben uns bewusst dazu entschieden, bereits in der Regionalliga Profiverträge auszustellen. Wir haben ein Grundstück gekauft und werden darauf in den nächsten Jahren ein eigenes Trainingsgelände bauen, welches keine Wünsche offenlassen sollte. Ergo: die interne Wertschätzung und Unterstützung unserer noch jungen Abteilung könnte größer nicht sein.

Svenja Schlenker sitzt auf der BVB-Bank in der Roten Erde
Stets den nächsten Schritt im Blick

Gleichzeitig bringt diese Entwicklung Veränderungen in den bisherigen Strukturen des Frauenfußballs mit sich. Vereine wie die SGS Essen oder der FSV Gütersloh sind bereits oder drohen in den kommenden Jahren, dem hochklassigen Frauenfußball verloren zu gehen. Ist das eine notwendige Konsequenz der Entwicklung?

Generell hoffe ich, dass der Frauenfußball an sich davon profitiert, dass die großen Vereine Frauenfußball spielen lassen. Dieser Umstand erhöht gleichzeitig die Strahlkraft und die Aufmerksamkeit.  Viele Spielerinnen fordern öffentlich bessere, professionellere Bedingungen auf allen Ebenen. Mit einem Profiverein und gewachsenen Strukturen im Rücken, lassen die diese Forderungen natürlich leichter umsetzen.

Allerdings sehen wir bei dieser Thematik auch einen Zwiespalt. Einerseits ist gewünscht, dass es eine Professionalisierung im Frauenfußball gibt, andererseits besteht der Wunsch, dass der Frauenfußball nicht eine Kopie des Männerfußballs wird. Sollte der Frauenfußball einen anderen Weg gehen?

Mit dem Anspruch einer großen Wertschätzung für den Frauenfußball und die Schaffung einer guten Infrastruktur geht natürlich auch ein gewisses Budget einher. Bei einem solch großen Verein wie dem BVB hat man die Strukturen, die man braucht und für sich nutzen kann. Das geht vom Marketing, über das Ticket bis hin zum Vertrieb. Ich glaube aber, dass es niemals so „aufgebläht“ sein wird wie der Männerfußball. Und das ist auch gut so, zumal die meisten Spielerinnen auch ein bisschen anders ticken. Sie möchten so viel zu verdienen, dass sie davon leben können. Darüber hinaus machen viele eine Ausbildung oder ein Studium während ihrer Karriere. Die Spielerinnen nehmen am aktiv am Leben abseits des Fußballs teil und machen sich früh über die Zeit nach der aktiven Karriere Gedanken.

Eine Folge der fortschreitenden Professionalisierung ist die Aufstockung der 1. Bundesliga zu dieser Saison. Sprichst du dich für größere Ligen aus?

Mehr Spiele finde ich immer gut (lacht). Grundsätzlich wird es wohl aber Veränderungen in den Ligenstrukturen geben. So ist es zum Beispiel denkbar, dass der DFB eine dritte Liga einführt. Zweitvertretungen könnten dann nur noch in der dritten Liga spielen, wie bei den Männern auch. 

Der Frauenfußball kann auch über den Sport hinaus eine gesellschaftliche Rolle spielen. Da sprechen wir z.B. vom Empowerment von Frauen. Welche Rolle kommt da deiner Meinung nach dem Frauenfußball im Allgemeinen und dem BVB im Speziellen zu?

Meine Vorstellung von weiblichem Empowerment ist, dass es ein Prozess ist, durch den etwas natürlich wächst. Denn Frauen sollen nicht erst dann eine Rolle spielen, wenn eine Quote erfüllt werden muss. Es muss Frauen geben, die Bock haben, Verantwortung zu übernehmen und natürlich die notwendige Qualität mitbringen. Im Prinzip spiegelt ein solcher Prozess auch den Weg des Frauenfußballs bei Borussia Dortmund wider. Während der Frauenfußball bei uns am Anfang nicht für alle so richtig greifbar war, ist er heute selbstverständlich geworden. Der Männer- und der Frauenfußball werden in strategische Überlegungen automatisch miteinbezogen. Es wird also immer mehr zu einer Selbstverständlichkeit, und das wäre auch mein allgemeiner Wunsch, wenn man über das Empowerment von Frauen spricht.

Zumal der BVB im Frauenfußball zwar nicht sportlich, aber hinsichtlich der Öffentlichkeitswirksamkeit ja auch schon ganz oben angekommen ist.

Ja, da habt ihr Recht. Die öffentliche Aufmerksamkeit, die uns von Anfang an zu Teil geworden ist, ist wirklich beachtlich. Natürlich trägt auch die generelle Strahlkraft und großen Bekanntheit von Borussia Dortmund dazu bei.

Wir werden euch auf jeden Fall im Blick behalten (lacht). Wenn wir erneut etwas von der Abteilung wegkommen und auf die Funktionärsebene schauen, sehen wir häufig, dass Frauen stark unterrepräsentiert sind oder gar nicht in hohen Positionen vorkommen. Ist das etwas, das man adressieren sollte? Schließlich dürfte ein gleichberechtigter Fußball schwer zu vermitteln sein, wenn man sich die Geschlechterverteilung in den leitenden Positionen von DFB und UEFA anschaut…

Ich finde, dass sich das in den letzten Jahren schon sehr gewandelt hat., weil genau bei diesem Thema der Finger in die Wunde gelegt wurde. Da ist ein großer Stein ins Rollen gekommen. Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen. Ich bleibe jedoch auch der Meinung, dass es wichtig ist, dass Frauen Lust darauf haben und nicht einfach in eine Rolle hineingeworfen werden, nur um eine Quote zu erfüllen.

Siehst du diese Gefahr denn?

Ich kann das nicht sehr neutral beurteilen, weil mir selbst noch nie der Weg versperrt worden ist, jedenfalls habe ich nichts dergleichen bemerkt. Ich komme in der Sportwelt sehr gut zurecht. Allerdings wäre es auch unfair das zu verallgemeinern. Schließlich wird es auch Frauen geben, die das anders bewerten würden und schlechte Erfahrungen gemacht haben.

Vor einer Weile war Präsident Reinhold Lunow bei uns im Interview, der sich für mehr weibliche Ansprechpartnerinnen ausgesprochen hat. Wie ist die Situation bei euch?

Unser Team ist auch abseits des Platzes gewachsen. Wir haben mittlerweile eine Torwarttrainerin, eine Teammanagerin und eine Physiotherapeutin, was wir sehr wichtig finden. Gleichzeitig gibt es aber auch Spielerinnen, die lieber mit einem Mann sprechen möchten. Zusätzlich zum Staff haben wir eine Psychologin, die für Team- und Einzelgespräche zur Verfügung steht. Darüber hinaus gibt es beim BVB ein Schutzkonzept, das Spielerinnen und Spielern die Möglichkeit bietet, anonym grenzüberschreitende Vorfälle zu melden.

Die TSG Hoffenheim bekommt bei uns selten ein Lob, doch mit der automatischen Vertragsverlängerung im Falle einer Schwangerschaft hat der Verein einen großen Schritt für eine echte Gleichstellung getroffen. Plant ihr ähnliches?

Wir werden da ebenfalls eine Lösung finden, die für Spielerinnen eine Sicherheit beinhaltet und mit der man sich wohlfühlt. Wie in jedem anderen Beruf auch. Mutterschutz, Jobgarantie…das sind Dinge, die uns sehr wichtig sind. 

Vielen Dank für das Interview!

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