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Der BVB und die Nazizeit Ein Buch zur „Rechten Zeit“

28.02.2024, 07:00 Uhr von:  DocKay
Der Vereinsvorstand sitzt bzw. steht in zwei Reihen. Die Herren sind in Anzügen gekleidet. Man sieht vier Uniformen und an einem Arm wird die Hakenkreuzbinde getragen.
Der Vereinsvorstand (Führerring) des BVB 1939
© Archiv Gerd Kolbe

Die Geschichte des BVB in der Zeit des Nationalsozialismus von 1933-1945 ist Gegenstand einer Studie, die Einblicke in die Zeit des Vereins unter dem Hakenkreuz geben soll.

Die Zerstörung der Geschäftsstelle des BVB in der Oesterholzstraße im Herbst 1944 bei einem Luftangriff der Alliierten vernichtete auch einen Teil der Geschichte von Borussia Dortmund. So gibt es aus der NS-Zeit kaum noch Primärquellen in Form von Akten, Schriftgut und Mitgliederlisten. Alles fiel dem Feuer zum Opfer. Das Fehlen von Dokumenten macht eine wissenschaftliche Aufarbeitung schwierig und ist bei Historiker*innen nicht gerne gesehen.

Die Autoren und Sarah Hartwich sitzen auf einer Empore. Im Hintergrund der Schriftzug Borusseum. Links auf dem Bildschirm ein Schwarzweißbild vom Borussia Sportplatz
Die Autor*innen gemeinsam mit Sarah Hartwich bei der Vorstellung des Buches im Borusseum
© schwatzgelb.de

Diesem Problem sahen sich auch Dr. Rolf Fischer und Katharina Wojatzek gegenübergestellt, als sie mit ihrer Recherche über die Geschichte des BVB in der Zeit des Nationalsozialismus von 1933-1945 begannen. Es war nicht das erste Eintauchen in die Geschichte des Ballspielvereins. Bereits im Jahr 2002 führten journalistische Studien von Gerd Kolbe zu dem Buch „Der BVB in der NS-Zeit“. In den frühen Jahren geriet dieses Buch zu Unrecht in die Kritik der Geschichtswissenschaftler. Ziel der neuen Studie war es deshalb auch, auf der Grundlage weiterer Quellen, eine Überprüfung der Ergebnisse von Gerd Kolbe vorzunehmen.

Die Geschichte des BVB in den Jahren 1933-1945 ist eine Geschichte von Gehorsam und Widerstand, von Anpassung und Widerborstigkeit gewesen.


Gerd Kolbe

In dem im Januar erschienenen Buch wird klar dargestellt, welche Bedeutung das Hoesch-Viertel als „kollektive Biografie“ hatte. Viele Gespräche mit Zeitzeugen führten ebenfalls zu diesem Ergebnis. Folgerichtig nimmt dieses Kapitel des Buches einen breiten Rahmen ein. Es folgt dem Kapitel über den Fußball des BVB vor 1933 und der Entwicklung des Sports während der Machtergreifung der Nazis. Auch die Rolle des DFB wird beleuchtet, ein Verband, der sich den Umstrukturierungen damals nicht entzog. Auch wenn dieses heute immer noch kontrovers diskutiert wird, gab es durchaus Schnittmengen zwischen der DFB-Führung und den Nationalsozialisten. Viele Quelle verdeutlichten auch, dass die Verantwortlichen des Verbandes sehr schnell braune Tendenzen entwickelten.

Das Bild zeigt das Cover des Buches mit zwei Schwarzweißbildern
© Metropol Verlag und Archiv Gerd Kolbe

Das vierte Kapitel des Buches beschäftigt sich mit der eigentlichen Studie. Es trägt den Untertitel „Auf Linie gebracht und durchgemogelt“. Auf den Seiten 99-180 wird unter anderem auf die Machtdemonstration im Hoesch-Viertel, auf die Berichte Ehemaliger, auf BVB-Mitglieder in NS-Institutionen und auf BVB-Spieler in der Wehrmacht eingegangen. Schon der Wechsel in der Vereinsführung 1933/1934 zeigt fehlende Dokumentationen im Vereinsregister des Amtsgerichts Dortmund, in vereinsinternen Schriften und Zeitungsberichten. Ärgerlich und merkwürdig zugleich, da in diesem Zeitraum die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten stattfand. Es war schließlich eine reine Palastrevolution, die nach Heinrich Schwabe und August Busse mit der Übernahme der Vereinsführung durch Egon Pentrup erfolgte. Pentrup war gläubiger Katholik und galt als politisch neutral. Seine Mitarbeiter stammten aus dem Hoesch-Viertel. Es ist in Quellen nicht schriftlich dokumentiert, aber die Vermutung liegt aufgrund von Recherchen nahe, dass der neue Vereinsführer des BVB nach dem Erlass des Nazis Josef Klein am 30.Mai 1933 eine Person war, die von der braunen Sportführung kritisch beobachtet wurde. Dieses Beispiel zeigt sehr schön, dass es in der Studie immer wieder zu Formulierungen wie „wahrscheinlich“, „vielleicht“ oder „wohl“ kommt. Dies zeigen auch weitere Beispiele in diesem Kapitel.

Fritz Weller steht zusammen mit einer Person vor einem Flugzeug. Beide tragen einen dunklen Anzug.
Das Bild zeigt rechts Fritz Weller
© Archiv Gerd Kolbe

Der letzte Abschnitt von Kapitel IV. widmet sich schließlich den BVB-Mitgliedern im Widerstand. Erinnert wird an Heinrich Czerkus und Franz Hippler, beide Mitglieder der KPD, die als Organisation durch die Regierung der nationalen Erhebung zerschlagen wurde. Auch Fritz Weller war eine Person des Widerstandes und gehörte einer Untergruppe des sozialdemokratischen Widerstandskreises um Max Zimmermann an. Wie fast 90 % der Borussen stammte auch er aus dem Hoesch-Viertel. Fritz Weller überlebte den Widerstand, da er nicht zur Führungsgruppe gehörte. Franz Hippler wohnte im Juni 1944 im Haus eines Ex-SA-Mannes in der Wambeler Straße 3, auch eine Geschichte, die in der historischen Aufarbeitung ihren Platz finden muss. Heinrich Czerkus, der ehemalige Platzwart des BVB, und Franz Hippler wurden schließlich mit zahlreichen anderen Gestapo-Häftlingen im Rombergpark und in der Bittermark erschossen.

Mannschaftsbild der Aufsteiger-Mannschaft in die Gauliga. Dabei August Lenz
Die Gauliga-Aufstiegsmannschaft des BVB im Jahr 1936 mit August Lenz
© Archiv Gerd Kolbe

Weitere Kapitel über die sportliche Entwicklung von 1933-1945 und die Gleichschaltung und Nazifizierung runden das Buch ab. Fußballvereine werden verglichen, zeigt sich gerade hier, in welchem Ausmaß Mitglieder und Funktionäre von NS-Organisationen repräsentiert waren.

Lange wurde eine Studie gefordert, die sich mit Borussia Dortmund in der Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzt. Dr. Rolf Fischer und Katharina Wojatzek haben sie jetzt in Form eines Buches vorgelegt, das sehr schön auch die Zeit vor 1933 beleuchtet und an die Trias von Zeche Kaiserstuhl, Eisen- und Stahlwerk Hoesch und Maschinenfabrik Deutschland erinnert. Das Buch ist jedem BVB-Fan, der tiefer in die Geschichte seines Vereins eintauchen will, zu empfehlen. Es zeigt auch, dass aufgrund mangelnder Dokumente, eine vollständige Aufklärung der Zeit von 1933-1945 nie stattfinden kann. Die Ergebnisse der Studie sind in vielen Punkten deckungsgleich mit den journalistischen Recherchen von Gerd Kolbe, die er unter dem Titel „Der BVB in der NS-Zeit“ im Jahr 2002 veröffentlicht hat. Das Buch Borussia Dortmund in der Zeit des Nationalsozialismus von 1933-1945 ist zu Beginn des Jahres 2024 erschienen. Es gewinnt auch dadurch an Aktualität, da gerade nach der Reichstagswahl am 5. März 1933 mit der anschließenden Machtergreifung durch die Nazis innerhalb kürzester Zeit die Diktatur etabliert wurde, in dem eine Fülle von Gesetzen Anwendung fanden, die zum totalitären Einparteienstaat führten. Auch daran wird man beim Lesen des Buches erinnert. Denkt man an die aktuellen politischen Bewegungen der Neuzeit, läuft es einem kalt den Rücken herunter.

Das Buch, das 256 Seiten umfasst und im Metropol Verlag als bedrucktes Hardcover erschienen ist, kostet € 24,00. Es kann über den Verlag, beim Buchhandel und bei Amazon* erworben werden. Auch in den Fanshops des BVB ist es erhältlich.

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