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Das Ende des Heimnimbus?

12.01.2021, 13:57 Uhr von:  DocKay
Das Ende des Heimnimbus?

Zwischen dem siebten und elften Spieltag der Vorrunde verlor der BVB seine drei Heimspiele gegen die Bayern, den Effzeh und die Schwaben aus Stuttgart. Welche Bedeutung hat der Heimvorteil noch in Corona-Zeiten?

Noch extremer zeigte es der vierte und achte Spieltag der Saison 2020/2021. An beiden Spieltagen gelang es keiner der Heimmannschaften, drei Punkte einzufahren. Auch die anderen Spieltage waren vorwiegend durch Unentschieden und Auswärtssiege geprägt. An der Deutschen Hochschule für Gesundheit & Sport befasste man sich ebenfalls mit diesem Phänomen. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. phil. Volker Höltke, der mir Einblicke in Forschungsergebnisse und die aktuelle Literatur gab.

Die leere Südtribüne bei einem Geisterspiel

Ich glaube, viele von uns hatten während der Geister-Spielzeit das Gefühl, dass die Bedeutung des Heimvorteils verloren gegangen sei. Dennoch zeigt die Literatur in dieser Hinsicht eine sehr kontroverse Diskussion. Mehrere Studien belegen, dass Heimspiele häufiger gewonnen werden als Auswärtsspiele. Gerade in Sportarten wie Fußball und Basketball ist dieser Heimvorteil nachgewiesen. Verschiedene Einflussfaktoren werden hier diskutiert. Eine wesentliche Rolle spielt unbestritten die Publikumsunterstützung (Anzahl der Fans, Dichte, Nähe zum Spielfeld und Atmosphäre), aber auch psychologische Faktoren können nicht vernachlässigt werden. Die Spieler fühlen sich „zu Hause“ wohler und sicherer. Auch spielen Heimmannschaften oft eine offensivere Taktik. Im Spiegel Nr. 27 vom 27.06.2020 wurde berichtet, dass von den Gastgebern der 1. Bundesliga zum damaligen Zeitpunkt bei Geisterspielen 23 Prozent weniger Tore geschossen wurden, dagegen erzielten die Auswärtsmannschaften 11 Prozent mehr Treffer. Hinzu kommt das Verhalten der Schiedsrichter. Schiedsrichterentscheidungen begünstigen in der Regel die Heimmannschaften, sie unterliegen einem höheren psychologischen Druck und verlängern auch schon einmal gerne die Nachspielzeiten von Heimmannschaften, wenn diese zurück liegen. Auffällig ist zu Corona-Zeiten auch ein deutlicher Anstieg von gelben und gelb-roten Karten für das Heimteam, das auch bei Foulpfiffen deutlich strenger behandelt wird.

Abendstimmung am Westfalenstadion ohne Zuschauerströme

Bei den statistischen Auswertungen der 1. Fußball-Bundesliga zeigten sich prozentual deutlich mehr Heimsiege mit Zuschauern. Auswärtsteams gewannen mit Ansetzung der Geisterspiele sogar mehr Spiele als die Heimmannschaften. So war der BVB vor Ansetzung der Geisterspiele im Westfalenstadion in 12 Spielen ungeschlagen. Danach verlor man drei von fünf Heimspielen.

Es gibt keinen Heimvorteil mehr


Hans-Joachim Watzke

Dennoch lässt diese Interpretation einige Fragen offen. Grund hierfür könnte auch ein Corona bedingter Spannungsabfall bei dem ein oder anderen Spieler sein. Letztendlich ist aber auch nicht messbar, welche Dynamik die Spiele mit Fans wirklich entwickelt hätten.

Blickt man über den Tellerrand zur englischen Premier League, so erkennt man hier nur geringfügige statistische Unterschiede im prozentualen Anteil der Heimsiege mit und ohne Fans. In der spanischen La Liga kam es zu einer leichten Verschiebung zu Gunsten der Auswärtsteams. Der Anteil der Auswärtssiege stieg von 25 % mit Fans auf 32 % ohne Fans. Die italienische Seria A zeigte ein vollkommen gegensätzliches Bild. Hier kam es zu Beginn sogar zu einer Zunahme der Heimsiege ohne Fans. Wir haben es hier also, fasst man es zusammen, mit vollkommen unterschiedlichen Entwicklungen in den internationalen Ligen mit Ansetzung der Geisterspiele zu tun. Fasst man alle Ergebnisse zusammen, so kann man feststellen, dass die Quote der Heimsiege bei Spielen ohne Fans lediglich geringfügig gesunken ist. Die untersuchten Ligen weisen dabei jedoch individuelle Unterschiede auf! Andere statistische Analysen zeigten einen Anteil gewonnener Heimspiele von 36 %. Auffällig ist bei diesen Studien allgemein eine geringere Anzahl geschossener Tore durch die Heimteams.

Die Ordner unter sich am Eingang zur Nordtribüne

Kritiker sprechen von einer zu geringen Datenmenge und von der Tatsache, dass schon vor Corona der Heimvorteil zunehmend kleiner geworden sei. Aber ich denke, wir sind uns da alle einig: "Wir verzichten gerne auf eine größere Datenmenge und freuen uns auf ein Ende der Geisterspiele". Beim Fußball ohne Fans fehlt einfach das Salz in der Suppe. Das sollten inzwischen auch unsere Suppenkasper beim DFB und in der DFL bemerkt haben. Und in diesem Zusammenhang sind Fantoken nicht wirklich auf Dauer hilfreich.

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