Warmlaufen

Zwischen Sehnsucht und Wehmut

18.09.2020, 17:54 Uhr von:  Ida
Bild der Südtribüne beim Spiel gegen Fortuna Düsseldorf in der Saison 2019/20

Als Anfang März die Stimmen lauter wurden, dass im Zuge der sich immer schneller ausbreitenden Pandemie ein Verbot von Zuschauern nahezu unausweichlich sein würde, tönte ich noch aufgebracht „Wenn die mir mein Derby nehmen!“ durch unsere Redaktionsgruppe. Damals war es schwer sich vorzustellen, wie das eigene Leben und auch jegliche für selbstverständlich genommene Gewohnheit in den kommenden Wochen auf den Kopf gestellt würde. Dass Fußball und damit verbundene Stadionbesuche dabei eine der geringsten Sorgen werden würden, war zumindest mir damals so nicht klar. Wenige Tage später änderte sich das Bild. Man hatte mir mein Derby „genommen“ und nicht nur das - die Fußballwelt stand für ein paar Wochen still. Wo vorher Abstiegsängste und Meisterschaftshoffnungen waren, traten nun Zukunftsängste und Unsicherheit an die Oberfläche: eine neue Realität, wie man heute öfters liest. Aber am Ende des Tages ist auch König Fußball nicht die schönste Nebensache der Welt, sondern vor allem ein knallhartes Business. Und so kam, was kommen musste: ganz im Zuge von „the show must go on“ wurde die Saison ab Mai ohne die Seele eines jeden Stadions ausgetragen: uns Fans.

Bild der Anzeigetafel im Westfalenstadion mit der Anzeige "Ausverkauft! 81365"
Ein Bild aus besseren Tagen

Doch nun geht es wieder los. Die Pandemie begleitet uns noch immer täglich. Manchmal rückt sie etwas mehr in den Hintergrund, gerade die Sommermonate ließen eine gewisse Unbeschwertheit mancherorts zurückkehren: eine neue Realität eben. Und die neue Saison soll unter den Zeichen der neuen Realität stattfinden. Vor wenigen Tagen wurde beschlossen, dass, nachdem einige Länder schon im Pokalwettbewerb vorpreschten, es den Fußballvereinen wieder erlaubt sein soll einen Teil der Fans zurück ins Stadion zu lassen, natürlich unter strengsten Auflagen. Insgesamt sollen 20 Prozent der Stadionkapazitäten wieder ausgeschöpft werden dürfen- in unserem konkreten Fall bedeutet das gut 16 000 Zuschauer*innen. Und das ist dann wohl der Punkt, wo sich Sehnsucht und Wehmut begegnen.

Seit Monaten frage ich mich, wie sich die Bedeutung von Fußball für mich im Zuge von Corona verändert hat. Denkt man nur einmal an die Extrawürste in den Testverfahren, das Unverständnis darüber, dass viele Verbote für alle anderen Jobs zu gelten schienen, nicht jedoch für Fußballvereine, die Ernüchterung darüber, dass der Sport ohne uns stattfinden soll und nicht zuletzt waren da noch die Erhebungen sämtlicher persönlicher Daten. Spätestens nachdem herauskam, dass diese, unter anderem in Restaurants, erhobenen sensiblen Daten auch anderweitig von der Polizei benutzt wurden, zuckte alles in mir zusammen. Meine Realität sah plötzlich anders aus und ich stellte fest: es geht irgendwie auch ohne Fußball. Eine erschreckende Erkenntnis. Begleitet mich Fußball doch seit Kindestagen an. Freundschaften, Partnerschaften, Familie - alle sind irgendwie mit dem Fußball verbunden oder durch den Fußball entstanden - und dieser ist nun irgendwie gar nicht mehr ein so zentraler Teil meines Alltags?

Jubelnde Mannschaft vor der Süd

Versteht mich nicht falsch. Ich vermisse das Stadion. Ich vermisse es, morgens müde in Köln in den Zug zu steigen und Richtung Heimat zu fahren. Ich vermisse den Anblick des „U“- für mich immer ein Zeichen von „Zuhause“. Ich vermisse den Weg zum Stadion und das Getränk im Rote Erde Biergarten. Ich vermisse es Fremden in den Arm zu fallen, mit ihnen zu fluchen und zu fachsimpeln. Aber all das muss für mich noch warten. Für viele sind die 16 000 ein erster Schritt Richtung „endlich wieder richtig Fußball!“. Für mich ist es das nicht. Ich möchte mit allen dort stehen. Ich möchte den gegnerischen Block in anderen Farben sehen und ich möchte die Schwingungen der Süd spüren, wenn 25 000 auf ihr hüpfen. Nicht nur 10 Prozent davon. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto wehmütiger werde ich. Auch diese Saison wird, so wie die Letzte bereits auch, anders werden: eine neue Realität eben.

Nichtsdestotrotz gilt es ab nun wieder alles rauszuholen, was geht, und das Beste aus der Saison zu machen. Und welch schöneres Datum für einen Startschuss kann es dafür geben als den 19.09?

So könnten sie spielen

Ballspielverein: Bürki, Hummels, Akanji, Meunier, Can, Witsel, Hazard, Reyna, Bellingham, Sancho, Haaland


Ponys: Sommer, Lainer, Ginter, Elvedi, Bensebaini, Kramer, Neuhaus, Wolf, Stindl, Hofmann, Herrmann

Ort: Westfalenstadion

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