Unsa Senf

Luftnummer Leitfaden Sonderspielbetrieb im Profifußball

22.04.2020, 14:58 Uhr von:  Sascha
Luftnummer Leitfaden Sonderspielbetrieb im Profifußball

Wann jetzt genau der Ball wieder rollt, weiß man nicht genau. Ob das lose in den Raum geworfene Datum 09.05. jetzt wirklich den Startschuss darstellt, oder es doch noch dauert, bis der Ball wieder rollt, ist noch offen. Aber gewiss ist, dass die DFL mit Macht auf die Wiederaufnahme eines regulären Spielbetriebs drängt. Ein Teil davon ist ein Konzept, um die Gesundheit der handelnden Personen im Spielbetrieb zu gewährleisten. Auf 33 Seiten stellt der Ligaverbund dar, wie man die Quadratur des Kreises schaffen und größtmögliche Sicherheit in einem Kontaktsport bei einer Kontaktsperre schaffen will.

Spoileralarm: Das ganze Konzept ist eine ziemliche Luftnummer, bei der man viel Papier erzeugt hat, um zu kaschieren, dass man genau den kritischen Bereich, den direkten Kontakt auf dem Rasen, eben nicht sicher gestaltet kann.

Auf die Begleitung zum Anstoß soll verzichtet werden

Es fängt schon damit an, dass man dezidiert auflistet, welche Anzahl aus welchem Personenkreis man zu welchen Zeiten in den Bereichen Innenraum, Stadion und Außenbereich einsetzen möchte. Diesen relativ einfachen und leicht verständlichen Fakt breitet man dann episch auf 15 Seiten in den verschiedenen Darstellungsarten als Tabelle, als Säulendiagramm oder als grafische Verteilung auf. Überraschenderweise werden dabei z.B. die Punkte „Spieler“ und „Schiedsrichter“ auf dem Rasen verteilt, während man die „Journalisten“ auf der Pressetribüne platziert. Hätte man so fast nicht gedacht. Schon zu Beginn des Konzeptes verfestigt sich der Eindruck, dass man inhaltliche Leere durch eine möglichst hohe Quantität kaschieren möchte.

Wirklich lustig ist dann die folgende Beschreibung, wie man die Spieler unter größtmöglichen Schutzvorkehrungen auf den Platz geleiten will. Transport nach Möglichkeit in mehreren Bussen mit Mundschutz, möglichst unterschiedliche Wege zu den Kabinentrakten und Verzicht auf das gemeinsame Foto und Shakehands vor Anpfiff. An dieser Stelle enden die Vorgaben dann auch folgerichtig, weil sich ab dem Moment, in dem das Spiel freigegeben ist, die eben noch mühsam voneinander getrennten Spieler munter gegenseitig umgrätschen können, oder bei Eckbällen quer durch den Strafraum schieben.

Ebenso wie auf die obligatorische Pressekonferenz nach Spielende

So verwundert es auch nicht, dass die Vorgaben für die Mitarbeiter der TV-Anstalten mit insgesamt 8 Seiten deutlich den größten Anteil am Konzept ausmachen. Und das in dem Bereich, in dem noch am ehesten „normale“ Arbeitsbedingungen herrschen und man am ehesten Konzepte aus dem aktuellen Büroalltag duplizieren kann. Eine Sternstunde ist dabei sicherlich der Covid-19-Fragebogen, den jeder Mitarbeiter in diesem Bereich auszufüllen hat. Dort muss er u.a. mit Ja oder Nein antworten, ob er in den letzten 14 Tagen Husten, oder Fieber hatte, in den letzten Tagen seinen Geruchs- oder Geschmackssinn verloren hat, oder Kontakt zu einem Infizierten hatte. Man muss schon sehr viel Fantasie haben, wenn man meint, damit eine Gefahrenquelle ausschalten zu können. Wer bitte geht jetzt noch mit diesen Symptomen und Wissen zur Arbeit und kreuzt dann auf einem Fragebogen entsprechende Kriterien auch noch mit „Ja“ an?

Der ganze Rest des Konzeptes bezüglich Trainingsbetrieb und Unterbringung sind dann auch nur eine Auflistung der aktuell gängigen Verordnungen und Bestimmungen im Berufsleben. Auch die Vorgabe, dass sich die Profis z.B. privat vor dem Essen die Hände waschen sollen, hebt das Konzept jetzt nicht wirklich auf ein völlig neues Level. Das wäre auch vor Corona schon sinnvoll gewesen.

Aber Zweikämpfe lassen sich einfach nicht virensicher gestalten

Der Wert dieses Konzeptes bemisst sich nicht an dem, was es aussagt, sondern an dem, worüber es sich ausschweigt: das Spielgeschehen an sich. Es umschifft dabei das simple Eingeständnis, dass Fußball ein Sport ist, den man nicht übertragungssicher gegen ein Virus, dass sich auf Nähe verbreitet, gestalten kann. Es verwundert, dass auch Politiker diesen Umstand ausblenden, während andererseits mit diesem Argument der körperlichen Nähe Kindern der Besuch von Kitas und Spielplätzen untersagt ist.

Selbst die kontrovers diskutierte Ausnutzung einer Kapazität für 20.000 Coronatests schaltet das Risiko für die Spieler nicht aus. Warum sonst verbleiben auch negativ getestete Verdachtsfälle weiterhin in Quarantäne? Weil es dokumentierte Fälle gibt, in denen auch zuerst negativ getestete Personen infiziert und damit ansteckend waren. Selbst wenn man breitflächig testet, kann also jeder Spieler sich unglücklich oder fahrlässig infiziert haben und dann den Virus weiterverbreiten.

Ob Vereine und vor allem die Spieler dieses Risiko eingehen wollen, kann man ihn vielleicht sogar selber überlassen. Aber man sollte kein Schmierentheater aufführen und so tun, als könnte man virensicher Profifußball spielen. Das ist schäbig und mit Sicherheit kein Beispiel für die Millionen Freizeitkicker auf der Welt.

Unterstütze uns mit steady

Weitere Artikel