Spielbericht Profis

Und Dortmund so: Nö.

05.02.2020, 22:04 Uhr von:  Ida
Und Dortmund so: Nö.

Lust auf einen geilen Pokalabend in Bremen? Lust auf ein Wochenende im Mai mit Freunden in Berlin? Lust auf Pokale? Und Dortmund so: Nö.

Denn eigentlich, wenn man die Sache einfach mal rein logisch betrachtet, hat am gestrigen Abend nun wirklich nichts gegen uns gesprochen: 15 Tore in drei Spielen waren mehr als nur ein kleines Ausrufezeichen und Werders Leistungen der vergangenen Wochen glichen eher einem Katastrophen- denn einem Hoffnungsszenario. Aber nicht nur das Phrasenschwein erlebte gestern ab 20:45 ein Deja-Vu der ersten Güteklasse, auch wir mussten mal wieder einsehen, dass Bundesliga eben Bundesliga und der Pokal nun einmal der Pokal ist. Und so trotteten wir nach 95 überwiegend desillusionierenden Minuten im Weserstadion abermals mit der Erkenntnis aus dem Stadion, dass es auch dieses Jahr im Mai wieder nicht nach Berlin gehen würde, um vergangene glorreiche Abende mit Freunden noch einmal zu erleben. Leichter kann man ein Finale eigentlich nicht erreichen, wie schwer das dennoch sein kann, hat unsere Borussia vor allem gestern in den ersten 45 Minuten, getreu dem Motto „Nö. Heute einfach mal nicht.“, „eindrucksvoll“ bewiesen und den Einzug ins Viertelfinale abermals gegen den grün-weißen Gegner aus Bremen verpasst.

Aufgrund von Materialverbot ein recht farbloser Auftritt im Weserstadion

In der Mannschaft gab es im Vergleich zum Bundesligaspiel gegen Union drei Veränderungen: für den verletzten Guerreiro kam Schulz auf der linken Seite ins Spiel und Zagadou rückte für Piszczek in die Abwehrreihe. Vorne bekam Hazard zunächst wieder vor Haaland den Vorzug. Auf Bremens Seite nahmen unsere alten Bekannten Sahin und Toprak zunächst auf der Bank Platz während Friedl und Veljkovic den Vorzug erhielten. Auch Osako fand sich in der Startelf wieder.

Zu Beginn begrüßten die Fans von Werder Bremen die Anwesenden mit einer großen Blockfahne und mehreren Spruchbändern, die sich gegen den Verkauf des Stadionnamens auflehnten. Es sollte nicht die einzige Choreographie an diesem Abend bleiben. Auf den Rängen war man offensichtlich schon mal gut drauf und auf dem Platz? Da auch.

Erste Halbzeit

Denn in der ersten Halbzeit fand Fußball auf Dortmunds Seite einfach nicht statt. Auch gegen Union hatte man in den ersten 20 Minuten der zweiten Halbzeit kurzzeitig den Eindruck, dass sich die Kreativität und die Ideen der Schwarzgelben für eine Weile in den Ruhestand verabschiedet hatten, aber dennoch verlor man das Gefühl, dass das Umlegen eines kleinen Schalters und damit das Herbeiführen eines riesen Spektakels jederzeit herausgekitzelt werden konnte, nie. Gestern war davon jedoch absolut gar nichts zu sehen: Ideenlosigkeit, Antriebslosigkeit, mangelnde Körpersprache, Stillstand und Orientierungslosigkeit liefen Hand im Hand über den Platz und schauten den motivierten und bissigeren Bremern beeindruckt hinterher. Und die wiedergewonnene Stärke und das Selbstvertrauen der letzten drei Wochen? Wie vom Winde verweht.

Lange Gesichter in der ersten Halbzeit

Trotz scheinbarer Dominanz in den ersten Minuten, die sich vor allem durch andauernden Ballbesitz äußerte, fand man gegen tiefstehende Bremer kein Mittel des Durchkommens. Kamen dann auch noch leichtsinnige Ballverluste in der eigenen Hälfte hinzu, sah es prompt düster aus. So gesehen nach 16 Minuten als Hakimi im eigenen 16er den Ball verliert, den Rashica zwar zunächst bei seinem Schuss aufs Tor nicht nutzen kann, dafür aber Selke, der den von Hitz schlecht abgewehrten Ball dankbar annahm und zur 1:0 Führung vollendete. Ein Aufbäumen war danach von Dortmunds Seite kaum zu sehen. Zwar kam Hummels in der 24. Minute in Form eines abgewehrten Fallrückziehers nach einer Ecke zu einer Topgelegenheit das Tor des Monats zu erzielen, leider war dies jedoch nicht der einzige Moment an dem Pavlenka zeigte, dass er abermals gegen uns einen absoluten Sahnetag erwischt hatte. Im Gegenzug klingelte es wieder in unserem Kasten. Nach einer Ecke kommt Bittencourt völlig frei und ungedeckt zum Ball und zieht diesen aus 20 Metern mutterseelenallein aufs Tor. 2:0 für die Hausherren und schlechte Laune im Gästeblock. Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall. Und beim Ballspielverein? Kam da noch was in Halbzeit eins? Nö.

Zweite Halbzeit

Die grün-weißen Fans nutzten die Halbzeitpause, um ihrem Ärger ein weiteres Mal Luft zu machen. Eine zweite Choreo im Block mit den Worten „Kämpft um Euer Erbe“ und dazu ergänzende Spruchbänder mit den alten Stadionnamen der Bundesligagründungsvereine fand auch im Gästeblock Zuspruch, der sogleich mit „Westfalenstadion“-Gesängen quittiert wurde.

Nette Choreografie - aber ohne Westfalenstadion

Dass es auf dem Platz nicht so weitergehen konnte wie in der ersten Halbzeit war wohl auch in der Kabine festgestellt worden, denn anstelle von Hazard nahm nun Haaland wieder den Platz in der Spitze ein. Was für einen unbändigen Willen diesen Spieler auszeichnet, zeigte sich nur wenige Minuten später als er sich an der Strafraumgrenze der Bremer in einen Zweikampf reinschmiss, gefoult wurde und triumphierend die Faust ballte, um sich für diesen Zweikampf zu feiern. Es ist vielleicht schon zu diesem Zeitpunkt bezeichnend, dass man konstatieren muss, dass die besten Leistungen gestern von einem 23-jährigen, zwei 19-jährigen und einem 17-jährigen erbracht worden sind während die vermeintlichen reiferen Leistungsträger einen rabenschwarzen Tag erwischt hatten und von Führungsstärke wenig bewiesen haben und ihren eigenen Ansprüchen meilenweit hinterher hängen. So war es kaum verwunderlich, dass Haalands heraugeholter Freistoß von Reus nur in die Bremer Mauer geballert wurde.

Auch gegen Bremen machte Erling Haaland sein Tor

Trotzdem war durch Haalands Einwechslungs ein Wandel in der Offensive erkennbar, der sich auch in den Chancen von Sancho (53.) und Schulz (57.) zeigte. Nach einem starken Zusammenspiel zwischen Reus und Sancho und Brandts nachfolgender Hereingabe bzw. Torlupfer, war es abermals Haaland, der den Ball aus wenigen Zentimetern über die Torlinie drückte und den Anschlusstreffer erzielte (67.) Dass es direkt im Anschluss durch den eingewechselten Youngster Reyna nicht zum 2:2-Ausgleich kam, war wiederum Pavlenka geschuldet, der den Ball des herbeieilenden 17-Jährigen abwehrte. Und während sich Reyna über die vergebene Chance noch ärgerte und man im Block das Gefühl hatte, dass der Ausgleich nicht mehr weit und das Spiel zurück auf Null gestellt werden könnte, eilte Rashica dem schlafenden Hummels davon und schoss den Ball ins lange Eck.

Doch dieses Mal ließ sich Dortmund vom erneuten Treffer der Bremer nicht beeindrucken und auch Reyna ließ die liegengelassene Chance nicht auf sich sitzen und machte, was man mit 17 halt mal machen kann: er schlenzte den Ball traumhaft zum 3:2-Anschlusstreffer in den rechten Winkel. Und noch etwas beeindruckte an diesem Abend direkt: die pure Freude aufgrund dieses herausragenden Treffers wandelte sich sofort in absolutes Feuer und unbedingten Willen, hier nochmal etwas zu reißen, weshalb sich Reyna den Ball schnappte, die Mitspieler aufpeitschte und den Ball zum Mittelkreis beförderte. Noch einmal: dieser Junge ist 17.

Aktivposten plus Tor: Gio Reyna

Vielleicht waren es auch das Alter und der Übereifer eines 17-jährigen, die die folgenden Minuten bestimmen sollten: Nach einem Zweikampf im Bremer Strafraum, bei dem Reyna zu Boden ging, wurde er vom wütenden Moisander attackiert, der diesem am Kragen packte um umstieß. Es folgte ein riesen Getümmel und eine Menge Chaos, das keinen wünschenswerten Effekt hatte, Zeit von der Uhr nahm und unseren Spielfluss unterbrach. Beeindruckend auch mal wieder, dass der Videoschiedsrichter sich einschaltete, die Situation offensichtlich selbst nicht bewerten konnte oder wollte, so dass Winkmann nach gefühlt minutenlangem eigenständigen Betrachten der Szene zu dem Entschluss „Schwalbe“ und gelb für Reyna und gelb für Moisander kam. Was die Hand Moisanders am Kragen von Reyna zu suchen hat, weiß wohl auch nur er- ob man sich danach theatralisch auf dem Boden wälzen muss, darf jedoch auch hinterfragt werden.

Ordentliche Rudelbildung zum Ende im Bremer Strafraum

Fußball wurde dann auch noch kurz gespielt und wäre bei besserer Chancenverwertung auch für noch mindestens 30 weitere Minuten gespielt worden, hätte sich Reus aus ca. 5 Metern Entfernung frei vorm Tor nicht für den Rückpass auf Pavlenka (87.) entschieden und letzterer beim Kopfball von Haaland (93.) nicht wieder einen herausragenden Torwartmoment erwischt.

Ausblick

Was bleibt von diesem ernüchternden Abend? Es bleibt ein Traumtor eines 17-jährigen, an dem wir sicherlich noch viel Spaß haben werden. Es bleibt ein leidenschaftlicher Haaland, der nach Abpfiff schnurstracks alleine auf den Gästeblock zuwanderte und diesem euphorisch applaudierte bevor er das Spielfeld verließ, es bleibt ein Julian Brandt, der sich auf seiner neuen Position immer besser zurecht findet und auch gestern über weite Strecken des Spiels links und rechts, vorne und hinten kämpfte und ackerte und bemüht war, diesem Spiel seinen Stempel aufzudrücken. Es bleiben aber auch viele Fragen, vor allem danach, wie man einen solch herausragenden Rückrundenstart wieder so leichtfertig in die Tonne kloppen kann und warum manche Spieler ihrer Form teilweise erschreckend hinterherhinken.

Es wäre schön, wenn die ein oder andere Antwort dafür noch vor Samstag und dem Auswärtsspiel gegen Leverkusen gefunden werden könnte: in zwei Wettbewerben ist man immerhin noch vertreten. Vielleicht gucken sich die „Großen“ hierfür nochmal etwas von den „Kleinen“ ab.

Enttäuschte Gesichter nach Abpfiff

Zum Spiel

Werder Bremen: Pavlenka, Veljkovic, Vogt, Moisander, Bittencourt, Eggestein, Klaassen, Friedl, Osako, Rashica, Selke

Ballspielverein: Hitz, Akanji, Hummels, Zagadou, Hakimi, Witsel, Brandt, Schulz, Hazard, Reus, Sancho

Tore: 1:0 Selke (16'), 2:0 Bittencourt (30'), 2:1 Haaland (67'), 3:1 Rashica (70'), 3:2 (78')

Schiedsrichter: Guido Winkmann (Kerken)

Weserstadion: 42.100 (ausverkauft)

Unterstütze uns mit steady

Weitere Artikel