Spielbericht Profis

Gut ist manchmal nicht gut genug

08.11.2020, 20:10 Uhr von:  Vanni
Gut ist manchmal nicht gut genug
© Jürgen Fromme/firo/Pool via Schwatzgelb.de

Auch mit einer guten Leistung konnte der BVB am Samstagabend keine Punkte gegen die Bayern holen. Das klingt frustrierend, ist es aber gar nicht unbedingt. Das 2:3 war Abbild der Kräfteverhältnisse im deutschen Fußball.

Es gab in der jüngeren und etwas älteren Vergangenheit nun schon wahrhaft einige Duelle zwischen dem BVB und dem FC Bayern München. Und es waren viele unterschiedliche Begegnungen dabei. Manche (meist wenige) waren langweilig, viele waren ereignisreich. Manche waren historisch, wieder andere recht schnell wieder vergessen. In manchen ging der BVB komplett unter (häufig waren dies Auswärtsspiele in München), in anderen war der BVB der Sieger der Partie. Manche dieser Erfolge waren glücklich, manche erkämpft, manche hochverdient. Und wieder andere Partien fallen in eine Kategorie, die man letztendlich relativ nüchtern beschreiben kann. So auch das gestrige Spiel, das man am Ende mit 2:3 (1:1) verlor, das aber die Kräfteverhältnisse im deutschen Fußball ziemlich gut in 90 Minuten verpackte: der BVB zeigte eine gute Leistung mit Einsatz und guter Körpersprache, war in den Zweikämpfen präsent und setzte nach vorne Akzente. Und dennoch stehen am Ende 0 Zähler zu Buche. Die Erkenntnis: eine „gute“ Leistung ist manchmal nicht genug – vor allem nicht, wenn es gegen den Branchenprimus und gegen die aktuell wohl beste Mannschaft Europas geht. Das ist bitter, aber eben das, was sich gestern auf dem Rasen des Westfalenstadions abspielte.

Vor dem Spiel

Das Toppspiel nun schon zum dritten Mal vor leeren Rängen
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Es war nah an der Bestbesetzung, was Lucien Favre da als Startelf ins Rennen schickte. Mats Hummels wurde glücklicherweise rechtzeitig wieder fit, auch Emre Can fand seinen Platz im Kader – wenn auch nur auf der Bank. So gab es hinten wieder eine Viererkette mit Hummels und Akanji in der Zentralen und Meunier sowie Guerreiro auf den Außen. Die Doppelsechs besetzten mit Witsel und Delaney zwei Akteure der Abteilung „Absicherung“ und nach vorne hin gab es die volle Kapelle mit Reyna, Reus und dem formschwachen und auch am Samstag wieder enttäuschenden Sancho sowie Haaland in der Sturmspitze. Eigentlich vielversprechend. Die Bayern spielten im selben System und boten auf der rechten Abwehrseite Neuzugang Bouna Sarr auf, was vermutlich die einzige Besetzung war, mit der man vor der Partie nicht ungefähr hätte rechnen können. Ansonsten ist rund um das Spiel eben alles beim Alten. Geisterspiel, keine Fans im Westfalenstadion und damit eben ein Duell auf rein sportlicher Basis – was sicherlich nicht dem BVB in die Karten spielte…

Erste Hälfte

Kingsley Coman gegen Marco Reus
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Wie eingangs schon erwähnt wusste das Auftreten der Schwarzgelben schon in den ersten 45 Minuten eigentlich durchaus zu gefallen. Der BVB war wach und präsent in den Zweikämpfen, die er häufig für sich entscheiden konnte. Außerdem hatte Lucien Favre ein durchaus probates Mittel entdeckt, um die Bayern-Defensive zu überrumpeln. Die Gastgeber versuchten immer wieder mit langen Bällen hinter die letzte Abwehrreihe die Schnelligkeit der eigenen Offensive auszunutzen. Das gelang häufig und so wurde z.B. Erling Haaland immer wieder auf die Reise geschickt, auch wenn er zunächst knapp am Tor vorbei zielte. Und auch in der Defensive war der BVB konzentriert. Natürlich gab es auch Chancen für die Münchner, aber man kann wohl auch nicht erwarten, dass man eine solche Offensive um Robert Lewandowski über eine komplette Partie kaltstellen kann. Wenn es aber Chancen gab, so war entweder Bürki zur Stelle (beispielsweise bei einem Kopfball Goretzkas) oder der Ball flog ans Außennetz oder vorbei – bis zur 24. Minute. Dann nämlich leistete Thomas Meunier im Laufduell gegen Serge Gnabry nur Geleit, zum Glück der Hausherren stand Lewandowski beim anschließenden Torerfolg nach Hereingabe von der linken Seite jedoch hauchdünn im Abseits, sodass der VAR in Köln das Tor korrekterweise annullierte – nicht das letzte Mal für diesen Abend.

Torjubel um Marco Reus beim 1:0 für den BVB
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Nachdem sich Kimmichs Karma dann ein wenig ausbezahlt machte, da er sich bei einem eigenen rüden Einsteigen gegen Haaland selbst verletzte und dann ausgewechselt werden musste (Gute Besserung!), kam es doppelt dick für die Bayern. Der richtig gut aufgelegte Raphael Guerreiro hatte auf der linken Seite am Strafraum den genauen Überblick und bediente Marco Reus, der ansonsten bis dahin ein eigentlich unauffälliges Spiel machte, dann aber zur Stelle war und als „Mister 1:0“ sogar die Führung brachte. Ein kleiner Knackpunkt in dieser Partie war jedoch die Tatsache, dass dieser nicht in die Pause gerettet werden konnte. Und das war wirklich maximal unglücklich. Nicht unbedingt das Foul Delaneys an der Strafraumgrenze, aber zumindest die Ausführung des folgenden Freistoßes. Meunier fälschte Alabas Schuss, der sonst wohl ziemlich zentral auf Bürki zugeflogen wäre, nämlich so unglücklich ab, dass auch der auf die Linie zurückgerückte Hummels nicht mehr helfen konnte. Und so war die schöne Führung schon wieder dahin. Aber auch das gehört eben zum Fußball dazu.

Zweite Hälfte

In der zweiten Halbzeit wurde es dann noch ereignisreicher, auch wenn der BVB wenig an seinen Attributen, die die gute erste Hälfte ermöglichten, änderte. Und dennoch dauerte es nicht lange, bis man erstmals zurücklag. Eine Flanke Hernandez fand Lewandowskis Kopf, der von Hummels nicht gehindert werden konnte. Erneut ein Zeichen von Qualität, auch wenn man sicherlich Hummels und auch die Außenverteidiger in die Pflicht nehmen muss, die Hernandez flanken ließen. Der Treffer hinterließ doch ein wenig Wirkung und der BVB hatte Glück, dass Gnabry kurz darauf nicht schon alles klar machte, sondern stattdessen nur den Pfosten traf. Dennoch stockte der BVB nie auf, arbeitete weiter und kam auch wieder zurück in die Partie.

Bitter: Noch vor der Halbzeit erzielte David Alaba den Ausgleich zum 1:1
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Kurz nach seiner Einwechslung bediente Bellingham so zum Beispiel Reus, der nicht genug Wucht hinter seinen Abschluss brachte und somit Neuer vor keine große Herausforderung stellte. Aber natürlich ergaben sich durch den Druck erzeugenden BVB auch Räume für konternde Bayern, die diese schließlich auch nutzen konnten. Leroy Sané (ausgerechnet noch ein ehemaliger Blauer) schien den Deckel aufs Spiel zu machen. Dann aber folgte ein weiterer Geniestreich Guerreiros mit einem senstationellen Heber für Haaland, der Neuer austanzte und somit für den Anschlusstreffer sorgte. Hoffnung keimte auf, auch weil Lewandowskis 4:2 noch einmal wegen Abseitsstellung zurückgepfiffen wurde. Zuvor hatte Reus den Ausgleich auf dem Fuß, der eine Flanke von links volley auf bzw. leider eher über das Tor brachte – das hätte gut und gerne das 3:3 sein können, vielleicht sogar müssen.

Fazit

Mats Hummels kann es nicht fassen: Leroy Sané erzielte soeben das 3:1
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Und so blieb es am Ende eben bei einer Niederlage für die Borussia. Eine Niederlage, bestehend aus Kleinigkeiten. Gegen die Bayern muss zum Sieg – oder auch für ein Unentschieden - eben alles sitzen, da sind drei Gegentore zu viel und die eigene Chancenverwertung an diesem Samstagabend zu wenig, was sich auch beim Blick auf die nicht immer aussagekräftigen, hier aber durchaus passenden „Expected Goals“-Werte bestätigen lässt. Und ja, auch die Chancenverwertung ist eine Frage der individuellen Qualität, die letztlich bei den Bayern eben noch ein Ticken höher ist. Und so war ich am Ende des Tages lange nicht so verärgert über diese Niederlage wie bei anderen Auftritten gegen die Münchner, was nicht nur damit zusammenhängt, dass sich der Fußball aktuell eben weniger leidenschaftlich verfolgen lässt. Der BVB war couragiert und mutig, er war nah dran – am Ende waren die Bayern vielleicht nicht mal besser, aber eben effektiver – und das war es dann auch schon. Dafür habe ich das Gefühl, dass der BVB weiter auf einem guten Weg ist, auch wenn schwer zu sagen ist, wohin dieser Weg letztlich führen wird. Wir müssen uns vor den Bayern jedenfalls nicht verstecken und sollten zunächst erst einmal weiter auf uns gucken und Punkte sammeln. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass dann doch noch mal Punkte bei den Bayern liegen bleiben, sollte man da sein. Und ansonsten ist „gut“ eben nicht genug für die Bayern – aber schlecht ist es eben auch noch lange nicht…

Statistik

BVB: Bürki – Meunier, Hummels, Akanji, Guerreiro – Witsel, Delaney (60. Bellingham) – Sancho (69. Hazard), Reyna (69. Brandt), Reus – Haaland

FCB: Neuer – Sarr, Boateng (69. Martinez), Alaba, Hernandez – Goretzka, Kimmich (36. Tolisso) – Gnabry, Müller, Coman (69. Sané) – Lewandowski

Tore: 1:0 Reus (45.), 1:1 Alaba (45.), 1:2 Lewandowski (48.), 1:3 Sané (80.). 2:3 Haaland (83.)

Gelbe Karten: Witsel – Kimmich, Lewandowski

Schiedsrichter: Gräfe

Für Fassungslosigkeit sorgten Haaland und Reus mit mangelnder Chancenverwertung
© Jürgen Fromme/firo/Pool via Schwatzgelb.de

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