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Der DFB präsentiert: Eskalation

02.03.2020, 13:29 Uhr von:  Gastautor
Der DFB präsentiert: Eskalation

Nach der Verkündigung der Kollektivstrafe gegen die Fans des BVB, die Auswärtsfahrten nach Hoffenheim für 2 Jahre verbietet, erlebten wir am vergangen Spieltagssamstag (24. Spieltag) diverse Solidarisierungen von verschiedenen Fanlagern in der Bundesliga. Und damit eine neue Stufe der Eskalation.§185 unseres Strafgesetzbuches stellt Beleidigung unter Strafe. Für die meisten von uns fällt „Hurensohn“ vermutlich in diese Kategorie. Um diese Beleidigung ging es auch im Fall der Kollektivstrafe gegen den BVB, veranlasst durch Dietmar Hopp. Aber ist das genauso schlimm wie Rassismus?

Der DFB meint: Ja, mindestens. Dietmar Hopp, der beliebte Mäzen von TSG Hoffenheim, erlebte nach der Verkündigung jener Kollektivstrafe für BVB-Fans einen Gegenwind aus verschiedenen Fanblöcken der Bundesliga. Bereits am 23. Spieltag machten Gladbacher Fans mit dem berüchtigten „Hopp-im-Fadenkreuz“-Transparent Schlagzeilen.Erstmals kam es seitens der Schiedsrichter zu einer Spielunterbrechung, wie dies im 3-Stufen-Plan im Stadion vorgesehen ist. Am 24. Spieltag folgten weitere Spiele, die aufgrund von Schmähplakaten oder -gesängen unterbrochen wurden. Die Mannschaften vom FC Bayern und TSG Hoffenheim unterbrachen sogar eigenständig den Spielbetrieb und gingen geschlossen nach Abpfiff mit den Vereinsführungen (und Hopp) zu den Fans. Im allgemeinen Medienkosmos wurden diese Aktionen sehr begrüßt und man sprach nach den Spielen von „Durchgreifen“ und „richtiges Zeichen“. Als Fan jedoch bleibt man mitunter etwas verdutzt zurück, denn wer in den letzten Wochen den deutschen Fußball verfolgt hat sah, dass offener Rassismus im Stadion nicht in dieser Art und Weise geahndet wurde. Nun kann man sagen, dass der DFB dazugelernt hat, unter Handlungsdruck stand und auch im Geiste des rassistischen Anschlags in Hanau generell härter gegen Beleidigungen durchgreifen möchte.

Aber wir müssen hier von zwei verschiedenen Dingen reden: Die verbalen Angriffe gegen Dietmar Hopp mögen unpassend sein und insbesondere das Fadenkreuz-Banner ist sehr geschmacklos. Hopp ist allerdings ein privilegierter weißer Mann und somit in einer anderen Position unserer Gesellschaft als nicht-weiße Menschen. Außerdem wird Hopp dafür beleidigt, weil er ist, wer er ist und wofür er steht: die endgültige Kommerzialisierung des Fußballs in Deutschland. Er wird nichtwegen seines Aussehens oder der Herkunft angegriffen, wie das bei rassistischen Angriffen der Fall ist.

Opfer rassistischer Angriffe müssen zudem davon ausgehen, dass ihnen körperliche Gewalt angetan wird. Dies ist im Fall Hopp bis heute nicht geschehen und war zu keinem Zeitpunkt von irgendwem gewollt. Das Vokabular auf Transparenten im Fanblock ist in der Regel derb und stumpf und muss einem nicht gefallen, aber es dient der Aufmerksamkeit.E s ist allerdings etwas anderes, ob bei rassistischen und sexistischen Plakaten unterprivilegierte Menschen und Menschengruppen angegriffen werden (Hassrede) oder einfach eine einzelne Person (Beleidigung). Der DFB hat es nicht verstanden, dass diese Dinge getrennt werden müssen und schießt mit seinen Spielunterbrechungen komplett über das Ziel hinaus. Durch die Spielunterbrechungen, wie sie geschehen sind, hat der DFB eine weitere Eskalation zwischen Fans und DFB hervorgerufen, denn wer sich in der deutschen Fanszene nur ein bisschen auskennt, weiß wie schnell Solidarisierungen zwischen Fanlagern stattfinden und weitere Provokationen daraus folgen.

Es folgten Mechanismen auf Seiten der Fans die absolut vorherzusehen waren und der DFB hat scheinbar ein Kompetenzproblem in Sachen Fanarbeit, wenn diese Reaktionen nicht vorhergesehen wurden. Unabhängig davon, dass die Fans natürlich ihren Beitrag dazu leisten, dass die Situation weiter eskaliert, sehe ich den DFB in der Verantwortung besonnen und deeskalierend zu reagieren. Stattdessen wird offen kommuniziert, dass mit Beleidigung in Zukunft weiterhin so, wie am 23. und 24. Spieltag geschehen, verfahren wird. Damit hat sich der DFB eine Aufgabe gestellt, die dieser niemals erfüllen kann, denn wo fangen Beleidigungen an? Wo zieht man die Grenze? Ist „BVB Hurensöhne“ genauso schlimm wie Dietmar Hopp zu beleidigen? So kann bald jedes zweite Bundesligaspiel abgebrochen werden. Ich sehe darin keine Lösung, sondern im Gegenteil: die Situation wird in Zukunft weiter eskalieren. Anstelle des DFB hätte man die Beleidigungen gegen Hopp ansprechen und vielleicht mit Geldstrafen sanktionieren sollen, aber das gleiche Verfahren anzuwenden, wie bei rassistischen Beleidigungen wird das Problem nicht lösen und ist eine Relativierung von Rassismus. Denn es ist nicht das gleicheHopp „Hurensohn“ zu nennen und einem schwarzen Spieler Affenlaute zuzurufen. Man wird abwarten müssen, wie der DFB in Zukunft agieren wird, aber eins steht fest: das Thema Hopp wird uns nun noch länger begleiten, als es hätte sein müssen.

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