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Der BVB in Zeiten von Corona – wie ist das neue Stadionerlebnis?

15.10.2020, 17:09 Uhr von:  Gastautor
Anzeigetafel im Stadion mit Hinweis zur Maskenpflicht und 1,5 Meter Abstand halten

Unser Gastautor Marc war trotz Corona Pandemie beim Spiel gegen Freiburg. Hier beschreibt er seinen Tag in Dortmund und im Westfalenstadion.

Samstags, Heimspiel und dann auch noch für 15:30 terminiert. Die geilsten Bedingungen für einen tollen Spieltag sind also vorhanden, wäre da nicht dieses lästige Virus, das uns schon so lange beschäftigt und auch noch eine Zeit lang tun wird.

Während mein Wecker also um 7:15 klingelt, ich mich eigentlich schon sehr freue auf „endlich wieder Stadion“ – da mein letzter Stadionbesuch bzw. Heimspiel passenderweise am 29.02.2020 (1:0 gegen Freiburg) war – und heute wieder gegen Freiburg gespielt wird, husche ich direkt durch das Haus um mich fertig zu machen. Die Freunde wollten ja vorher kommen und gemeinsam Frühstücken gehen.

Als ich dann in den letzten Zügen war, nur noch die Entscheidung getroffen werden musste, ob ich Fankleidung mitnehme oder nicht (Spoiler: habe dann doch keine mitgenommen), kam der letzte Checkup. Geld eingepackt? Dauerkarte eingepackt? Moment mal, wo ist die Dauerkarte? Schließlich habe ich als gut organisierter Bürokaufmann ja eigentlich immer alles passend da. Aber leider existiert keine Dauerkarte für diese Saison. Daher dann der Griff zum Drucker, aus dem das Ticket nur wenige Minuten später rauskam.

Wir hatten uns im Vorfeld von Freunden, die zum Heimspiel gegen Mönchengladbach da waren, die Meinung eingeholt und von Rückmeldungen wie „ist ok“ und „kann man machen, aber ist halt anders“ sowie „Geldverschwendung“ war bei mir alles dabei. Aber die wichtigste Meinung ist ja bekanntlich immer die eigene und daher fiel die Entscheidung nicht schwer, dass wir uns das mal angucken wollten.

Wie bekannt ist, verlost der BVB die Tickets unter allen Dauerkarteninhabern (und auch Vereinsmitglieder) die aus Dortmund bzw. NRW kommen und auch nur wenn die entsprechenden Infektionszahlen aus der Stadt nicht den kritischen Wert erreichen. Der BVB sucht sich so also quasi sein Publikum aus. Das eigentliche Bewerbungsverfahren geht online sehr schnell und man hat viele Optionen zur Auswahl – die Preise sind dafür absolut in Ordnung und wir haben uns für Tickets in der 15€-Kategorie entschieden. Da in dem Preis sogar der VRR enthalten ist, macht man allein schon mit dem Ticket einen guten Kurs, wenn man seine Oma in Bochum besuchen möchte.

Der BVB hat dann alles gesammelt, verlost und die „Gewinner“ benachrichtigt – wir waren dabei.

Es sollte daher auf die Tribüne Nordwest gehen, Block 66, und damit man auch gesund bleibt und etwas Sport macht, in die Reihe 44. Das ist wirklich die letzte Reihe. Wir beide waren trotzdem happy und planten ab diesem Zeitpunkt den Samstag durch. Was kann man machen? Welche Kneipen haben „auf“, wo man die Zeit vorher verbringen kann?

Aber eins nach dem anderen. Der BVB hatte kurzfristig noch 1.500 mehr Tickets verkaufen dürfen, da die Stadt Dortmund diese Kapazität freigegeben hatte, weshalb sich 2 unserer Freunde noch eingedeckt haben – auf der Südtribüne in Block 14, also bessere Karten als wir haben. Herrlich.

Wir springen an dieser Stelle also mal wieder ins Geschehen rein, nachdem wir den Hintergrund etwas beleuchtet haben und sind gerade nach ausgiebigen Frühstück zu viert (und ein Kasten war mit an Bord) mit dem Auto unterwegs von Krefeld nach Duisburg, um dort noch ein paar Stunden in gemütlicher Runde zu verbringen. Schließlich konnte man so wirklich nichts mit dem Tag anfangen und wir hätten sonst an einem normalen Spieltag die Zeit mit unserem Fanclub verbracht.

Zur Info: Jedes Ticket (bzw. 2 Tickets zusammengekauft Tickets) hat einen vorgeschriebenen Einlasspunkt und einen Einlasszeitraum. Dabei haben unsere beiden Freunde 14:00 – 14:15 gehabt und wir hatten 15:00 – 15:15 Uhr. Also fuhren wir im Anschluss der gemütlichen Runde mit dem 12:38 Uhr-Zug nach Dortmund.

Zugfahren in Corona-Zeiten

Zugfahren in Corona-Zeiten ist auch ein Erlebnis für sich. Die Deutsche Bahn bittet bzw. schreibt es sogar vor glaube ich, dass im gesamten Bahngelände, aber allerspätestens eben im Zug selber eine Maske getragen werden muss. Während man also wieder auf der Suche nach einem Sitzplatz ist und wildfremde Leute nebeneinander sitzen (wie viel cm war nochmal der Mindestabstand?) haben wir nach kurzer Suche auch noch ein Plätzchen gefunden – im Gang auf dem Boden, immerhin sind wir da unter uns gewesen. Während uns also der Zug Richtung Dortmund brachte, leerten wir noch ein paar Bierchen und erreichten Dortmund dann ungefähr so gegen 13:15 Uhr – also noch ca. 45 Minuten bis unsere Freunde am Stadion sein mussten.

Möchte man vom Dortmund Hbf zum Westfalenstadion, hat man hier ja verschieden Möglichkeiten: Die einen nehmen den Regionalzug, die anderen die U-Bahn, Taxi und was es nicht alles gibt. Wir entschieden uns für einen gemütlichen Spaziergang, eben, weil auch noch Bier übrig war.

Nach einem ruhigen und entspannten Spaziergang erreichten wir dann um ca. 14:00 Uhr das Stadion – endlich mal ein gewohnter Blick und die Anzahl an Menschen stieg rapide an. Maskenpflicht gab es zwar schon, wurde aber größtenteils bis vor dem Einlass nicht sonderlich eingehalten. Man kommt sich selber auch bei 11.500 Leuten, die auch noch gesplittet sind, nicht zu nah. Da ist das dann auch okay. In den wichtigen Bereichen wurde die Maskenpflicht nämlich vorbildlich umgesetzt.

Am Stadion

Da unsere Freunde dann direkt Richtung Südtribüne losmarschiert sind, bevor sie ihren Einlasszeitraum verpassten, ging es für uns beide nach ein paar lockeren Gesprächen mit einigen Bekannten, die man zufällig vorm Stadion getroffen hat, noch in den Biergarten Rote Erde auf ein paar Bierchen. Ja – hier und an ein paar Buden vorm Stadion gibt es alkoholhaltiges Bier – im Stadion selber nicht. Also holten wir uns nochmal eine letzte Runde Bier, die wir dann mit ins Stadion nehmen wollten.

Mehere Aufhänger weißen auf die Corona Vorschriften im Biergarten hin
Corona Vorschriften im Biergarten Rote Erde

Freudestrahlend gingen wir dann mit unserem frisch gezapften Bier Richtung Nordwest und der Einlassbereich spricht auf jeden Fall Bände: Alles sehr streng eingezäunt und man wird richtungsweisend direkt, schon sehr weit vorher in einen Gang gesteckt, den man dann bis zu den Drehkreuzen durchlaufen kann. Aber vorher gibt es den ersten Check, bevor man zu den Drehkreuzen kommt. Nämlich Ticketkontrolle inkl. Personalausweis, was auch schnell ging. Weiter in der Mitte des langen Gangs dann die nächste Kontrolle, wo der nächste Mitarbeiter uns sagte, dass wir das Bier entweder austrinken oder wegschütten müssten. Hä? Wieso hat uns das der erste Mensch nicht schon gesagt? „Ja, der hat keine Ahnung, aber ist so.“

Also musste das Bier in unter 5 Sekunden dran glauben, schon ein kleiner Rekord, auf welchen ich aber nicht sonderlich stolz bin. Da es etwas geregnet hat, wir endlich bei den Drehkreuzen angekommen waren und mein Ticket durch den Regen etwas nass geworden ist, gab es Probleme mit dem Einlass bei mir. Nach dem 15. Mal Scannen hat es aber geklappt. An dieser Stelle befanden wir uns das erste Mal wieder im Westfalenstadion – endlich! Schön zu beobachten an dieser Stelle ist aber, wie diszipliniert alles ablief. Es waren nie sehr viele Menschen und eben auch nie sehr lange an einem Fleck. Nach erneuter Ticketkontrolle vor dem Tribünenaufgang befanden wir uns also auf der Nordwest – bemerkenswert ist auch an dieser Stelle, wie leer das gesamte Stadion so wirklich ist. Auf allen Ebenen sind kaum Menschen anzutreffen – Schlangen vor den Toiletten oder Cateringständen gab es praktisch nicht.

Der Einlass am Stadion ist so gut wie leer. Einige Ordner in roten Jacken stehen am Drehkreutz.
Keine Menschenmenge am Eingang

Auf unseren Plätzen dann ein gewohntes Bild: Der BVB macht sich warm und die Zeit bis zum Anpfiff verging wie im Fluge (waren ja auch nur noch ca. 10 Minuten). Hier allerdings setzte bei uns die traurige Erkenntnis ein, dass es zwar schön ist, wieder im Stadion sein zu können – und eben auch mit einem Freund an der Seite, es aber logischerweise in keiner Form ein adäquater Ersatz für das Erlebnis „vor“ Corona ist. Wir selber stehen alle schon jahrelang in Block „Drölf“ und haben dort auch unseren festen Stammplatz. Fußball lebt von seinen Fans und den Emotionen und auch wenn der BVB den Sportclub aus Freiburg mit 4:0 aus dem Stadion schoss und man sich sehr freute, war es einfach ein komplett anderes Erlebnis. Das fängt eben auch schon mit dem Stadionbierchen an und dem beliebten „Halbzeitbier“ geht es weiter. Weiterhin kommt eben im Stadion ja auch keine richtige Stimmung auf, weil es (verständlicherweise) keinen organisierten Support gibt und so unterhielt man sich während des Spiels mit den Leuten in seinem unmittelbaren Umfeld.

Wir funkten dann per WhatsApp kurz zu unseren Freunden auf der Süd rüber, ob wir nicht ein paar Minuten früher vor Abpfiff gehen, damit man nicht mit 10.000 Leuten aneinander kommt und sind dann ungefähr 1-2 Minuten vorher gegangen. Die Abreise zum Hbf zurück verlief etwas holprig, da wir mit der U-Bahn gefahren sind und man wusste ja, dass mehrere Leute diesen Plan verfolgen. Dementsprechend war hier zumindest am Gleis selber eine große Menschenansammlung zu verzeichnen, die sich dann in die kleine U-Bahn reinbegaben – aber auch hier ist alles letztendlich in Ordnung gewesen, weil es ja auch Menschen mit Gehirn gibt und man sich in der U-Bahn auch mal rücksichtsvoll verhalten kann. So haben alle einen Platz gefunden und die Abstände konnten eingehalten werden.

Im Stadion mit Blick auf das Fussballfeld. Viele Sitzplätze sind leer
Die Zuschauerzahl: 11.500 BVB-Fans "ausverkauft"

An dieser Stelle muss man auch sagen, dass das echt bemerkenswert ist, hat man doch sonst in den U-Bahnen nur ungefähr einen halben Quadratmeter Platz und hängt eh schon dem Vordermann an den Ohren.

Am Hbf angekommen wurde noch der erstbeste Kiosk für ein paar Rückweg-Bierchen in Anspruch genommen und den ersten Zug Richtung Krefeld über Duisburg genommen, was den Spieltag dann mit einem Kneipenbesuch in Krefeld ausklingen ließ.

Mein Fazit

Fußball in Zeiten von Corona kann man sich schenken. Zumindest wenn man mit der jahrelangen Erwartungshaltung geprägt ist, jedes Heimspiel seine Freunde zu treffen, mit ihnen mit einem kühlen Bierchen anzustoßen, im Block eng zusammenzustehen, jeden Torjubel einen neuen Rekord aufzustellen mit „wie tief fliegt man runter“ und noch vieles mehr. Jeder gestaltet seinen Spieltag ja anders und deswegen liegen hier eben die Erwartungen und die Punkte, die einem persönlich sehr wichtig sind, sehr weit auseinander.

Für uns selber war es aber eine Erfahrung wert und genau das würde ich jedem Leser empfehlen – einfach mal selber ein Bild machen und dann kann man immer noch entscheiden ob „das“ das neue Fußballerlebnis ist, oder man lieber noch wartet bis wieder „alle“ ins Stadion können.

Marc

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