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Taktiktafel - was mit dem Kader alles möglich wäre - Teil I

14.08.2019, 07:11 Uhr von:  Sascha
Taktiktafel - was mit dem Kader alles möglich wäre - Teil I

Wieder einmal gab es etliche Änderungen im Kader des BVB. Während man für diese Saison jedoch einmal alle Leistungsträger halten, dafür aber wirklich gute Leute neu verpflichten konnte, hat der Kader eine ziemlich hohe Qualitätsdichte. Trainer Lucien Favre ermöglichen sich dadurch etliche Variationen. Wir haben in einem zweiteiligen Text einmal ein paar Aufstellungen durchgespielt.

„Totale Offensive“

Der endgültige Beweis, dass eine extrem offensive Variante nicht von der Anzahl der aufgebotenen Stürmer abhängig ist. In der Innenverteidigung können Hummels und Akanji beide das Spiel eröffnen, die Stärken der beiden Außenverteidiger Schulz und Hakimi kommen ebenfalls in der Vorwärtsbewegung am besten zur Geltung. Zentral defensiv sichert Axel Witsel alleine ab und ist gleichzeitig erste Rückpassoption. Die Offensivreihe bestehend aus Thorgan Hazard, Marco Reus, Julian Brandt und Jadon Sancho dürfte, das kann man wohl so feststellen, die am hochklassigsten besetzte der ganzen Liga sein und Paco Alcácer als einzigen und einzig echten Strafraumstürmer häufig in Abschlusssituationen bringen.

Die "totale Offensive"
© meineaufstellung.de

Prunkstück dieser Variante ist mit Sicherheit das zentrale Mittelfeld aus dem Dreieck Witsel, Reus und Brandt. In Leverkusen zeigte Julian Brandt in der letzten Saison seine stärksten Spiele im zentralen Duett mit Kai Havertz. Es spricht vieles dafür, dass das Zusammenspiel mit Marco Reus ähnlich glänzend funktionieren kann. Brandt kann zwar ebenfalls über die Außenbahn kommen, wirkte dort zuletzt aber deutlich weniger auffällig.

Trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit, diese Variante zu sehen, sehr gering. Gegen tiefstehende Gegner dürften zu wenig Räume vorhanden sein, um das enorme Tempopotential ausspielen zu können, so dass es vermutlich eher in ein „blindes Anrennen“ münden würde. Ein 4-1-4-1 würde vermutlich eher modifiziert mit Raphael Guerreiro und/oder Mario Götze gespielt werden. Die beiden sind im Passspiel stärker und würden die Chance erhöhen, eine massive Defensive spielerisch zu überwinden.

Für Gegner, die selber den Vorwärtsgang einlegen, dürfte diese Variante dagegen zu defensivschwach sein. Außenbahnen mit Schulz/Hazard und Hakimi/Sancho wären extrem anfällig, weil alle vier Spieler höher stehen und, wie erwähnt, ihre Qualitäten eher im Offensivspiel haben. Die Räume, die sich auf den Flügeln bieten würden, wären so groß, dass Witsel alleine sie nicht zulaufen könnte. Auch ein herausrückender Mats Hummels wäre gegen einen schnellen Außenbahnspieler des Gegners aufgrund seines Tempodefizits keine große Hilfe mehr.

„Die Null muss stehen“

Zugegeben, diese Variante wäre nicht unbedingt das, was Huub Stevens als ultradefensiv bezeichnen würde, aber vielleicht die abwehrorientierteste, die mit unserem Kader möglich ist. Die beiden Außenverteidiger Piszczek und Schmelzer sind beide defensiv stabiler als ihre Pendants Schulz und Hakimi. Diese zwei Spieler kommen über offensive Tempoläufe tief in die gegnerische Hälfte. Bei „Schmelle“ und „Pischu“ schränkt mittlerweile schon das Alter den Aktionsradius etwas ein. Während Lukasz Piszczek zumindest in seiner Hochzeit für Offensivaktionen ebenso gefürchtet war wie für eine kompromisslose Arbeit nach hinten, war Marcel Schmelzer schon immer im hinteren Bereich effektiver als vorne.

"Die Null muss stehen"
© meineaufstellung.de

Das defensive Mittelfeld wird von der klassischen Besetzung der letzten Spielzeit gebildet. Wie wichtig Axel Witsel innerhalb von nur einer Saison geworden ist, zeigt der Umstand, dass er in jeder möglichen Spielvariante als Balleroberer, -behaupter und -verteiler im defensiven Mittelfeld gesetzt ist. Thomas Delaney als Nebenmann ist dabei deutlich körperbetonter unterwegs als Julian Weigl.

Das offensive Mittelfeld besteht in dieser Variante aus Raphael Guerreiro, Marco Reus und Mario Götze. Guerreiro war ursprünglich als Linksverteidiger geholt worden und bekleidet diese Rolle auch in der Nationalmannschaft Portugals. Dass er aber beim BVB vornehmlich in der Angriffsabteilung unterwegs ist, erfolgt nicht grundlos. Für die Rolle des Verteidigers verliert er oft den Raum hinter sich aus den Augen, zudem gehört Zweikampfstärke nicht zu seinen hervorstechensten Eigenschaften. Trotzdem weiß er, wie ein Defensivspieler denkt und zeigte zuletzt im Supercup, dass er sehr effektiv helfen kann, eine Seite „dicht zu machen“. Kapitän Reus ist, ähnlich wie Witsel, immer gesetzt. Vor allem in der letzten Hinrunde hatte er teilweise wahnsinnigen Aktionsbereich und war sich nicht zu schade, Löcher im Zentrum zuzulaufen und entlastete so die Abwehr. Etwas überraschend mag mancher die Aufstellung Mario Götzes finden, aber man darf nicht vergessen, dass er unter Jürgen Klopp seinen Weg in den Profifußball fand. Verschieben, permanente Laufarbeit, die Arbeit in den Rückraum – all das hat er in etlichen Trainingsstunden verinnerlicht.

Im Sturm läuft in dieser Spielart Thorgan Hazard auf. Eigentlich ist das eher eine Nebenposition für ihn, aber hier liegt das Hauptaugenmerk auf dem schnellen Umschaltspiel, wenn wir selber im Ballbesitz sind. Dafür dürfte Hazard mit seiner Kombination aus Technik und Tempo die Nase gegenüber Paco Alcácer vorne haben, der nicht gerade als Sprintwunder bekannt ist.

Die Wahrscheinlichkeit, diese Formation jemals zu sehen, ist recht gering. Die letzte Saison hat schon deutlich gezeigt, dass Lucien Favre nicht unbedingt ein großer Fan von Schmelle ist und schon seine Berufung in die Startelf eine Überraschung wäre. Darüber hinaus sollte der BVB in der Bundesliga fast immer den Ansatz verfolgen, das Spiel selbst zu bestimmen. Eventuell ergeben sich aber nach der Gruppenphase der Champions League, oder bei schweren Auswärtsaufgaben in München oder Leipzig Überlegungen, aus einer eher zurückgezogenen Aufstellung heraus zu operieren. Und eins ist dabei klar: auch in der defensivsten Variante ist die Offensive keinesfalls aus der Holzfußklasse und jederzeit in der Lage, eigene Tempoangriffe zu initiieren.

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