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Ewerthon – Hommage an einen Kindheitshelden

14.06.2019, 16:37 Uhr von:  Lionard
Ewerthon – Hommage an einen Kindheitshelden

Fan eines Fußballvereins zu werden, ist oft keine bewusste Entscheidung. Kein Prozess, der von langer Hand geplant wurde. Kein Analysieren von Statistiken. Kein Resultat von Pro- und Contra-Listen. Vielmehr ist es etwas, was einfach passiert. Etwas, was man mitgegeben bekommt – von Freunden oder von der Familie. Bei mir waren es meine Brüder, die in ganz jungen Jahren dafür gesorgt haben, dass ich zum BVB kam. Genauer gesagt ein für mich damals überdimensionales Mannschaftsposter im Zimmer meines Bruders, welches auf mich als Dreijährigen gehörigen Eindruck gemacht hat. Für den ersten richtigen Kick sorgte aber ein ganz gewisser Spieler…

Das erste „große“ BVB-Spiel, an welches ich mich in ganzer Länge erinnere, war das Meisterschaftsspiel 2002. Als damals Siebenjähriger saß ich nervös auf dem Fußboden des Wohnzimmers meines Vaters, seines Zeichens Bayern-Fan, und fieberte mit unserer Borussia unter dem Kommentar von Marcel Reif mit. Im damaligen Herzschlagfinale und Fernduell mit Bayern und Leverkusen, musste der BVB gegen Werder Bremen ran.

Nach dem Bremer Führungstreffer durch Stalteri glich Koller mit einem Schuss (!) aus. Lange stand es 1:1 und das Westfalenstadion lauerte auf das erlösende Führungstor. In der 74. Minute wurde einer der ersten BVB-Helden meiner Kindheit geboren: Ewerthon, Sekunden zuvor für Jörg Heinrich eingewechselt. Nach einem Foul an Ricken chippte Rosicky den Ball von der linken Seite in den Strafraum und Dede flankte artistisch in die Mitte, wo Koller per Kopf verpasste und Rost an den langen Pfosten klärte. Ewerthon grätschte aus schwierigem Winkel in den Ball und drückte die Pille an den Innenpfosten und somit über die Linie! Ein Tor, bei dem verdammt viel hätte schief gehen können, bescherte uns damals die Meisterschaft.

Mit vielen Jahren Abstand wissen wir, dass dieser glorreiche Erfolg teuer erkauft und unseren BVB an den Rand des Abgrunds geführt hat. Ohne diese Meisterschaft würden wir aber wahrscheinlich noch negativer über die Zeit nachdenken, die vor der großen finanziellen Krise von einer unglaublich talentierten Mannschaft geprägt war.

Ewerthon war ein Teil davon. 2001 wechselte der dribbelstarke Stürmer für 7,1 Millionen Euro als Torschützenkönig der U20-Südamerikameisterschaft von Corinthians São Paulo zum BVB. In den ersten beiden Bundesligaspielen brillierte er prompt mit jeweils einer Vorlage und einem Treffer und avancierte zum Stammspieler. Zum Ende der Saison wurden seine Einsatzzeiten weniger, das Tor zum 2:1 gegen Werder Bremen wird aber auf ewig mit Ewerthon verbunden sein.

In den vier Saisons, die der Brasilianer bei uns absolvierte, traf er in der Bundesliga stets zweistellig: 10, 11, 16 und 10 Saisontore waren am Ende auf seinem Konto. In 153 Pflichtspielen kam er insgesamt auf 53 Tore und 24 Vorlagen. Sein Abschied aus Dortmund war im Gegensatz dazu unrühmlich: Nachdem er selbst Ende 2004 Gerüchte zu seinem Abgang befeuerte, scheiterten Gespräche zur Vertragsverlängerung an zu hohen Gehaltsforderungen des Angreifers: „Ich weigere mich, ständig der Buhmann für alles zu sein. Und zweitens sollten die Dortmunder meine Forderungen erfüllen“, sagte Ewerthon in einem Interview mit der „B.Z.“. Am Ende seiner letzten Saison stand nur die Qualifikation für den UI-Cup zu Buche, welche schließlich peinlich gegen Sigma Olmütz aus Tschechien endete. Ewerthon wechselte zuvor für 3,5 Millionen Euro nach Saragossa – der BVB musste eben sparen…

Meine Eltern trafen zu seiner BVB-Zeit eine weise Entscheidung und schenkten mir das Ewerthon-Trikot zahlreiche Nummern zu groß, damit dieses über einige Jacken- und Pulli-Schichten beim Stadion-Besuch passte. Damals sah es eher wie ein übergroßes Nachthemd aus, heute passt es mir perfekt. Nach Ewerthons Karriereende läuft er nun für die BVB-Legendenmannschaft auf. Natürlich stecken hinter diesem Team viele PR-Gedanken, aber es macht schon Spaß, die Helden der Kindheit wieder spielen zu sehen. Auch wenn Ewerthons Abschied aus Dortmund nicht schön war und er beim BVB nicht immer überzeugen konnte, hat sich der Kreis für einen der ersten BVB-Helden meiner Kindheit geschlossen. Danke für die Meisterschaft 2002, Ewerthon!

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