Spielbericht Profis

Hier könnte eine Überschrift mit dem Wort „Geschenke“ stehen

18.12.2019, 20:58 Uhr von:  Ida
Hier könnte eine Überschrift mit dem Wort „Geschenke“ stehen

Kurz vor den Weihnachtsfeiertagen ist ja bekanntlich der perfekte Zeitpunkt, um besinnlicher zu werden und Ruhe einkehren zu lassen, um das Fest der Liebe im Beisammensein seiner Liebsten gebührend zu feiern. Wie das jedoch an Weihnachten bekanntlich so ist, sind die vorgetragenen Gedichte dann häufig beschissen, die Gans zu zäh, das Lametta zu wenig und auch mit den Gästen gilt es, sich unbequemerweise mehr schlecht als recht zu arrangieren. Denn wenn man das ganze Jahr über keine Lust auf den angeheirateten, reichen Onkel aus dem Osten hat, und diesen am liebsten nicht nur ausladen, sondern generell in die Wüste jagen würde, warum genau sollte das an diesen Tagen dann anders sein? Richtig, es ist und bleibt ein völlig unnötiger Besuch. Bringt dieser Onkel dann auch noch seine arroganten, unerzogenen und verwöhnten Quälgeister mit, bleibt einem die Gans dann endgültig im Halse stecken. So oder so ähnlich sollte es auch gestern kommen.

Klare Ansage der Südtribüne zum Leipziger Projekt

Wie in jeder Familie gibt es nun aber auch beim Onkel aus Leipzig die vermeintlich schwarzen Schafe, die sich rebellisch gegen die von falscher Hand geführte Familie wehren, und so erkannte man gestern beim Anblick des Gästeblocks eine großes Loch. Denn der vor 3+1 Jahren von Onkel Ralf prognostizierte stimmungsfreudige Mob, der, laut eigener Aussage, selbst mit denselbigen aus dem Ruhrpott fast in Konkurrenz treten könnte, hatte sich dankenswerterweise dazu entschlossen, sich von solch absurden Aussagen zu distanzieren. Um ein richtiges Zeichen zu setzen hatte man direkt mal vergessen, die vorgefertigten Einladungen auch wahrzunehmen und war daher, bis auf ansehnliche 15 Mann, gar nicht erst zum Spiel erschienen. Vom Rest der Bullen, die sich am gestrigen Tag auf der Tribüne wiederfanden, wehte nicht einmal ein Lüftchen an Stimmung durch das Stadion. Welch Überraschung.

Mehr Stimmung hingegen hallte an diesem Dienstag nach 30 Jahren das letzte Mal von den Selmer Sonnenkindern durch das Stadion, die die Südtribüne mit dem altehrwürdigen Medley aus BVB09 und Jingle Bells zum Hüpfen brachte. Eine Tradition, bei der der gemeine Leipzigfan schon erblassen kann, wenn die vermeintlich eigene gerade einmal an zwei Händen abgezählt werden kann.

Halbzeit Eins

Julian Brandt bejubelt seinen Treffer zum 2:0

Mit Schwung ging es rein in Halbzeit eins, von der zumindest die ersten Minuten dem Brauseclub gehören sollten. Von einem lautstarken Pfeifkonzert begleitet, traten die Gäste aus Leipzig zunächst dominant und aggressiv auf, was dazu führte, dass die Schwarzgelben vor allem damit beschäftigt waren, die Defensive stabil zu halten und Leipzig nicht kommen zu lassen. Es spricht für die Mannschaft, dass sie diese Phase schadenfrei überstand und im Umkehrschluss in der 15. Minute durch einen Kopfball von Hummels zur ersten guten Gelegenheit vor dem Leipziger Kasten kam. Von den Leipzigern war ab dann nicht mehr viel zu sehen. Dortmund kombinierte sich ruhig und selbstbewusst durch die Leipziger Reihen und belohnte sich in der 23. Minute durch Weigls Schuss von links selbst. Vorausgegangen war ein starkes Dribbling von Sancho, der aus der Mitte des 16ers abzog, den Ball jedoch nicht platziert genug aufs Tor brachte. Der zweite Ball landete schließlich vor Weigls Füßen, dessen Schuss wenige Zentimeter vor Gulacsi noch einmal aufsetzte und Leipzigs Torhüter mehr als alt aussehen ließ. Und während das Stadion inbrünstig „Unser ganzes Leben, unser ganzer Stolz“ über den Rasen schmetterte, ging es unten schon mit schwarzgelbem Kombinationsfußball weiter, der nur selten unterbrochen wurde. Passend zum Kommentar hinter mir im Block („Wenn die Leipziger eine Chance kriegen, sind sie brandgefährlich“) hatte Julian Brandt in der 31. Minute seinen ersten Schlafmoment als er einen klärenden Ball direkt in die Füße von Poulsen schickte, dessen Schuss das Tor jedoch verfehlte. Im Umkehrschluss zeigte das Eckenverhältnis bald darauf einen Zwischenstand von 7:0 an.

Achraf Hakami beim Torabschluss gegen Peter Gulacsi

Apropos brandgefährlich: Dass dieses Wort neu definiert werden muss, zeigte Julian Brandt nur wenige Augenblicke später. Nach Zuspiel von Sancho von der linken Seite, drehte sich Brandt um Upamecano, versetzte das Westfalenstadion ob der atemberaubenden Technik in absolutes Verzücken und erhöhte den Spielstand auf 2:0. Was ein Tor! Brandtgefährlich halt. Auch im weiteren Spielverlauf zeigte sich Dortmund dominant, bis Roman Bürki kurz vor der Pause durch eine doppelte Parade die jeweils gefährlichen Bälle von Poulsen und Werner über das Tor lenkte. Und so ging es mit einer komfortablen 2:0 Führung in die Halbzeitpause.

Das Wetter zeigte sich unterdessen von seiner winterlichsten Seite. Ob der starke Regen das Leipziger Versagen der ersten Halbzeit widerspiegeln oder Dortmunds Verschlafen nach Anpfiff der zweiten Halbzeit prognostizieren sollte, konnte nicht mehr abschließend geklärt werden.

Halbzeit zwei

Jadon Sancho sorgte für die erneute Führung

Es schüttete nun jedoch aus Eimern, wodurch das Spiel zwischenzeitlich eher einer Rutschpartie als einem Fußballspiel glich. Offensichtlich hatte der einsetzende Starkregen auch Bürki völlig aus dem Konzept gebracht, der die Leipziger durch den 2:1 Anschlusstreffer von Werner in der 47. Minute unnötig zurück ins Spiel brachte, als er für einen weiten Ball auf eben selbigen aus seinem Kasten gelaufen kam, den Ball jedoch nur unwesentlich weiter nach rechts köpfte, wo Werner ihn dann nur noch dankend entgegen nehmen und seelenruhig zum 2:1 ins Tor schieben musste. Geschenk Nummer eins. Plötzlich wirkte Leipzig wacher und während sich Dortmund noch sortieren und an die nassen Platzverhältnisse gewöhnen musste, lag der Ball das zweite Mal in unserem Netz. In diesem Fall entschied sich der Linienrichter jedoch im letzten Moment dafür, seine Fahne in die Luft zu recken, um uns aus der Schockstarre rauszuholen. Wer nun geglaubt hat, dass dies doch Weckruf genug gewesen sein muss, hat die Rechnung leider ohne Brandt gemacht. Ähnlich wie in der ersten Halbzeit führte ein lapidarer Rückpass zurück auf Bürki zum Ausgleich in der 53. Minute, weil wieder Werner in unmittelbarer Nähe lauerte und auch das zweite Geschenk dankend annahm. Wiederanpfiff komplett verschlafen.

Doch bevor man sich in Dortmund allzu lange fluchend und schimpfend im Stadion aufhalten musste, zeigte Sancho, dass man die Rechnung ohne ihn gemacht hatte und verdeutlichte, was auch in den letzten Wochen schon wieder zu sehen war: die Spielfreude war zurück. Nach einem Rückschlag verzog man sich nun nicht mehr in die eigene Hälfte, um zu hoffen, dass das Spiel irgendwie rum gehen würde, sondern steuerte aktiv dagegen. Nach Tempofußball von Hakimi auf der rechten Seite, der zwischenzeitlich als erster Spieler die 36 km/h-Marke seit Beginn der Messungen 2013 geknackt hat, landete der Ball bei Reus, der ihn wunderbar Sancho auflegte. Nach einem weiteren Haken hatte jener den Ball, wo er ihn haben wollte, und ballerte ihn gekonnt aufs Tor: 3:2, nur fünf Minuten nach dem Ausgleich.

Marco Reus ließ erneut zu viele Chancen liegen

Dabei hätte man es an diesem Tag auch gern belassen können. Auch weitere Chancen auf Seiten der Dortmunder hätten den Ausgleich aus der 78. Minute bequem verhindern können. Denn immer wieder griffen die Dortmunder nun an. Zunächst in Form von Hakimi und Reus (67.), danach durch Sancho (68.) und wieder durch Reus (70.).

Mit Sanchos Wechsel in der 70. Minute, der schnell signalisierte, dass es nicht mehr weitergehen würde und humpelnd vom Platz ging, verlor Dortmund einen wichtigen Aggressor in der Leipziger Hälfte. Und auch die Unaufmerksamkeiten, wenngleich von diesen nicht viele zu sehen waren, hatten noch nicht nachgelassen, so dass es in der 78. nach Stellungsfehler von Guerreiro, schließlich wieder im eigenen Tor zum 3:3 Endstand klingelte. Leipzig zeigte sich im Anschluss mit dem Punkt in Dortmund scheinbar zufrieden und auch Dortmund fehlte die Kraft und der Spielwitz, um am Ende noch einmal zwingend vor das Leipziger Tor zu kommen. Einzig der eingewechselte Schulz versuchte in der 91. Minute das Spiel nochmal zu unseren Gunsten zu drehen, sein Versuch wurde jedoch zu einer Ecke abgeblockt, die nichts mehr einbrachte. Nach 93 Minuten endete das Spitzenspiel dementsprechend 3:3 und wieso Leipzig hier einen Punkt aus Dortmund mitnehmen konnte, wusste an diesem Abend auch niemand mehr so richtig zu beantworten.

Ausblick

Es war dann letztlich eher ein Punktverlust

Es ist schade, dass wir uns beim letzten Heimspiel im Jahre 2019 nicht belohnen konnten und gefühlt fünf Tore selbst geschossen haben, denn leistungstechnisch ist sicherlich mehr drin gewesen im Spiel.

Auf der anderen Seite bestätigt die Spielweise den Aufwärtstrend der letzten Spiele. Die Umstellung auf die Dreierkette scheint unseren offensiven Höhenflug zu begünstigen und auch Brandt lässt, trotz ordentlicher Böcke, immer häufiger durchscheinen, warum er geholt wurde. Für das letzte Spiel der Hinrunde und die kommenden Aufgaben in der CL kann dies nur Gutes bedeuten.

Beschwerden bezüglich neiderfüllter Kommentare gegenüber dem Onkel aus Leipzig nimmt der Kollege Michael anstelle meiner Wenigkeit sehr gerne entgegen. Ansonsten gilt für Freitag nochmal: Arme hochkrempeln, Gas geben und mit soliden 33 Punkten in die Winterpause gehen.

Statistik

BVB: Bürki - Zagadou, Hummels, Akanji - Hakimi, Brandt, Weigl, Guerreiro - Sancho, Reus – Hazard

Wechsel: Piszczek für Sancho (71.), Schulz für Guerreiro (84.)

Brauseclub: Gulacsi – Mukiele, Klostermann, Upamecano, Halstenberg – Demme, Sabitzer, Laimer – Poulsen, Forsberg, Werner

Wechsel: Nkunku für Forsberg (46.), Schick für Poulsen (62.), Cunha für Sabitzer (70.)

Tore: 1:0 Weigl 23., 2:0 Brandt (34.), 2:1 Werner (47.), 2:2 Werner (53.), 3:2 Sancho (55.), 3:3 Schick (78.)

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