Unsa Senf

Zum Abschied ganz laut Danke - für Alles, Roman

19.05.2018, 00:00 Uhr von:  Sascha
Zum Abschied ganz laut Danke - für Alles, Roman

Gegen Hoffenheim war es so weit. Roman Weidenfeller betritt den Platz als Torwart unseres Ballspielvereins. Zum letzten Mal. Dabei sah es am Anfang gar nicht so aus, dass es so eine Liebesgeschichte zwischen Weide und dem BVB werden sollte.

Es gibt verschiedene Arten, sich zu verlieben. Manchmal geht es ganz plötzlich. Ein Blick, Schmetterlinge im Bauch und der ganze sonstige Kitsch, der dazugehört. Und manchmal ist der Start auch holprig. Irgendwie passt es von Anfang an nicht so ganz. Man zweifelt, ob der- oder diejenige tatsächlich der/die Richtige ist und ob die ganze Geschichte Sinn ergibt. Dann macht man weiter und stellt irgendwann fest, dass man schon eine verdammt lange Zeit ziemlich stabil zusammen ist und eine besondere Beziehung zueinander hat.

So war es auch bei der Geschichte zwischen Roman Weidenfeller und Borussia Dortmund nicht unbedingt die große Liebe auf den ersten Blick. Vor 16 Jahren kam da ein irgendwie schnöselig wirkender, 21-jähriger Jüngling mit mächtig viel Gel in seinen Haaren aus der Pfalz an den Borsigplatz und meldete nach satten 6 Bundesligaspielen für die roten Teufel Ansprüche an, die damalige Nummer 1, Jens Lehmann, zu verdrängen. Nun war auch der Ex-Blaue nicht gerade Topfavorit für die Wahl des beliebtesten Spielers im Kader, aber die forsche Art von Weide kam bei vielen Fans nicht besonders gut an.

Am 27. Spieltag der Saison 2002/2003 war es dann so weit. Lehmann fiel verletzt aus und Roman bekam seine Chance im Tor. Happy End? Nein, davon war man noch weit entfernt. Ausgerechnet gegen seinen Ex-Verein Kaiserslautern machte Weide am 17. Spieltag der Saison 2003/2004 sein vorerst letztes Spiel für den BVB, weil Matthias Sammer im Kasten zu Guillaume Warmuz wechselte. Weidenfeller verfolgte den Rest der Saison auf der Ersatzbank, beziehungsweise bei den Amateuren in der zweiten Mannschaft. Auch als Bert van Marwijk auf Sammer folgte, musste er sich erst einmal hinten einreihen. Bis zum neunten Spieltag hielt van Marwijk an Warmuz fest, bevor Weide seine Chance im Spiel gegen den HSV bekam. Natürlich ging auch nicht das ohne Drama von statten.

Vor 10 Jahren und 10 Zentimeter Haare weniger

Weidenfeller lief aus dem Spielertunnel auf den Platz zum warm machen auf die Süd zu – und wurde dort stilsicher mit lauten „Warmuz, Warmuz“-Sprechchören empfangen. Zum Teil mit Sicherheit darin begründet, dass viele Fans den Wechsel auf der Torwartposition gar nicht mitbekommen hatten und aus der Ferne konnte man ihn und Warmuz wirklich sehr leicht miteinander verwechseln, aber bei etlichen war es eben auch ein Zeichen dafür, dass man mit Weidenfeller einfach nicht warm geworden war. Die gezeigten Leistungen davor passten nur sehr bedingt zu den von ihm geäußerten Ansprüchen, was ihm die Aura der Arroganz verlieh.

Wenn die Leute auf den Tribünen damals gewusst hätten, welche wilde Geschichte dieser Bengel noch mit unserer Borussia schreiben sollte, hätte man ihn wohl genau so donnernd empfangen, wie wir ihn vor einigen Tagen aus seinem Stadion verabschiedet haben.

Wir alle kennen die nackten Zahlen: 348 Bundesligaspiele, 40 Champions-League Spiele, 27 Partien in Europa-League und UEFA-Cup, dazu in 29 DFB-Pokalpartien auf dem Platz – alles für den BVB. Deutscher Meister 2010/2011 und 2011/2012, DFB-Pokalsieger 2011/2012 und 2016/2017, dazu noch weitere vier Pokalfinals und natürlich das Champions-League-Finale 2013. So ganz nebenbei hat er dann als dritter Torwart auch noch zumindest mit daran gearbeitet, sich Weltmeister nennen zu dürfen. Dass Weidenfeller Vizekapitän unserer Borussia war und deshalb in einigen Spielen auch die entsprechende Binde tragen durfte, fällt da fast unter den Tisch. Nach den letzten Freundschaftsspielen zieht ein echtes Stück BVB- und Fußballgeschichte in den wohlverdienten Ruhestand ein.

Dabei ist es nicht allein der sportliche Erfolg, der Roman und den BVB zusammengeschweißt hat, Weide hat im Laufe der Zeit auch einfach als Mensch überzeugt. An dieser Stelle mal eine kleine Anekdote aus dem Redaktionsalltag. Im Februar 2015 haben wir einen Artikel mit dem Titel „Roman Weidenfeller - Meckern ist Silber, Halten ist Gold!“ veröffentlicht, der sehr hart mit ihm ins Gericht ging. Den Autoren, aber auch der restlichen Redaktion, schien es so, als hätte Weide der Aufenthalt im Campo Batida nicht gerade gut getan. Auf dem Platz wollte er das Spiel auf einmal im Neuerstyle mit dem Fuß gestalten, obwohl das – wie er wohl selber weiß – nie seine große Stärke war und statt als Kapitän junge Spieler zu führen, fuhr er beispielsweise Matthias Ginter für einen Fehler derbe an. Was noch eine freundliche Umschreibung für „öffentlich zur Sau machen“ war.

Großer Bahnhof zum Abschied

Nach Veröffentlichung klingelte Arnes Handy. Das folgende „Hallo Arne, hier ist Roman Weidenfeller“ ist noch heute ein geflügeltes Wort bei uns. Er war nicht erfreut über diesen Text, erklärte aber auch, warum er sich falsch dargestellt fühlte und vereinbarte einen Interviewtermin, um seine Sicht der Dinge darzulegen. Das fanden wir als Reaktion nicht nur legitim, sondern auch ziemlich cool. Arne und er sind dann auch weiter in Kontakt geblieben. Als er starb zeigt Roman sich mit einem persönlichen Eintrag auf seiner Facebook Seite aufrichtig betroffen.

Kurz gesagt: Mit Weidenfeller verliert der Kader einen echt feinen Kerl, der in Dortmund nicht vergessen werden wird. Dafür sorgen auch schon tolle Erinnerungen wie der weggefischte Elfer gegen die Bayern 2011/2012, der uns die zweite Meisterschaft in Folge sicherte. Oder sein großartigstes Denglischinterview mit Dubai-TV und seiner Erklärung „we have a grandios Saison gespielt“. Aber auch die Bilder, wie er 2005 nach dem Derbyauswärtssieg mit dem kleinen Rosicky auf den Schultern vor der Kurve gefeiert hat.

Es ist verdammt schade, dass das absolute Tüpfelchen auf dem Karriere-I, der Abschied als Spieler im Westfalenstadion, eine letzte Parade in schwatzgelb (oder eher lila), noch ein festgehaltener Sieg gegen Mainz ausfallen musste. Aber auch so müssen wir alle, wenn wir auf die letzten 16 Jahre zurück blicken, letztendlich festhalten: gut, dass wir zusammen geblieben und es miteinander versucht haben. Es waren tolle Jahre und auf irgendeine Art und Weise werden wir auch weiter zusammen sein.

Danke für Alles, Roman.

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