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Und das Transferfenster ist zu

04.09.2018, 12:56 Uhr von:  Sascha
Und das Transferfenster ist zu

Für die einen eine sehr spannende, für die andere eine nervige Zeit: die Sommertransferperiode. Dem BVB hat sie ein neues Gesicht und wenige Abgänge gebracht. Ein Resümee.

Seit letztem Freitag ist es endlich zu, das Transferfenster. Anders als die englische oder die italienische Liga, die bereits zum ersten Spieltag keine weiteren Neuzugänge mehr ermöglichten, durften in der Bundesliga noch bis kurz vor Beginn der zweiten Runde verpflichtete Spieler gemeldet werden. Der wohl prominenteste Last-minute-Transfer war dabei wohl der langjährige Borusse Nuri Sahin, der für die nächsten beiden Spielzeiten die grün-weiße Raute auf Trikot trägt.

Mit aktuell 29 Spielern ist er um mindestens 4 Spieler zu groß, um vernünftig arbeiten zu können.

Auch wenn der Wechsel dann doch plötzlich kam, wirklich überraschend war er nicht. Mit der Nichtberücksichtigung für die Kader zu den Spielen gegen Fürth und Rasenball hatte Lucien Favre Nuri ein deutliches Signal gesendet, dass er es unter ihm sehr schwer haben würde, noch auf wenigstens halbwegs zufriedenstellende Spielanteile zu kommen und so war es für beide Seiten wohl das Beste, dass er noch einmal in seiner Karriere gewechselt ist, statt sein letztes Vertragsjahr in Dortmund einfach auszusitzen. Das wäre ein unwürdiges Ende dieser besonderen Spieler-Verein-Beziehung gewesen. Auf der Geschäftsstelle hatte man sich wohl gewünscht, dass noch mehr Spieler dieses Signal laut und deutlich vernehmen. Mit aktuell 29 Spielern ist er um mindestens 4 Spieler zu groß, um vernünftig arbeiten zu können. Vor allem, wenn man sich vorgenommen hat, junge Talente wie Bruun-Larsen oder Sergio Gomez zu integrieren. So hat man eigentlich nur die Wahl, ob man lieber unzufriedene arrivierte Spieler, oder unzufriedene Nachwuchsspieler mindestens bis zur Winterpause in Kauf nimmt.

Dass man sich gerne von einem Sebastian Rode oder Jeremy Toljan getrennt hätte, ist ein offenes Geheimnis. Beide Spieler haben allerdings wohl nicht den allergrößten Eifer bei der Suche nach einem potentiellen neuen Arbeitgeber an den Tag gelegt, sondern erklärt, sich sportlich beim BVB durchsetzen zu wollen. Eine Erklärung, die ungefähr den gleichen Ehrlichkeitsfaktor hat wie die Aussage, dass jemand wegen der besseren sportlichen Perspektive zum HSV wechselt. Vor allem am Beispiel Sebastian Rode kann man ablesen, wie üppig in der Vergangenheit wohl die Spielerverträge ausgestaltet wurden, wenn ein Spieler nach einem Jahr Verletzungsausfall mit einem weiteren Jahr ohne Spielpraxis eher riskiert, völlig in der Versenkung zu verschwinden, statt auf die nächsten beiden Vertragsjahre in Dortmund zu verzichten. Ist aber letztendlich auch legitim, weil niemand den Verein gezwungen hat, solche Verträge zu offerieren.

Nuri jetzt an der Weser

Auch Shinji Kagawa hätte man bei einem entsprechenden Angebot keine Steine in den Weg gelegt, weil er sich auf einer Halbposition am wohlsten fühlt, die Favre aktuell in seinem System nicht vorsieht. Was in sofern schade ist, als dass man den Japaner qualitativ am ehesten eine wichtige Rolle auf dem Platz zutrauen würde. Vorerst wird seine Perspektive vermutlich jedoch eher die sein, sich mit Mario Götze um einen Zuschauerplatz in der ersten Reihe an der Seitenlinie zu streiten. Da ist Raphael Guerreiro den Beiden immerhin ein Stück voraus und es reichte bei ihm zu zwei Kurzeinsätzen in den Schlussphasen. Bemerkenswert dabei, dass er gegen Leipzig tatsächlich auf der Position des Linksverteidigers für Marcel Schmelzer eingewechselt wurde, in Hannover für Mo Dahoud im Mittelfeld. Lucien Favre scheint bei ihm also eine Vielseitigkeit zu sehen, die ihm zumindest ordentliche Spielanteile ermöglichen könnte. Gut möglich, dass der Trainer eigentlich ganz froh ist, dass sich dessen immer wieder ins Spiel gebrachter Wechsel zu Thomas Tuchels Starensemble in Paris letztendlich doch nie realisiert wurde.

Akanji hat das Potential, ähnliche „Spielmacherqualitäten“ wir früher Mats Hummels zu entwickeln

Wesentlich erfolgreicher als beim Verkaufen von Spielern war man allerdings auf der Einkaufsseite. Abdou Diallo, Thomas Delaney, Marius Wolf und Axel Witsel wurden fest verpflichtet. Dazu realisierte man Leihgeschäfte mit Real Madrid und dem FC Barcelona. Anders als bei Rechtsverteidiger Achraf Hakimi konnte bei „Paco“ Alcacer jedoch eine Kaufoption zu einer fest vereinbarten Summe realisiert werden. Auch wenn es noch fast zu früh ist, eine Bewertung über diese Transferaktivitäten abzugeben, scheint man vor dieser Saison mit sehr viel Plan und Bedacht vorgegangen zu sein. In der Abwehr hat sich Diallo gleich einen Stammplatz neben Manuel Akanji erspielt und beide haben angedeutet, dass sie es schaffen können, die schon seit mehreren Jahren brüchige Defensive zu stabilisieren. Trotz des immer noch jungen Alters mit 22, bzw. 23 Jahren sind die beiden schon sehr ruhig und abgeklärt am Ball. In der Zweikampfführung ist vielleicht noch etwas Luft nach oben, aber in Sachen Spieleröffnung dürften sie Favres Idealvorstellung ziemlich nahe kommen. Akanji hat das Potential, ähnliche „Spielmacherqualitäten“ wir früher Mats Hummels zu entwickeln, Diallo spielt sehr präzise lange Bälle. Beides zusammen ergibt eine hohe Variabilität in der Spieleröffnung. Dazu haben beide Spieler auch schon gezeigt, dass man sie zur Not auch auf den Außenpositionen einsetzen kann. Diese neue Innenverteidigung liegt mit insgesamt über 50 Millionen Euro zwar preislich deutlich über der Kombination Hummels und Subotic, mit denen die beiden häufiger verglichen werden, aber man hat auch eine hohe Wahrscheinlichkeit, in diesem Mannschaftsteil eine sehr gute Lösung gefunden zu haben.

In wie weit Hakimi Teil dieser Lösung in der Defensive sein wird, ist noch nicht absehbar. Die Eindrücke, die der Marokkaner in den Testspielen bei Favre hinterlassen hat, haben ihm zumindest vorerst einen Platz auf der Ersatzbank eingebracht. Dabei hat sein Konkurrent auf der Position des Rechtsaußen, Lukasz Piszczek, bislang auch nicht gerade geglänzt. Vor allem im Heimspiel gegen Leipzig wurde deutlich sichtbar, dass ihm altersmäßig mittlerweile einiges zum Pischu von 2013 fehlt. Hakimis Problem, das ihm einen Platz in der Hierarchie hinter Piszczek einbringt, dürfte sein, dass seine Stärken eher in der Vorwärtsbewegung liegen. Für sein Defensivverhalten durfte er sich in der Vorbereitung immer wieder maßregelnde Worte von der Trainerbank aus anhören. Vor allem in der Kombination mit Christian Pulisic oder Jadon Sancho, die beide nicht gut nach hinten arbeiten, dürfte das Risiko, auf Haikimi zu setzen, erst einmal zu groß sein.

Vielleicht hängt Hakimis Entwicklung auch maßgeblich mit der von Marius Wolf zusammen, der aufgrund einer Ausstiegsklausel für gerade einmal 5 Millionen Euro von Pokalsieger Eintracht Frankfurt in die Bierstadt gewechselt ist. In Hannover durfte er anstelle von Jadon Sancho für den verletzten Pulisic von Beginn an aufs Feld. Das zeigte einerseits, dass er auf der rechten Seite offensiv die Nase wohl ein kleines Stückchen gegenüber Sancho vorne hat – andererseits aber auch, dass er mit seiner Spielweise Probleme haben wird, sich in der vorderen Dreierreihe zu behaupten. Wolfs Spielweise ist eher wuchtig, denn filigran und er wird Mühe haben, sich in das gewünschte Kombinationsspiel vorne einzubringen. Das war aber auch von Anfang an klar und seine Verpflichtung mit dem Prädikat „Mentalitätsspieler“ versehen. Ein Spieler, der weite Wege geht und ordentlich mit nach hinten arbeitet und der hier mit Sicherheit gegenüber den anderen Kandidaten für seine Position seine Pluspunkte hat. Aber auch ein Spieler, der sehr wahrscheinlich Probleme haben wird, auf einem technisch hohen Niveau mit seinen offensiven Mitspielern mitzuhalten. Wahrscheinlich wird er sich erst einmal mit der Rolle eines wichtigen Einwechselspielers zufrieden geben müssen, der bei einer Führung im letzten Drittel der Partie auf den Platz kommt und mithilft, dass nichts mehr anbrennt. Ob daraus mehr wird, bleibt abzuwarten.

Aus Mainz kam Diallo

Die wohl größte Veränderung gab es im Bereich der Sechser- und Achterposition. In den letzten Spielzeiten musste selbst Nichtfachleuten deutlich aufgefallen sein, dass uns in diesem Bereich körperliche Präsenz gefehlt hat. Thomas Tuchel brauchte in diesem Bereich für seine Art Fußball zu spielen einen echten Taktgeber, einen Ballverteiler, eine Passmaschine und er fand sie in Julian Weigl. Nachdem unrühmlichen Abgang des Trainers und der langen Verletzungspause von Weigl zeigte sich aber ziemlich schnell, dass wir keinen Spieler in unseren Reihen hatten, der in einer anderen Spielausrichtung dieses Vakuum füllen konnte. Bosz brauchte keinen Kicker, der das Spiel breit machte, weil es immer nur in die Tiefe gehen sollte. Mit der bekannten Folge, dass man bei Ballverlusten nur noch mit wenigen Spielern hinten vertreten war und ein solide absichernder Sechser total fehlte. Auch Stögers Ansatz, den BVB erst einmal spielerisch zu stabilisieren, funktionierte nur leidlich, weil man im Mittelfeld nie eine gute Kombination aus technischen und körperlichen Fähigkeiten finden konnte. Diesen Mangel behob man in diesem Sommer allerdings mehr als gründlich. Aus Bremen holte man Thomas Delaney, der immer wieder als Sechser wahrgenommen wird, aber in Wirklichkeit ein Spieler ist, der zwischen beiden Strafräumen hin und her pendelt. Er kann sowohl wichtige Defensivarbeit leisten, schaltet sich aber auch immer wieder ins Spiel nach vorne ein und versucht, die vorderen Spieler in Szene zu setzen. Dabei erkennt man jedoch schon, warum das Interesse in der Premier League eher bei Vereinen wir Brighton Hove vorhanden war und nicht bei City und Konsorten. Im Zweikampf konzentriert und kompromisslos, seine fußballerischen Fähigkeiten jedoch eher ordentlich, denn wirklich gut. Das ist nicht despektierlich gemeint, der Spieler füllt eine Vakanz in der Mannschaft. Und Transfersummen wie die bei Naby Keita bei seinem Wechsel nach Liverpool zeigen, dass der Däne für uns wohl unerschwinglich gewesen wäre, wenn er auch noch in der Vorwärtsbewegung überdurchschnittlich gut wäre.

Der bekannteste Neuzugang: Axel Witsel

Es sei denn, es gibt eine Ausstiegsklausel. Und damit wären wir bei Axel Witsel. Ein Spieler, bei dem man schon ins Grübeln über seine Auffassung von Sport kommen konnte. Anders als viele seiner Kollegen in der belgischen Nationalmannschaft führte sein Weg nicht auf die britische Insel, sondern zu Zenit St. Petersburg und von da aus nach China zu TJ Quanjian. Statt um große Titel mitzuspielen, entschied der Mann mit dem markanten Wuschelkopf sich dazu, erst einmal für ein prall gefülltes Bankkonto zu sorgen. Für uns ein Glück, dass er mit 29 Jahren dann doch noch sportliche Ambitionen in sich entdeckte und nach einem längeren Gezerre in Dortmund landete. Letztendlich wohl nur durch ein paar Anwälte ermöglicht, die sich mit seinem chinesischen Arbeitgeber darüber stritten, ob die Bedingungen für die vereinbarte Ausstiegsklausel erfüllt waren oder nicht. Warum man Witsel ungern gehen ließ, wurde schnell klar. Im ersten Spiel gegen Fürth den BVB kurz vor Ende mit seinem Treffer im Spiel gehalten und gegen Leipzig schnell mal mit einem Seitfallzieher das zweite Tor nachgelegt. Joa, kann man mal machen. Noch auffälliger als seine Treffer ist aber seine Präsenz, die er sofort auf dem Platz ausstrahlt. Im Pokal erst in der 74. Minute eingewechselt, war er sofort als erste Anspielstation akzeptiert. Er war anspielbereit, wurde angespielt und bestimmte den Spielrhythmus. Auch gegen Leipzig strahlte er eine unheimliche Ruhe mit dem Ball am Fuß aus – und einen großen Willen bei der Balleroberung. Mit Witsel ist ein Spieler zu uns gekommen, bei dem man sofort den Eindruck hatte, dass das ein echter „Königstransfer“ gewesen sein könnte. Kann er diesen Eindruck die Saison über bestätigen, dann konnten Zorc und Co. der Mannschaft einen sehr wichtigen Baustein hinzu fügen.

Die drei bisherigen Spiele haben zumindest gezeigt, dass man einen echten Mittelstürmer, einen Zielspieler im Zentrum bitter nötig hat.

Ein solcher könnte auch Francisco „Paco“ Alcácer sein. Beziehungsweise muss er es eigentlich schon fast sein, weil wir schlicht und ergreifend keinen anderen Mittelstürmer haben. Alexander Isak hat jetzt auch unter dem vierten Trainer in Folge keine Perspektive und die vorher noch geäußerten Planspiele mit Maximilian Philipp als Mittelstürmer haben sich bislang als nicht tragfähig erwiesen. Kein Wunder, dass das Unverständnis bei vielen Fans groß war, weil diese Baustelle eigentlich schon seit der letzten Winterpause und dem Wechsel von Aubameyang bekannt war. Der Verweis auf einen „überhitzten Markt“ ist als Erklärung dafür, dass man sie erst ganz kurz vor Ende der Transferperiode beheben konnte, auch nur schwer verdaubar. Dabei dürfte neben dem Transfermarkt an sich auch ein wichtiger Grund sein, dass man sich beim BVB vielleicht einfach nicht wirklich sicher war, was für einen Stürmertypen man überhaupt verpflichten will. Das Interesse des BVB an Turins Mario Mandzukic war konkret und man hätte ihn sehr gerne an die Strobelallee gelotst. Mandzukics Spielweise konnte man während der WM, bei der er mit Kroatien sensationell das Finale erreichte, intensiv beobachten. Er ist das, was man so martialisch einen „Krieger“ nennt. Ein Typ, der rennt bis zum umfallen und seinen Körper in die Zweikämpfe wirft. Geholt hat man letztendlich den 1,75 Meter großen Alcácer, der ein echter Neuner ist und seine Qualitäten eher im technisch sauberen Zusammenspiel mit seinen Teamkollegen hat, also ein gänzlich anderer Spielertyp als Mandzukic ist.

Man darf wirklich gespannt sein, wie sich die Offensive nach der Länderspielpause präsentiert. Die drei bisherigen Spiele haben zumindest gezeigt, dass man einen echten Mittelstürmer, einen Zielspieler im Zentrum bitter nötig hat. Bislang wirkte das alles so ein bisschen wie das alte Swingerclubmotto „Alles kann, nichts muss“, es fehlte ein Spieler, der eine klare Struktur ins Angriffsspiel bringt. Favre sieht in Alcácer offenbar diesen Spieler und auf den ersten Blick scheint er in den Fußball zu passen, den er in Dortmund spielen lassen will. Seine mageren Einsatzzeiten aus der letzten Saison sollte man dabei in der Bewertung einfach ausblenden. Natürlich sind 17 Spiele mit im Schnitt 40 Minuten Spielzeit sehr wenig – aber mit Suarez und Messi hatte er auch zwei Konkurrenten aus der höchsten Gewichtsklasse. Seine Zeit in Valencia, die ihn erst für Barca interessant gemacht hat, lässt zumindest erhoffen, dass er eine solide und zufriedenstellende Lösung darstellen kann. Auch wenn er vielleicht keine Tormaschine ist, wie wir es in den letzten Jahren von unseren Stürmern gewohnt waren.

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