Spielbericht Profis

Murmeltiertag

03.02.2018, 17:03 Uhr von:  Redaktion

Die Südkürve Köln zum Einlauf der Spieler

Gestern war Murmeltiertag. Weltweit bekannt geworden ist dieser Tag durch den Film "Täglich grüßt das Murmeltier". Für die Jüngeren unter euch: das war kurz nach Erfindung des Farbfernsehens. Darin wird der Wettermann Bill Murray (nicht verwandt mit dem Tennisspieler) in einer Zeitschleife gefangen und erlebt den selben Tag immer und immer wieder, verändert allerdings durch seine unterschiedliche Handlung das Resultat der verschiedenen Geschehnisse immer weiter zum Positiven.

Tatsächlich passte dieser Murmeltiertag ganz gut zur aktuellen Situation des BVB, denn man scheint in letzter Zeit ebenfalls in einer Art Schleife gefangen zu sein und immer und immer wieder auf die gleichen Grundsatzdiskussionen zu stoßen: Die Stimmung, die langfristige Strategie, die Qualität der Mannschaft, offensive und defensive Schwächen. Der gestrige Tag hat darin, hauptsächlich durch die diversen Akteure, doch ein paar Dinge zum Positiven geändert.

Die Desperados brachten den Gästeblock zum leuchten

Zuerst allerdings grüßte das Murmeltier mal wieder. Aus dem Block - und das war in diesem Fall die drittoberste Reihe des Gästesitzers - war beim Einlaufen der Mannschaft Neuzugang Batshuayi nicht zu unterscheiden von Aubameyang. Der Unterschied war allerdings, wie das Publikum auf ihn reagierte, denn es gab frenetischen Applaus, zusammen mit ein paar vereinzelten Pfiffen, die ich in Richtung von Bürki interpretiert habe. Dazu möchte ich aber gleich sagen, dass das sehr nahe Dach jegliche Wahrnehmung von Stimmung und vor allem die Richtung dieser Stimmung völlig verzerrte und ich daher nicht mal mit Sicherheit sagen kann, ob diese Pfiffe nicht vielleicht sogar von den Kölnern kamen. Die Pfiffe bei der Mannschaftsaufstellung in Richtung Trainer Stöger kamen aber definitiv aus dem Kölner Teil des Publikums. Inwieweit sie repräsentativ waren oder sich auf die Nordseite des Stadions beschränkten, war mir wiederum nicht deutlich. Deutlich jedoch war, dass Stöger in Köln nicht nur Freunde hinterlassen hat.

André Schürrle stand in der Startelf

Anfangs war die Stimmung im oberen Teil des Gästeblocks sehr seltsam. Während des Warmlaufens und der - für die Bundesliga sogar relativ moderaten - Dauerbeschallung mit Vereinsliedern zeichneten sich zwei Tatsachen ab: 1. der größte Teil des anwesenden Publikums hatte gut einen sitzen (war ja auch der Sitzplatzblock) und 2. der größte Teil des anwesenden BVB-Publikums in diesem Bereich kam aus Köln. Und so bildete sich vor Beginn des Spiels eine fast schon freiburgeske "Doppelfan-Stimmung". Es gab viele Freundschaftsschals, bei den Kölner Liedern wurde lauthals mitgesungen, einige versuchten sich krampfhaft daran, ein "Wir schmeißen Stein um Stein" anzustimmen und auch sonst war es für Nicht-Kölner irgendwie seltsam anmutend. Glücklicherweise legte sich das mit Anpfiff sehr schnell und in dem Moment kippte auch die Stimmung in die richtige Richtung. War gleich zum Anpfiff das hauptsächlich bei den Amateuren gesungen "Alles nur geklaut" noch wenig getragen, kam spätestens, als "Heja BVB" einsetzte, richtig Stimmung auf. Hier kommt auch das erwähnte Stadiondach wieder ins Spiel, denn dies verstärkte den Gesang dermaßen, dass das Gefühl extrem geiler Atmosphäre aufkam und dafür sorgte, dass der Kölner Reinigungsdienst wohl nicht lange mit der Reinigung der Sitzschalen beschäftigt sein dürfte - diese waren im gesamten Block und während des gesamten Spiels unbenutzt. Die Stimmung war endlich mal wieder richtig gut. Oder fühlte sich zumindest so an.

Schwatzgelber Jubel um Batshuayi

Das Spiel selbst war jedoch eher wieder Murmeltiertag. Zuviele altbekannte Fehler, viel Bemühen, wenig Resultat und wenn es dann doch mal richtig gut war, dann stand die Latte im Weg, wie bei Kagawas Großchance in der 15. Minute. Und auch hinten gab es genug Szenen, die man schon so oft gesehen hat und eigentlich nicht sehen möchte. Glücklicherweise hat Jojic das Toreschießen auch nach seinem Abgang aus Dortmund nicht gelernt. Besonders auffällig war heute Schürrle, der sich noch mehr als sonst in jeden Zweikampf warf, versuchte sich vorne in Szene zu setzen, seine Mitspieler mehr als einmal gut bediente, dabei aber auch wieder diese Momente hatte, wo ihm der Ball über den Fuß ins Seitenaus sprang. Dann aber kam die 35. Minute, das Murmeltier hatte Pause, auf einmal passte alles. Toljan setzte sich stark durch und sah von der Torauslinie den freistehenden Batshuayi, der sich gleich in seinem ersten Spiel in der Torschützenliste der Bundesliga verewigte - und das auch noch technisch richtig stark. 10 Minuten später eine Kopie des Treffers: Toljan, diesmal von etwas weiter hinten, auf Batshuayi, der den Ball eher über die Linie stolpert. Der Gästeblock liegt sich in den Armen, die Anzeigetafel zeigt 2:0, alles ist gut. Aber irgendwie eben doch nicht. Die Anzeige wechselt zurück auf 1:0. Was ist passiert? Ist der VAR eingeschritten? Abseits? Nein, Anzeige wieder auf 2:0, alles ist gut. Dann doch wieder nur 1:0. Gab es einen Anstoß? Oder Abstoß? Keiner weiß es so genau, ist alles im Torjubel untergegangen. Der Schiri zeigt zur Kabine. In der Pause wird erst mal mit den Fernsehzuschauern zuhause gecheckt: Steht es 1:0 oder 2:0? Doch nur 1:0. Fair und sinnvoll hin oder her (darüber kann man ewig streiten), aber im Stadion ist der VAR einfach nur 'ne Riesenkacke, vor allem aufgrund der komplett abwesenden Kommunikation in Richtung der Stadionbesucher. Hallo!? Wir sind auch noch da, wir fahren da - auch wenn nicht alle das glauben - wegen des Fußballs hin und es interessiert uns, ob ein Tor zählt oder nicht!!! Danke für 'ne kurze Durchsage, wäre echt töfte.

Simon Zoller sorgte für den Ausgleich

Die zweite Halbzeit war über weite Strecken wie die erste: ordentliche Stimmung im Gästeblock, der BVB bemüht und mit ein paar Offensivaktionen, aber ohne zu glänzen, Schürrle und Batshuayi immer wieder präsent, aber ohne weiteres Glück im Abschluss und die Kölner eigentlich unterlegen, aber irgendwie immer richtig gefährlich. Und so kam es dann auch eigentlich nicht überraschend, als Heintz in der 60. Minute einen gefährlichen Schuss absetzte, den Bürki nicht halten konnte und Zoller völlig freistehend den Abpraller einnetzte. Man ärgerte sich schon fast nicht mehr, war halt alles wie immer. Täglich grüßt das Murmeltier... Doch etwas war anders: wir hatten Batshuayi und der hielt den Kölner Ausgleich (oder vielleicht auch das anhaltende Geschrei des Stadionsprechers) für unerträglich und beendete es sofort. Pulisic gewann einen Kopfball (!) gegen zwei Kölner, setzte sich danach auch gut durch und spielte einen super Pass auf den Neuzugang und der verlud den Torwart mit einem Schuss durch die Beine. Die alte Ordnung war wiederhergestellt und das "Kölle Alaaf" kam diesmal aus dem Gästeblock. Doch auch diese Freude sollte nicht allzu lange anhalten. Denn wieder war das Murmeltier in Stellung und bescherte den Kölnern einen Eckball, den sie im Gegensatz zu uns dank der Schläfrigkeit der Hintermannschaft (Mere war übrigens Batshuayis Mann) problemlos verwerten konnten. Wieder der Ausgleich, wieder nicht souverän zu Ende gespielt. Und noch immer war Köln gefährlich, doch auch wir hatten vorne unsere Wahnsinn. Ausgerechnet André Schürrle war der MatchwinnerChancen. Vor allem und immer wieder Schürrle. Der scheiterte aber wiederholt an sich und dem Torhüter. Bis zur 84. Minute. Ein Konter (das haben wir die letzten Jahre auch nicht oft mitgemacht) über Batshuayi, der Schürrle anspielte und der krönte seine sehr bemühten Leistungen der letzten Wochen mit einem wunderschönen Schlenzer ins weite Eck. Ein super Tor, doch noch schöner war der kollektive Jubel sowohl auf dem Rasen als auf den Rängen. Ein kurzer Blick zum Schiri - sicher ist sicher - und dann kam die Ekstase. Und jeder, der Schürrles Emotionen gesehen hat, wird ihm dieses Tor bedingungslos gönnen!

Natürlich musste danach noch etwas gezittert werden, was sich zwar nicht gerade toll anfühlte, im Endeffekt aber auch nicht mehr in große Chancen der Kölner mündete. Und so haben sowohl Bosz als auch Stöger geschafft, was Tuchel in zwei Jahren nicht gelungen ist: nämlich gegen Köln zu gewinnen. Und der Gästeblock verabschiedete sich emotions-, alkohol- und glückstrunken aus Köln mit einem alten Hit in neuem Kleid: "Heute wird

Die erste Jubelwelle im neuen Jahr

gesoffen, weil der Schürrle trifft!"

Die Fotostrecke zum Auswärtssieg beim 1. FC Köln gibt es wie gehabt auf unserer BVB-Fotoseite unter diesem Link.

Statistik

1. FC Köln: T. Horn – Sörensen, Meré, Heintz, Hector – Clemens (46. Zoller), Höger (87. Pizarro), Özcan, Jojic – Guirassy (63. Cordoba), Terodde

Borussia Dortmund: Bürki – Piszczek, Sokratis, Toprak, Toljan – Weigl – Pulisic (72. Sancho), Dahoud (63. Guerreiro), Kagawa, Schürrle (87. Akanji) – Batshuayi

Tore: 0:1 Batshuayi (35., Toljan), 1:1 Zoller (60., Heintz), 1:2 Batshuayi (62., Pulisic), 2:2 Meré (69., Eckball Hector), 2:3 Schürrle (84., Batshuayi)

Schiedsrichter: Brand (Unterspiesheim), Gelbe Karten: Jojic, Hector – Dahoud

Nadja, 03.02.2018

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