Warmlaufen

Protest-Tradition und Außenverteidiger-Dilemma

12.10.2017, 08:39 Uhr von:  Redaktion

„Irgendjemand muss doch was für unsere Rettung tun!“ In Gedanken an das anstehende Spiel gegen Leipzig bin ich auf das Zitat von Prinzessin Leia aus Star Wars gestoßen. Warum? Auch wenn sich viele Fanszenen in Deutschland gegen die zunehmende Kommerzialisierung unseres Sports äußern, hat man in Bezug auf das „Konstrukt“ RB Leipzig das Gefühl, dass sich vor allem BVB-Fans dazu berufen fühlen, besonders lautstark gegen das abseits aller Kritik gut kickende Werbeobjekt aus Sachsen vorzugehen. An sich haben öffentlichkeitswirksame Proteste aus der eigenen Fanszene das Potenzial, Stolz hervorzurufen. Im letzten Februar, beim ersten Auftritt der Roten Bullen im Westfalenstadion, wurde daraus aber leider nichts. Angriffe auf Leipziger Fans, die auch im Rahmen der angebrachten Kritik als völlig inakzeptabel gelten müssen, mündeten schließlich in 168 Strafverfahren und in die Sperrung der Südtribüne als umstrittene Kollektivstrafe, die sicherlich kein Borusse so schnell wieder erleben möchte.

Nun den Protest am Spieltag einzustellen, wäre sicherlich die falsche Reaktion. Es sollten nur alle Parteien hoffen, dass er anders abläuft als beim letzten Mal. Das Fanbündnis „Südtribüne Dortmund“ hat am Samstag ab 15 Uhr zum Protestmarsch eingeladen. Treffpunkt dafür ist der Bereich der Hohen Straße rund um das Fanprojekt. Eine Aktion, die mit Sicherheit bei der Polizei alle Alarmglocken läuten lässt, sollte im zweiten Heimspiel gegen „Raba“ dafür sorgen, dass die richtige Botschaft transportiert wird: Lautstark, aber ohne Gewalt, drücken Dortmunder Fans ihre Ablehnung gegen einen auf Pump geschaffenen Verein aus, der den Grundwerten des Fußballs widerspricht. Rund 1000 Polizei-Beamte rund ums Stadion werden in Hab-Acht-Stellung sein und hoffentlich auch abseits des Fanmarsches nicht zum Einsatz kommen. Nur in Folge eines gewaltfreien Szenarios kann die Karte des Schwarzen Peters den Leipziger Verantwortlichen immer wieder zugeschoben werden. Es ist nicht in Aussicht, dass RB in den nächsten Jahren das Fußball-Oberhaus wieder verlässt. Wenn guter Protest zur Tradition wird, wird in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings kein Stillstand in der kritischen Betrachtung einkehren.

Aber nun zum Sportlichen: Neben der großen Spannung abseits des Feldes steht am Samstag um 18:30 Uhr ein richtig wichtiger Kick an. Mit einem Sieg könnte der BVB den Vorsprung auf Leipzig auf neun Punkte ausbauen und einen selbstbewussten Spitzenreiter-Gruß nach München schicken, wo Trainerfuchs Jupp Heynckes zum wiederholten Male plötzlich wieder gut genug ist, um die Bayern vor einer den eigenen Ansprüchen nicht genügenden Saison zu retten. Die Aktion wirkt etwas aus der Not gegriffen, aber wer, wenn nicht Heynckes sollte den FCB schnell zurück in die Spur führen? Deshalb ist weiter fleißiges Punkten angesagt, um den Gassenhauer „Wer wird Deutscher Meister? BVB Borussia!“ noch möglichst lange in den Gefilden des Westfalenstadions erklingen zu lassen. Träumen wird ja wohl erlaubt sein…

Nach einem Zitter-Sieg gegen Augsburg heißt es am Samstag mal wieder, ein Ausrufezeichen zu setzen. Fehlen wird dabei leider Lukasz Piszczek, der sich im polnischen Nationaldress unglücklich das Außenband im rechten Knie anriss und eventuell das restliche Kalenderjahr ausfällt. Im Angesicht der äußerst bitteren personellen Situation auf den defensiven Außenbahnen (Schmelzer, Durm und Guerreiro sind nach wie vor verletzt) bereitete mir die Nachricht seiner Verletzung prompt Bauchschmerzen. Folgende Daten muss man sich einfach mal vor Augen führen: Seit dem Sommer 2010, als die Abwehr-Kante ablösefrei aus Berlin an die Strobelallee wechselte, war Piszczek abgesehen von Verletzungspausen und einem Ginter-Intermezzo unter Tuchel zu jeder Zeit Stammspieler und zeigte regelmäßig gute Leistungen. 16 Tore und 52 Vorlagen in 279 Spielen machen den Verteidiger aus der schlesischen Industriestadt Czechowice-Dziedzice zu einem echten Borussen. In dieser Saison ist er zudem mit einer Quote von 61,8% bester Dortmunder Zweikämpfer. Ersatz steht allerdings schon bereit: Jeremy Toljan wird am Samstag wahrscheinlich seine Position einnehmen. Der Neuzugang befindet sich weiterhin in der Eingewöhnungsphase, kann aber am Samstag definitiv unter Beweis stellen, was in ihm steckt. Auf der linken Seite wird vermutlich wieder Dan-Axel Zagadou auflaufen, der seine Sache bislang, obwohl er eigentlich Innenverteidiger ist, richtig ordentlich gemacht hat. Trotz der beiden Optionen bleibt zu hoffen, dass sich die Verletztenliste auf den defensiven Außenbahnen bald wieder leert. Vor Weihnachten stehen schließlich noch genug Spiele an.

Die Abwehr, welche in letzter Zeit trotz der geringen Gegentor-Anzahl als Manko des schwarzgelben Spiels ausgemacht wurde, wird gegen Leipzig auf eine harte Probe gestellt. Die Kombination aus einem lautstarken Support (gegenüber rund 3.500 Gäste-Fans) im Anschluss an einen friedlichen Protest und einer mutigen, konzentrierten Teamleistung kann unter Flutlichtatmosphäre aber sicherlich dazu führen, dass Borussia Dortmund auch im 42. Bundesliga-Heimspiel in Serie ungeschlagen bleibt. Oder, um es mit Han Solo zu sagen: „Prima Junge, aber werd’ jetzt bloß nicht übermütig.“

Mögliche Aufstellung:

Bürki – Zagadou, Bartra, Sokratis, Toljan – Weigl, Castro, Götze – Philipp, Aubameyang, Yarmolenko

Lionard,11.11.2017

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