Eua Senf

Die Sache mit der Dankbarkeit

08.07.2017, 18:33 Uhr von:  Gastautor
Pokalsieg - nicht genug?

Leider konnte ich unser geliebtes Westfalenstadion in der vergangenen Saison bei weitem nicht so häufig besuchen, wie ich mir gewünscht hätte, ein Umstand der bei einer Entfernung von rund 400 Kilometern und einem Wohnort in allertiefster Pampa (lies: Keine Züge) ärgerlicherweise nicht immer zu verhindern ist.

Um dennoch wenigstens ein Minimum an Vereinsgefühl und Zugehörigkeit abzubekommen, war ich somit hin und wieder gezwungen, meine tägliche Dosis BVB über das Internet aufzuschnappen. (Reale Menschen fielen meistens weg. Wir erinnern uns – tiefste Pampa). Hierbei konnte ich viele angenehme Kontakte knüpfen, wundervolle Menschen kennen lernen und fand auf entsprechenden Portalen fast ausschließlich weiblich geprägte Räume, in denen es auch als Frau möglich ist, über unseren geliebten Sport zu diskutieren ohne männliche Unkenrufe ertragen zu müssen (Im Stadion nach meiner Erfahrung kaum ein Problem, im Internet leider scheinbar immer noch gang und gäbe.).

Neben diesen durchaus positiven Erfahrungen stach mir jedoch etwas ins Auge, was mir schwer zu denken gab: Die Sache mit der Dankbarkeit. Was mir im „real life“ nie so auffiel, scheint in den unendlichen Weiten des Internetzes mehr oder minder zum guten Ton zu gehören. Offenbar sind sich erschreckend wenige bewusst, in was für einer komfortablen Lage wir uns nun schon seit einigen Jahren befinden.

Da wird gestänkert und vom Leder gezogen, gerade zu absurde Ansprüche und Forderungen werden laut, die bloße Champions League Qualifikation, die immer noch fortlaufende Serie an Finalteilnahmen – das ist längst nicht mehr genug. Selbst der Pokalsieg geriet für einige ob des „nur“ dritten Tabellenplatzes in den Hintergrund.

Ihren bizarren Höhepunkt erreicht diese Thematik in Feststellungen, wie der Erkenntnis, dass unsere Führungsriege um die Herren Watzke und Zorc ja kaum je etwas Zählbares gerissen hätte und bitte (natürlich zu Gunsten eines gewissen Du-weißt-schon-wen) schnellstmöglich gegangen werden sollte oder der Auffassung, dass Vereine wie Real Madrid oder Barcelona zwar schon irgendwie einen dickeren Geldbeutel und qualitativ breitere Kader hätten – das aber jedoch keine Entschuldigung sein dürfe, dass wir uns nicht Jahr für Jahr mit solchen Namen im Champions League Finale mäßen – und bitte auch gewännen, wenn wir schon einmal dabei wären.

Zugegeben, die letzteren Beispiele sind eher Ausnahmen, doch das grundlegende Problem bleibt bestehen: Scheinbar hat sich, vermutlich bedingt durch die fetten Jahre, eine fast schon Bayern-München-hafte Undankbarkeit entwickelt.

Stabilität im Management
Ich spreche nicht von wirklich besorgniserregenden Missständen, die selbstverständlich auch vor unserem Verein nicht halt machen und die es auszusprechen und zu kritisieren gilt. Darum geht es mir nicht. Es geht mir um die Tatsache, dass sportliche Erfolge kaum gewürdigt werden. Dass aktuell sieben Jahre ununterbrochene Teilnahme am internationalen Geschäft als selbstverständlich hingenommen werden. Dass die Jahre 2010 bis 2012 nicht als das unfassbare, vielleicht sogar einzigartige Erlebnis wahrgenommen werden, sondern seither als im Grunde unerreichbarer Maßstab zu gelten scheinen.


Dass es durchaus auch ganz anders gehen kann, sollte einem gerade als Dortmunder eigentlich bewusst sein. Und wenn die eigene nicht allzu weit zurückliegende Vergangenheit hierfür nicht ausreicht, dann könnten einem doch wenigstens die aktuellen Geschehnisse im Fußballgeschäft zeigen, dass finanzielle Stabilität, ein Management, das im Großen und Ganzen zu wissen scheint, was es tut und eine sportlich wahrlich nicht zu verachtende Perspektive alles andere als selbstverständlich sind. Und dass es sich lohnt, darüber nachzudenken diese Punkte vielleicht einfach etwas mehr zu schätzen.

Aber das sagt sich so leicht – jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, liege ich am Strand von Griechenland, in der Sommerpause und eine gewisse Objektivität ist in dieser Situation deutlich leichter zu erreichen als während der ein oder anderen englischen Woche. Ich bin sicher, in wenigen Wochen werde ich wieder Gründe zum zetern finden. Man gönnt sich ja auch sonst nichts.

geschrieben von Larissa

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