Warmlaufen

Rollercoaster Borussia - mit neuem Schwung gegen Gladbach?

02.12.2016, 20:25 Uhr von:  Redaktion

Stand zuletzt im Fokus: Thomas TuchelIn den 90er Jahren erfreute sich eine Vergnügungspark-Simulation namens „Rollercoaster Tycoon“ großer Beliebtheit bei zahlreichen Videospielern. Wirft man einen Blick auf die Saison des Ballspielvereins Borussia aus Dortmund, fallen einem doch einige Parallelen auf. Nein, damit sind noch nicht mal die um die Wette kotzenden Parkbesucher und auch nicht die nervigen und übertriebenen Maskottchen gemeint. Auch nicht unbedingt die Geisterbahn, die ja eher in anderen Teilen der bajuvarischen Republik oder im Schlumpfenland zu finden sein dürfte. Selbst die zahlreichen Fressbuden dürften im Tuchelschen Erlebnispark eher vor die Hunde gehen, da der BVB schließlich hungrig bleiben soll. Nein, die Vergleiche bieten sich vor allem in der offensichtlichsten aller Tatsachen wieder: im stetigen Auf und Ab, in dem sich der BVB schon seit einigen Monaten befindet.

Auba bejubelt das Siegtor gegen die BayernAuf Sternstunden leidenschaftlicher und überzeugender Siege gegen Mannschaften, die auch im internationalen Top-Niveau angesiedelt sind, folgten zu oft schmerzhafte Alibi-Auftritte und enttäuschende Ergebnisse. Nicht zuletzt als der BVB im heimischen Westfalenstadion mal wieder den Schlachtgesang „Ein Schuss, kein Tor, die Bayern…“ provozierte, nur um eine Woche später den Anschluss an die Spitzengruppe mit einem ideenlosen Auftritt bei Eintracht Frankfurt wieder zu verlieren. Auch, weil nun zum ersten Mal seit Saisonstart keine englische Woche im Kalender auftauchte, gab es seit vergangenen Samstag natürlich genug Zeit, um nachzudenken. Über übertriebene Rotation, verhältnismäßige oder verhältnislose Kritik des Trainers und an den Trainer, Abwehr-Schwächen, Defizite in allen Bereichen, Verletzungsunterbrechungen… es gab einiges, was die Borussia-Fans in den zurückliegenden Tagen bewegen konnte. Die Meinungen sind kontrovers und divers zugleich. Zum einen, weil der BVB in vielen Wettbewerben noch voll im Soll steht, zum anderen, weil aber auch nicht alles Gold ist, was in den letzten Wochen durchaus mal schön geglänzt hat.

Tristesse in FrankfurtMich störten in der Vergangenheit vor allem die Schwächen in der Defensive, die nicht wegzuleugnen sind. Viel zu viele dumme Gegentore hat der BVB nach mittlerweile zwölf Spieltagen in der Bundesliga kassiert, im oberen Bereich der Tabelle liegt man damit im Gegensatz zur Offensive doch eher hinten. Ärgerlich, ließen sich viele der Gegentreffer doch sicherlich vermeiden. Zum anderen störte mich an Tuchels Generalkritik der letzten Woche die auch in der heutigen Pressekonferenz offen gelassenen Fragen. Warum zeigt die Mannschaft viel zu oft Defizite in diversen Bereichen des Spiels? Warum unterlaufen der Defensive in der einen Woche haarsträubende Fehler, in der anderen Woche ist man aber in der Lage, auch die wildesten Offensiven ziemlich gut in den Griff zu bekommen?
Warum merkt der Trainer, dass man mit der Einstellung keine Ananas holen kann, unternimmt jedoch nichts dagegen? Tuchels Kritik war sicherlich gerechtfertigt, nach außen hin (!) kommuniziert dann aber doch zu sehr an der Oberfläche kratzend. Dabei hätte mich durchaus interessiert, welche Stellschrauben der Trainer in der letzten (anscheinend „herausragend“ verlaufenen) Trainingswoche drehen wollte. Auch, weil ich selbst keine definitive Erklärung für die schwankenden Leistungen der Mannschaft habe. Nur ein Gefühl, dass entweder die Einstellung in der Mannschaft in Spielen gegen die „kleinen“ Vereine der Bundesliga, selbst wenn sie wie Frankfurt gerade ein Hoch erleben und direkter Konkurrent sind, nicht stimmt. Oder aber, die übermäßige Rotation, die in einer bestimmten Weise sicherlich notwendig ist, geht schließlich doch auf Kosten der Eingespieltheit, der Souveränität und der Automatismen. Sicher bin ich mir am Ende des Tages auch nicht. Aber Antworten erhalte ich von den BVB-Angestellten leider auch wenige.

Egal, genug der Vergangenheitsbewältigung. Morgen ist schließlich wieder Spieltach. Heimspiel. Westfalenstadion. Samstag, 15.30 Uhr. Borussia gegen Borussia. Und man täte gut daran, zumindest für 90 Minuten doch mal den Fokus nur noch auf das Spiel zu lenken. Die Vorzeichen sind schließlich gar nicht so schlecht. Denn die BVB-Achterbahn schafft es kurioserweise doch relativ oft, im Westfalenstadion auf einem der höchsten Abschnitte anzukommen, ehe es dann auswärts oftmals mit der gewonnenen Geschwindigkeit wieder hinunter geht. Man ist immer noch dabei, den eigenen Vereinsrekord von der längsten Serie unbesiegter Spiele auszubauen. Und in der Heimtabelle ist auch alles Tutti. Platz 3. Noch dazu sind die Ponys aus Gladbach nicht gerade für ihre Auswärtsstärke bekannt. Ein mageres Pünktchen holten sie in dieser Saison auf fremden Platz. Und insgesamt sind die Hottehüs nun nicht unbedingt das, was man aktuell fürchten müsse. Ginter gegen GladbachTrainer Andre Schubert steht mittlerweile etwas stärker in der Kritik und in Mönchengladbach wird die Luft auch langsam dünn, weil man den eigenen Zielen ein wenig hinterher rennt. Klar, man ist mit Klubs wie Leverkusen oder Wolfsburg in diesem Jahr in guter Gesellschaft. Trotzdem schaut man auch in der Wellblecharena wohl eher ungerne darauf, wie Vereine wie Hoffenheim, Leipzig oder Frankfurt die Bundesliga stürmen und Jünter aufpassen muss, dass nicht wieder Pferde-Lasagne aus dem Vorjahr aufgewärmt wird. Die Vorzeichen auf dem Papier sprechen also eher gegen Gladbach als gegen Dortmund. Gut so. Schließlich erwartet der BVB bis Weihnachten noch einige wichtige Aufgaben: es geht noch nach Madrid, nach Köln, nach Hoffenheim und zu Hause gegen Augsburg. Vor allem die anstehenden Auswärtsspiele in der Bundesliga sind aufgrund der inkonstanten Konstruktion der BVB-Achterbahn 2016/2017 eher skeptisch zu begutachten. Umso wichtiger wäre also ein Sieg gegen die falsche Borussia, um ein wenig entspannter in die kommenden Wochen zu gehen. Die Bundesliga ist schließlich zusammengerutscht und eng beisammen, mit einem Sieg kann man sich ebenso schnell nach oben arbeiten wie mit einer Niederlage nach unten. Erneut greift die Achterbahn-Metaphorik.

Neben diesen Punkten bleibt die Hoffnung. Die Hoffnung darauf, dass die deutlichen Worte von Thomas Tuchel zur rechten Zeit kamen, die Mannschaft erreichten und für eine kleine Wende sorgen können. Erinnern wir uns an das letzte deutliche Zeichen, das Hungry Tommy in dieser Spielzeit sendete, so fruchtete es schließlich. Aubameyang flog aus dem Champions League-Kader für die Sporting-Partie, nur um in Hamburg den Looping zu starten und sich eindrucksvoll zurückzumelden. Fünf-Tore-Gala in HamburgAuch damals gehörte ich zu denjenigen, die die Suspendierung eher ungünstig gewählt hielten, wurde dann aber Lügen gestraft. Es wäre schön, wenn die Worte des Trainers einen ähnlichen Effekt im morgigen Spiel erzielen würden. Und auch wenn ich Raphael Guerreiro als Kreativspieler im Mittelfeld wohl weiterhin vermissen muss, bleibt die Hoffnung, dass beispielsweise Marco Reus in der letzten Woche erneut große Schritte machen, sich mit der Mannschaft einspielen und wieder wertvoller werden konnte. Ähnliches gilt für die Spieler, die nach kurzer oder längerer Verletzungspause in den letzten Wochen wieder zurück kamen, aber noch nicht die Zeit fanden, um in den hektischen englischen Wochen wieder auf ein hohes Level zu kommen. Denkbar also, dass Reus am Samstag in der Startformation wirbeln könnte. Auf Dortmunder Seite werden Bürki, Bender, Subotic, Park und der schon erwähnte Guerreiro das jedoch nicht tun. Auch bei der falschen Borussia fallen mit Dominguez, Herrmann, Traore oder Drmic aber auch einige namhafte Namen weg.

Auf Fanseite wurde in den letzten Wochen auch immer wieder über die Stimmung im Westfalenstadion geredet. Beim letzten Heimspielauftritt gegen die Bayern zeigte die Süd mal wieder in einigen Ansätzen, was in ihr steckt – was aber auch kein Wunder bei einem Topspiel war, das auch noch schnell zugunsten der Borussia lief und durch die Erinnerungen an Aki Schmidt auch noch zusätzlich emotional aufgeladen war. Dennoch wäre es schön, wenn die Besucher des traditionsreichen Stadions am Samstag daran anknüpfen könnten, auch wenn es nicht von Minute Eins an für den BVB laufen sollte. Erneut wartet ein wichtiges, ein richtungsweisendes Spiel auf Thomas Tuchel und seine Jungs. Viele Fragen wurden vor der Partie gestellt, viele warten nun auf die Antworten. Das dürfen sie auch. Beim Warten kann man aber auch den Schal in die Hand nehmen und den Mund aufmachen. Hilft erstens gegen die Kälte und zweitens lenkt es auch ein wenig vom Nachdenken ab, was manchmal auch gut tun könnte. Im BVB-Rollercoaster geht es also hoffentlich wieder nach oben. Und schließlich gab es im Videospiel ja auch die Option, erst einmal ewig lange Anstiege zu bauen, die scheinbar kein Ende nehmen wollten. Konstrukteur Tuchel, an die Arbeit!

Mögliche Aufstellungen

Rollercoaster Dortmund: Weidenfeller – Piszczek, Sokratis, Ginter, Schmelzer – Weigl – Dembélé , Götze, Castro, Reus – Aubameyang

Falsche Borussia aus Gladbach: Sommer – Elvedi, Christensen, Jantschke – Korb, Strobl, Kramer, Wendt – Dahoud – Stindl, Raffael

Schiedsrichter: Fritz (nicht Danny)

Zuschauer: vermutlich 81.360 (wie immer präsentiert… ach, ihr kennt das… AUSVERKAUFT!)

Vanni, 02.12.2016

Unterstütze uns mit steady

Weitere Artikel