Unsa Senf

Heuchler, Söldner, Bauernfänger

01.05.2016, 15:21 Uhr von:  Nadja
Heuchler, Söldner, Bauernfänger

Der BVB hat gegen Wolfsburg einen bemerkenswerten Sieg errungen. Die Mannschaft steht vor der Süd und wird nicht gefeiert, weil einer dazwischen steht, den die Fans nicht mehr sehen wollen. Nicht 300 „Fans“, sondern die Mehrheit der Südtribüne. Sollte die Mannschaft, die gerade ein so tolles Spiel geliefert hat, darunter leiden? Nein, das sollte sie nicht. Sollte man den Spieler, der noch immer das Trikot von Borussia Dortmund trägt, dermaßen unflätig beleidigen? Nein, vermutlich auch nicht. Sollte man einen Spieler im BVB-Trikot während des Spiels auspfeifen? Wahrscheinlich ebenfalls nicht. Wenn das alles jedoch in irgendeiner Weise hilft, die ersten großen Emotionen bis zum Pokalfinale rauszulassen, sodass der Fokus beim letzten wichtigen Spiel der Saison wieder ganz auf das Spiel gerichtet sein kann, dann dient das in meinen Augen einem guten Zweck und der heiligt bekanntlich die Mittel.

Was mich verwundert hat, war die Verwunderung über diese Reaktion. Scheinbar haben Spieler und Verantwortliche von Borussia Dortmund nicht (in dieser heftigen Form) mit Protest gerechnet. Was haben sie erwartet? Ist es tatsächlich so schwierig zu verstehen, wo diese Wut und Enttäuschung herkommen? Ist es für die Leute im Verein nicht sichtbar, weshalb ein Abschied gut verläuft und ein anderer nicht? Das ist kein Zufallsprinzip, nachdem die Fans die Spieler ver- oder beurteilen! Ein Erklärungsversuch:

Es gab in den letzten drei Jahren drei große Abgänge in Richtung Bayern (mal davon ausgegangen, dass der FC Bayern Mitleid mit Hummels hat und es ihm nicht antut, seinen Vertrag aussitzen zu müssen). Von den dreien wurde einer würdig verabschiedet: Lewandowski.

Der Söldner

Der Söldner, der Pokerspieler, trotzdem respektiert: Robert Lewandowski.

Der Söldner, der Pokerspieler. Der Typ, den Fans im Allgemeinen am wenigsten leiden können. Er ist wegen des Geldes da, versucht finanziell und karrieretechnisch das Beste rauszuholen, der Verein ist ihm egal. Er spielt seinen Stiefel runter, egal, ob die Leute ihn beklatschen oder auspfeifen. Interviews gibt er nur sehr selten und wenn, dann sind seine Antworten auf das Spiel bezogen und meistens sehr kurzsilbig. Er schickt seine Berater in der Zwischenzeit los, um den nächsten Schritt in seiner Karriere auszukundschaften und einen Verein für ihn zu finden, wo er mehr Geld verdienen und mehr Titel holen kann. Der Söldner – und Lewandowski ist ein Söldner wie er im Buche steht – bringt immer Leistung, auch wenn der Verein ihn zwingt, noch ein Jahr dranzuhängen. Dann wird er eben noch kurz Torschützenkönig, weil er einfach der Beste sein will. Er ist ein Egoist. Fans mögen solche Spieler nicht, weil diese Spieler keinerlei Leidenschaft für den Verein aufbringen können und damit genau am anderen Ende des Spektrums anzusiedeln sind als die Fans selbst. Fans sind jedoch in der Lage, die Söldner von Anfang an zu erkennen. Sie werden ihnen nie ihr Herz schenken, aber sie werden sie für ihre Leistung respektieren. Und nach einer Saison, in der ein Spieler trotz größter Reibereien und einem Streit mit dem Verein seine beste Leistung abgerufen hat, den Spieler auch entsprechend mit Standing Ovations verabschieden. Er zieht weiter, wie er es angekündigt hatte. Kapitel abgeschlossen. No bad feelings.

Der Heuchler

Heuchelte den Fans ewige Vereinsliebe vor: Mario Götze.

Götze war da schon eine andere Hausnummer: Im Verein groß geworden – und entsprechend dem Verein auch viel zu verdanken, ein echter Dortmunder Junge (wenn auch mit Münchener Wurzeln), der Messi von Dortmund. Unser Superstar, selbst gemacht, einer von uns. Götze konnte kein Söldner sein, war es aber. Und weil er wusste, dass er es nicht sein konnte, hat er so getan, als würde ihm etwas am Verein liegen. Er hat Aussagen getätigt, die ihn bei den Fans in einem besseren Licht erscheinen ließen. Er war ein Heuchler. Während er wohl schon lange in Verhandlung mit dem FC Bayern gestanden haben muss, hat er noch Dinge gesagt wie „Ich kann mir vorstellen, für immer hier zu bleiben.“ Das sind ganz dreiste Lügen. Fans nehmen das persönlich. Das ist Verrat. Betrug. Fremdgehen. Dass er damit ganz nebenbei auch noch den Traum von den „11 Freunden“ beendet hatte, war zwar nicht seine Schuld, kam aber noch erschwerend hinzu. Und während die Fans noch davon träumten, dass man mit wenig Geld, viel Leidenschaft und eigenen Talenten den großen FC Bayern vielleicht nicht nur ärgern könnte, sondern sogar dauerhaft mit ihm gleichziehen konnte (CL-Finale!), wollte der Dortmunder Junge unbedingt nach München. Klar, er war jung, naiv und brauchte das Geld, war vielleicht schlecht beraten und hat sich das alles am Ende selbst auch anders vorgestellt. Nur ist es halt so, dass meine Eltern mir beigebracht haben „wer einmal lügt, dem glaubt man nicht und wenn er auch die Wahrheit spricht“, die von Götze haben das scheinbar versäumt. Das verlorene Vertrauen, das Gefühl hintergangen und angelogen worden zu sein, das ist schwer zu kitten. Und wenn man es nicht bei einer Person, sondern bei 80.000 kitten muss, dann ist das so gut wie unmöglich.

Der Bauernfänger

Verlässt den BVB und seinen Kumpel: Mats Hummels.

Bleibt noch Hummels. Hummels hätte ein Söldner sein können. Anders als Götze kam er als Leihspieler von München. Keiner hätte es ihm übel genommen, wenn er von Anfang an gesagt hätte, dass er sich am Ende bei Bayern durchsetzen möchte und Dortmund nur als Übergangsstation sieht. Sicherlich noch nicht 2008 oder 2009! Hummels wählte jedoch einen anderen Weg. In einem Anfall von Narzissmus oder beleidigtem Stolz hat er sich als die Galionsfigur im Kampf gegen Bayern und den Verfall der Liga in die Kommerzialisierung hingestellt. Er hat den Leuten verkauft, dass er derjenige sei, der es noch ernst meine, dem es noch um die Fans und den Verein gehe. Dass er mit wenigen, dafür speziellen Titeln viel glücklicher ist als mit vielen bedeutungslosen. Damit hat er sich sehr weit aus dem Fenster gelehnt und bewusst die Leute hinter sich geschart. Ein Populist.

Ja, auch er war noch jung und manche Dinge ändern sich. Man wird älter, sieht gewisse Dinge anders, heiratet jemanden, der auch ein Wort mitreden will darüber, wo man wohnt und wie man sich nach außen positioniert. Das passiert. Dadurch ist er jetzt halt aus dem Fenster gefallen, um mal bei der Symbolik zu bleiben. Er hätte aber noch immer eine Chance gehabt – nämlich ganz klar und deutlich zu sagen, weshalb er seine Meinung geändert hat. Den Wechsel mit dieser Begründung selbst zu kommunizieren, so wie er das mit so vielen anderen Dingen in der Vergangenheit auch gemacht hat. Hat er aber nicht. Stattdessen verkriecht er sich in den selben Narzissmus und beleidigten Stolz, den er nach seinem Wechsel aus München gezeigt hat. „Warum verstehen die Leute mich nicht?“, „Warum zählen die acht Jahre nicht?“ Ja, Herr Hummels, warum zählen die acht Jahre nicht?

Genau das fragt sich auch die ganze Süd! Was hat sich geändert? Weshalb der Sinneswandel? Kein Kommentar. Wir Fans sind zu dumm oder zu unwichtig, um die Hintergründe zu verstehen, also nennt man sie uns erst gar nicht. Oder geht es darum, Cathy zu schützen? Es ist egal, denn es ist zu spät. Nicht nur Hummels ist aus dem Fenster gefallen, sondern auch das Kind in den Brunnen. Das lässt sich jetzt nicht mehr reparieren, daher ist es besser, wenn man sich so schnell wie möglich und so endgültig wie möglich trennt. Wir fühlen uns verarscht – und das ist fast noch schlimmer als betrogen!

Wem kann man noch trauen?

Was ich an der Geschichte so richtig schade finde ist, dass man mittlerweile keinem mehr glaubt, der sagt, dass er mit dem Verein verbunden ist. Schmelzer, Bender, Reus – wer wird der nächste Verräter? Wegen Leuten wie Hummels und Götze ist da immer diese Stimme im Hinterkopf! Trau keinem, sie tun nicht, was sie sagen! Und selbst nach dem Karriereende kann man sich nicht sicher sein, weil es ja auch noch die Sammers dieser Welt gibt.

Dieses Misstrauen haben nicht Söldner wie Lewandowski und Barrios zu verantworten, sondern die verbalen Trikotküsser dieser Welt.

Das Stadion und besonders die Süd hat ein ganz feines Gespür dafür, wie man einen verdienten Spieler würdig verabschiedet. (Man darf gerne bei Dede, Jan Koller, Jürgen Kohler oder eben auch Lewandowski nachfragen).

Die Spieler, denen das nicht zuteil wird, haben irgendwann davor etwas Grundlegendes falsch gemacht. Gelogen oder getäuscht. Niemand wird gerne belogen oder verarscht, wir Fans sind da nicht anders. Und dann ist es am Ende eben auch egal, was man auf sportlicher Ebene alles für den Verein erbracht hat, denn wir sind keine Söldner, die dem sportlichen Erfolg alles unterordnen.

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