Unsa Senf

Warum mich der FC Bayern nicht interessiert

28.04.2016, 19:26 Uhr von:  Scherben
Warum mich der FC Bayern nicht interessiert
Noch jubeln sie zusammen

FC Bayern hier, FC Bayern da. Gefühlt kommt kein Gespräch rund um den BVB ohne Verweis auf unsere Freunde aus München aus. Extrem nervig, insbesondere dann, wenn man sich für diesen Verein nicht die Bohne interessiert...

Henrikh Mkhitaryan gehört zu denjenigen Spielern, die noch nicht verlängert haben.

Bereits bevor die Gerüchteküche in der letzten Woche so richtig an Fahrt gewann, war klar, dass die mögliche Vertragsverlängerung von Mats Hummels in Dortmund nicht bloß reine Formsache ist. Das Thema stand viel zu lange im Raum, ohne dass Vollzug gemeldet wurde, und wie bei den anderen Kandidaten Ilkay Gündogan und Henrikh Mkhitaryan wusste man auch, dass jeder Tag ohne Unterschrift eher eine Tendenz in Richtung Abschied bedeutet. Trotzdem herrschte relative Ruhe, was zumindest ungewöhnlich ist, wenn der Mannschaftskapitän darüber nachdenkt, den BVB zu verlassen. Bis dann dieser eine Begriff in Umlauf kam: FC Bayern. Das ist aus vielerlei Gründen schwer zu ertragen. In erster Linie natürlich, weil die mittlerweile getroffene Entscheidung von enormer Wichtigkeit für die sportliche Zukunft des BVB ist, und zwar ganz unabhängig davon, wohin Mats Hummels wechselt. Nicht nur er, auch die anderen genannten Spieler würden im Fall ihres Abgangs sichtbare Lücken auf dem Platz und wohl auch in der Kabine reißen, die sich womöglich erst in mehreren Jahren vollends schließen lassen. Was zumindest suboptimal ist, wenn man gerade dabei ist, sich unter den Top 10 in Europa nachhaltig einzurichten.

Mats Hummels gegen Thomas Müller, nun wohl bald in einem Team.

Aber selbst wenn man die Entwicklung etwas anders einschätzt und sogar betonen möchte, dass zum Beispiel Mats Hummels den Bayern deutlich mehr helfen als er uns fehlen würde (was ich unabhängig von seiner Qualität stark bezweifle), bleibt das ungute Gefühl bestehen, dass es bei der Beurteilung des möglichen Transfers gar nicht so sehr darum geht, wie schlecht dieser für den BVB wäre, sondern vor allem, was das für den FC Bayern bedeutet.

Und spätestens dann möchte man eigentlich nur noch schreien. Eine für den BVB wesentliche sportliche Entscheidung ist vorrangig nur deshalb von Bedeutung, weil ein Spieler womöglich zum FC Bayern (und nicht nach Barcelona, Manchester, Madrid, ...) geht? Oder was ich letztens woanders auch schon las: Es sei wichtig, das Pokalfinale zu gewinnen, damit der FC Bayern das Tripel nicht holt. (Wobei das vielleicht auch einfach bereits Atletico erledigt.) Mit anderen Worten jedenfalls: So wichtig ist der BVB eigentlich gar nicht. Wichtiger ist die Abgrenzung zum FC Bayern.

Das Problem beim Transfer von Mats Hummels: Dass er geht. Nicht wohin.

Man könnte noch unzählige andere Beispiele dieser Art finden, wo BVB-Fans mit kindlicher Begeisterung noch das abseitigste Detail diskutieren, warum der FC Bayern die Inkarnation alles Schlechten in der Welt ist. Was vermutlich in seiner Geballtheit bereits dann nervig ist, wenn der FC Bayern ein Rotes Tuch für einen ist. Noch grässlicher ist das alles, wenn einem der FC Bayern scheißegal ist. Einen anderen Verein fast für wichtiger zu halten als den eigenen, in welcher Richtung auch immer, widerspricht jedenfalls allem, warum ich Fußballfan geworden bin. Damals, beim allerersten Mal, hatte ich keine Ahnung von Fußball. Und dann standen der BVB und der KSC auf dem Platz. Und weil Papa mich vernünftig vorbereitet hatte, war ich für den BVB. Und bin es bis heute. Der KSC ist mir scheißegal. Bis heute. Warum sollte es bei den Bayern anders sein?

Das Problem beim Transfer von Mats Hummels: Dass er geht. Nicht wohin.

Natürlich: Die Bayern sind Konkurrent in der Liga und im Pokal, und sie sind dummerweise noch sehr erfolgreich. Aber das tangiert meine Beziehung zu Borussia doch überhaupt nicht. Die existiert ganz unabhängig von anderen Vereinen und der Qualität ihrer jeweiligen Mannschaften, und die ist auch unabhängig von der Frage, ob und welche Titel wir gewinnen. Was viele Leute nicht verstehen können, die sich nur lose mit Fußball befassen und mit mir bloß nach vermeintlich großen Spielen darüber sprechen. Aber wenigstens BVB-Fans sollten das doch können?

Und sowieso: Diese Fixierung auf Titel führt doch gerade dazu, dass man den Bayern mental näher kommt, als einem lieb ist. Allein diese professionellen Meisterfeiern mit Musik vom Band lassen mir die Bayern als Ganzes so fremd erscheinen, dass ich mich gar nicht bewusst von ihnen abgrenzen muss. Selbst nach dem Rückspiel im Achtelfinale gegen Juventus, einem Spiel, über das man in der dortigen Südkurve sicher noch Jahre lang voller leuchtender Augen sprechen dürfte, war das wichtigste Thema für die Münchner Vereinsführung, wie sich in Zukunft verhindern lässt, dass man zu solch einem Spiel, gegen einen Gegner von solch einem Niveau, überhaupt vor dem Halbfinale antreten muss. Lassen wir einmal die unzähligen Argumente beiseite, die dafür sprechen, dass zwei Mitfavoriten auch bereits im Achtelfinale der Champions League aufeinander treffen können: Welche enorme Geringschätzung des gesamten Wettbewerbs spricht aus solch einem Gedanken? Bei optimalem Verlauf der Saison stehen 53 Spiele in den wesentlichen Wettbewerben an (Bundesliga: 34, Pokal: 6, Champions League: 13), und am Ende zählen bestenfalls fünf und alle anderen sind lästiges Beiwerk und eigentlich verzichtbar? Gut, die Einnahmen aus Fernsehgeldern, Sponsoring und Kartenverkauf nimmt man natürlich gern mit, aber ansonsten dienen diese Partien bestenfalls dazu, sich nicht die Chance auf zwei Endspiele und wenigstens einen Titel zu versauen?

Die Fixierung auf Titel entspricht nicht der Realität auf der Tribüne

Die Haupttribüne in München: Wo eine Handvoll Spiele wichtig sind und der Rest egal...
Ich finde solche Gedanken grässlich, und ich glaube eigentlich auch, dass es einem Großteil der Besucher im Westfalenstadion ähnlich wie mir geht. Am Ende freuen wir uns über solche Siege wie zuletzt gegen Hoffenheim und Bremen tierisch, selbst wenn es objektiv in der Tabelle für uns nur um sehr wenig geht. Trotzdem haben Fans und Mannschaft gemeinsam diese Spiele gebogen. Mit klassischen Dortmunder Attributen: Lautstärke, Leidenschaft, Hingabe. Und wenn dann das erlösende Tor fällt, dann ist für einen ganz langen Moment scheißegal, ob man gerade im Halbfinale der Champions League oder in der zweiten Pokalrunde steht, ob das Derby gegen Gelsenkirchen ansteht oder der Betriebssport von SAP zu Gast ist: Die Tribüne tobt, weil der BVB spielt, weil elf Borussen auf dem Rasen für das große Ganze stehen. Hier und jetzt.

Diese Einstellung zu bewahren ist für die Zukunft des BVB unglaublich wichtig, weil sie Teil der DNA dieses Vereins ist. Jedes Spiel ernst zu nehmen, auf dem Feld wie auf der Tribüne, mit Leidenschaft für den Sieg zu kämpfen: Das macht Borussia aus. Und natürlich sind dann gewonnene Titel geil, weil sie am Ende eines gemeinsamen Weges stehen, weil sie meist die Belohnung für einen Sieg in einem ganz speziellen Spiel sind, aber sie bleiben trotzdem eher ein angenehmer Nebeneffekt, eine schöne Konsequenz, die erst daraus entstehen kann, dass man jede einzelne Partie mit der nötigen Ernsthaftigkeit angeht. Als Spieler wie als Fan.

So zu denken war der Schlüssel für Meisterschaften wie 2011, und auch in diesem Jahr tut es gut, wenn der Fokus nicht auf Tabellenkonstellationen liegt, sondern auf der Aufgabe, die heute ansteht. Ohne Blick zum FC Bayern, überhaupt ohne Blick zur Seite. Dadurch gibt es zwar keine Garantie für Titel, aber eine Garantie für magische Momente, die bleiben werden. Mein Málaga wird jedenfalls niemals durch Wembley entwertet werden.

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