Spielbericht Profis

And after all you win in Portugal!

28.02.2016, 14:55 Uhr von:  Redaktion

Porto: Traumhafte Stadt im Norden PortugalsSeit Jahren hatten die BVB-Fans auf ein Spiel in Portugal gehofft. Bei jeder Auslosung schielten sie auf die Braga, Porto und Lissabon, nur um am Ende doch wieder nach London oder Madrid zu fliegen. Endlich hatte das Losglück uns dann auch getroffen: Weil die Mannschaft bei PAOK und Krasnodar den Gruppensieg verspielt und sich damit das sportlich anspruchsvollere Los beschert hatte, gingen eingefleischten BVB-Fans die Herzen auf. Das halbe Ruhrgebiet hatte sich auf den einschlägigen Webseiten nach Flugreisen erkundigt, innerhalb von Minuten waren die Preise von 50 auf bis zu 1.000 Euro hochgeschnellt. Kein Wunder, klang das Traumlos FC Porto gegen Borussia Dortmund klang doch so sehr nach Champions League, wie es KAA Gent gegen VfL Wolfsburg auch in hundert Jahren nicht tun wird.

Rund 5.000 Fans werden es am Ende gewesen sein, die die Reise antraten. Die Ticketpreise fielen mit 55 Euro im Gästeblock reichlich unverschämt aus, in den angrenzenden Blöcken zahlten BVB-Fans 80 Euro und mehr. Dass diese Preisgestaltung in einem noch immer gebeutelten Land wie Portugal ein No-Go darstellt, konnte man Tage vor dem Spiel absehen: Kurzfristig konnte der BVB einige hundert neue Karten anbieten, ein klares Indiz dafür, dass der heimischer Vorverkauf nicht ganz so rund laufen konnte. Am Ende blieben rund 15.000 bis 18.000 Plätze im Estádio do Dragão unbesetzt – eine Schande für den Fußball, der eine ganz andere Kulisse verdient gehabt hätte.

Leider herrschte meist schlechtes WetterDie mitgereisten Borussen interessierte das aber noch eher wenig. Die meisten waren für mindestens drei Tage angereist, einige andere gleich für eine ganze Woche. Die Kneipen boten Fangetränke ab 50 Cent, in gehobenen Restaurants wurden Portwein und feinste Käseplatten schnabuliert. Und weil längst nicht jedes Etablissement mit Horden deutscher Touristen gerechnet hatte, wurden all irgendwie als Trinkgefäß geeigneten Krüge herangezogen: Wer schon immer mal sein Bier aus einer Sauciere, Vase oder einem Saftkännchen trinken wollte, sollte in Porto seine helle Freude gehabt haben.

Spätestens am Donnerstag war dann auch die ganze Stadt schwarzgelb geprägt. Entlang des Douro flanierten tausende Borussen, schossen ihre Fotos von der berühmten Brücke Ponte Dom Luís I (die historisch eher interessant schien, als optisch zu überzeugen wusste) und bevölkerten die dutzenden Kneipen entlang der Touristenmeile Ribeira. Bei bestem Wetter (an allen anderen Tagen schüttete es wie aus Eimern) genossen die Borussen auch die anderen schönen Ecken der Stadt – ob am Strand, in den weiß-gepflasterten Fußgängerzonen oder an den großen Promenaden zwischen Kathedrale, Praça da Liberdade und Boavista.

Als die Sonne doch noch herauskam, säumten hunderte BVB-Fans die Touristengegend RibeiraBereits ab 14 Uhr sammelten sich die Fans am zentralen Treffpunkt in der Stadt, bis es kurz vor dem geplanten Abmarsch doch noch den schon beinahe gewohnten Platzregen biblischen Ausmaßes gab. Gut für die Polizei, die sich ohnehin eine Anreise per Metro gewünscht hatte, ein bisschen ärgerlich für alle anderen, die gerne mal wieder zum Stadion gelaufen wären. Doch alleine die wenigen hundert Meter bis zur Metrohaltestelle waren beeindruckend: Schon lange waren nicht mehr so viele Borussen gemeinsam unterwegs gewesen, überall entlang der Wegstrecke filmten begeisterte Portugiesen den Mob. Leider taten dies auch haufenweise Borussen, die es einfach nicht aushalten konnten ihr Handy zwei Minuten in der Tasche stecken zu lassen, und einem dieses lieber alle paar Sekunden wieder ins Gesicht streckten. Und so war es dann doch wieder ein Ärgernis, das man sich ganz mühelos hätte ersparen können. (Memo für Tottenham: Lasst den Scheiß!)

Wie gewohnt aus dem Europapokal, wusste die Polizei auch in Porto lange zu begeistern. Der Weg vom Treffpunkt bis zur Metro wurde locker begleitet, tausende Flaschen und Bierdosen auf dem Weg wurden geduldet. An der Haltestelle bildeten die Ordnungshüter einen losen Ring hinter den Fans, um den Weg zurück zu versperren. Wer pinkeln musste, sollte an die Mauer pinkeln, ansonsten gab es vor allem lockerem Plausch mit den aus Europa beliebten Polizisten-Selfies. Als die Warterei dann doch ziemlich lang wurde, entschieden sich einige hundert Fans für einen Fußmarsch und lösten sich von der Gruppe. Im Gegensatz zu Deutschland, wo es mit Sicherheit Ärger gegeben hätte, ließen die Polizisten die Fans nun gewähren – einzelne Borussen wurden mit freundlichen Worten zurückgeschickt, ganze Gruppen ohne weitere Ansprache durchgelassen.

Bis zum Stadion freundlich, zurückhaltend und nur selten in Kampfmontur: Die PolizeiDass die Polizei durchaus anders gekonnt hätte, zeigte nicht nur die Ausrüstung mit Gummi-Schrotflinten, sondern leider auch die Situation am Stadioneingang. Einzelne Fans hatten sich dort über die Absperrungen begeben und versucht, mit Tickets für neutrale Blöcke den Weg in den Gästeblock zu finden. Laut Berichten von Augenzeugen rotierten nun die langen Holzknüppel und kam es dazu, dass nicht alle Fans das Spiel im Stadion verfolgen konnten.

Auch auf der Pressetribüne zeigten sich die Ordner nicht durchgehend hilfsbereit oder freundlich. In harschem Ton wurden Anweisungen erteilt, bereits weit vor Spielbeginn die Kameras für private Andenken beiseitezulegen, während neutrale Kollegen sogar einen Aufenthalt im UEFA-Büro absolvieren mussten, um die Genehmigung für ihre Kamera dann doch nicht zu bekommen. Richtig albern wurde es, als bereits eine Viertelstunde vor Spielbeginn die Sitzplatzpflicht angemahnt wurde – obwohl alleine schon aus baulichen Gründen (hinter den noch stehenden Journalisten befand sich eine hohe Mauer) niemand in seiner Sicht hätte eingeschränkt werden können. Eine so strikte Durchsetzung von UEFA-Regeln hatte von uns in diversen Jahren Europapokal noch keiner erlebt.

Das Stadion, das baulich an das Leipziger Zentralstadion erinnerte, war insgesamt nur spärlich besetzt. Obwohl sich der prall gefüllte Gästeblock uns gegenüber auf der Gegengerade befand und dort beinahe den halben Oberrang einnahm, waren wir schon ein wenig erstaunt, wie selten wir ihn zu Gehör bekamen. Im ganzen Spiel waren es vielleicht zwei bis drei Situationen, in denen wir den Gästeblock vernehmen konnten, während die heimische Fantribüne gerade in den ersten 30 Minuten mit einem furchtbar langweiligen Dauersingsang bestehend aus nur ein oder zwei Versen lautstark dominierte. Fans aus dem Gästeblock hatten eine komplett andere Wahrnehmung – sie sprachen von einer guten, weit überdurchschnittlichen Stimmung, die es während der 90 Minuten sehr schwer gemacht habe, sein eigenes Wort oder irgendwelche Stadiondurchsagen zu verstehen. Immer wieder spannend, was Architektur so möglich macht.

Aufgrund der hohen Preise leider ziemlich leer: Das Drachenstadion vor dem SpielRoman Weidenfeller, der sich einen bösen Infekt zugezogen hatte, musste in seinem Wettbewerb unfreiwillig auf der Bank Platz nehmen. Auch sonst hatte Thomas Tuchel kräftig rotiert: Lukasz Piszczek und Sokratis mussten verletzungsbedingt pausieren, Erik Durm, Moritz Leitner und Christian Pulisic fanden sich auf der Bank ein. Neu in die Startelf rückten dafür Marcel Schmelzer, Ilkay Güdnogan, Julian Weigl, Shinji Kagawa und Marco Reus, sodass (von den Namen her gesehen) wohl die beste verfügbare Mannschaft den Einzug ins Achtelfinale perfekt machen sollte. Während in der Hinrunde das Hauptaugenmerk auf der Bundesliga gelegen und der Europapokal Rotationsmöglichkeiten geboten hatte, scheint Tuchel in der Rückrunde eine umgekehrte Strategie zu fahren: Fernab von der Tabellenspitze und 15 Punkte vor dem Tabellendritten, sollten in der Liga Verschnaufpausen für die etablierten Spieler kein allzu großes Problem darstellen.

Doch trotz der großen Namen gab sich das Spiel selbst eher uninspiriert. Der FC Porto spielte seltsam ideenlos, beinahe schon gelangweilt seinen Stiefel herunter, während Borussia mit einem soliden 2:0 aus dem Hinspiel kaum mehr als nur das 0:0 verteidigen musste. Als in der 20. Minute ein Rückpass Portos über zehn Meter in der eigenen Hälfte ernsthaft mit Applaus bedacht wurde, durfte man sich schon fragen, ob man das gleiche Spiel zu sehen bekam. Angst und Respekt vor dem BVB waren zum Greifen nahe.

Der erste richtige Torschuss des BVB landete dann auch direkt im Tor: Gündogan und Henrikh Mkhitaryan hatten den Spielzug eröffnet, Reus Iker Casillas mit einem satten Schuss geprüft. Pierre-Emerick Aubameyangs Nachschuss sprang von der Latte an Casillas Knie und von dort hinter die Linie – ein klares Eigentor des Spaniers, der aber kaum etwas daran ändern konnte. Blöd gelaufen für die Portugiesen und nun die endgültige Gewissheit, dass in diesem Spiel nicht mehr viel passieren würde. Bis zur Halbzeit blieb es dann auch bei nur zwei weiteren Chancen, als Silvestre Varela den Ball am Tor vorbeilegten (40.) und Evandro Roman Bürki prüfte.

Zur Halbzeit blieben mit Mats Hummels und Gündogan gleich zwei weitere Stammkräfte draußen, Neven Subotic und Nur Sahin durften sich an ihrer Stelle Europapokalmeriten verdienen. Doch das Spiel plätscherte weiter nur so vor sich hin: Erst traf Vincent Aboubakar mit der Hacke nur Bürki (54.), dann verloren beide Mannschaften im Mittelfeld beinahe im Sekundentakt den Ball. Es war das letzte Aufbäumen der Portugiesen: Als Aubameyang und Mkhitaryan den Ball ins Tor bugsiert hatten und ihre Treffer nur aufgrund ihrer Abseitsstellungen nicht bekamen, verloren die Spieler des FC Porto endgültig ihre Hoffnung – selbst an einem wenig spektakulären Spiel waren die Borussen zu stark, als dass noch vier Tore hätten gelingen können. So boten erst die letzten Minuten zumindest wieder ein bisschen Spannung: Brahimi traf die Querlatte mit ordentlich Bums (86.), bevor es ihm Mkhitaryan mit einem Schuss an den rechten Innenpfosten gleich tat (91.).

Es blieb beim insgesamt verdienten Auswärtssieg des BVB: Zu keinem Zeitpunkt während der zweimal 90 Minuten hatte der FC Porto Gefahr für die Ziele Borussia Dortmunds andeuten können. Die Heimkurve bedachte die siegreichen Dortmunder mit Standing Ovations, auch an den Folgetagen gratulierten portugiesische Fans mitgereisten Borussen zum guten Spiel oder riefen ihnen lautstark „Borussia!“ entgegen. Es war der erste Sieg des BVB auf portugiesischem Boden, das Traumlos FC Porto hatte sich als eben solches erwiesen und die Auslosung am Freitagmittag mit den Tottenham Hotspurs gleich das nächste Traumlos bereitgehalten. Lasst uns den Pokal gewinnen und der Welt zeigen, dass nicht die Millionen der Champions League den wahren Fußball ausmachen, sondern die Leidenschaft, mit der Fans und Spieler den Wettbewerb annehmen!

Statistik

FC Porto: Casillas - Maxi Pereira, Layun, Marcano, José Angel - Ruben Neves, Danilo Pereira - Marega, Evandro, Varela – Aboubakar
Wechsel: Suk für Aboubakar (57.), Brahimi für Varela (65.), Herrera für Evandro (71.)

BVB: Bürki - Ginter, Bender, Hummels, Schmelzer - Gündogan, Weigl - Mkhitaryan, Kagawa, Reus - Aubameyang
Wechsel: Subotic für Hummels, Sahin für Gündogan (beide 46.), Ramos für Reus (70.)

Tor: Casillas (24., Eigentor)
Gelbe Karten: Evandro, Ruben Neves, Maxi Pereira, Bürki, Sahin

SSC, 28.02.2016

Unterstütze uns mit steady

Weitere Artikel