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...Hans-Joachim Watzke: "Der Weg zur Südtribüne war sicher schwerer als der in die Kabine"

06.05.2016, 18:07 Uhr von:  Nicolai Seb Steffi Clemens NeusserJens
...Hans-Joachim Watzke: "Der Weg zur Südtribüne war sicher schwerer als der in die Kabine"
Stand Rede und Antwort - Aki Watzke

Hummels, Götze, Dembele - China und Dubai - Ticketpreise und Montagsspiele: In einem Interview über (fast) 90 Minuten stellte sich Hans-Joachim Watzke unseren Fragen.

schwatzgelb.de: Fangen wir mit letztem Samstag an. Das Spiel, oder vielmehr seine Begleiterscheinungen haben recht hohe Wellen geschlagen. Über die Partie selbst wurde ja kaum noch berichtet…

Hans-Joachim Watzke: …leider.

schwatzgelb.de: Auch zu Ihren Aussagen gab es kritische Töne.

Watzke: Das war mir klar, das bin ich ja gewohnt. An welcher Aussage denn?

schwatzgelb.de: Sie sagten sinngemäß: Pfeifen kann man, aber wer Mats Hummels beleidigt, der gehört nicht mehr zur BVB-Familie.

Watzke: Ich habe nicht gesagt, dass man dann nicht mehr dazugehört, sondern dass man sich dann fragen muss, ob man noch dazu gehört. Der Meinung bin ich auch nach wie vor, weil Borussia Dortmund immer noch eine besondere Kultur hat, die in allen Bereichen auf Toleranz fußt. Das ist unsere politische Aussage, da sind wir auch sicherlich alle einer Meinung. Aber Toleranz bedeutet auch, dass man zur Not eine Entscheidung, die bei uns allen viel Enttäuschung verursacht hat, akzeptiert.

Ich sehe es so, dass Meinungsäußerung das Eine, aber plumpe und dumpfe Beleidigung einfach „too much“ ist. Insbesondere, wenn der betroffene Spieler eine lange, erfolgreiche BVB-Historie hat und er auch aktuell immer noch das BVB-Trikot trägt. Ich denke, dass Solidarität gerade im Ruhrgebiet nicht nur eine leere Worthülse sein sollte.

Es geht nicht darum, dass die Enttäuschung kanalisiert wird. Aber wenn ich dann im Fernsehen diese hasserfüllten Gesichter von dem Einen oder Anderen sehe, dem ich auch in den ganzen Jahren als Diskussionspartner in vielen, vielen Runden zur Verfügung gestanden habe, dann ist das für meinen Geschmack nicht in Ordnung. Vielleicht bin ich da auch „old fashioned“.

schwatzgelb.de: Aber ist es dann nicht auch vielleicht ein Teil von Borussia Dortmund, dass Emotionen sehr groß sind, gelebt werden und dann eben nicht immer nur positiv sind?

Watzke: Wenn ich einem aus der Emotion heraus mitten ins Gesicht haue, dann ist es auch in Ordnung? Dann sage ich „Ich habe Emotionen“? Ach…

schwatzgelb.de: Natürlich nicht! Es wurde ja auch niemandem ins Gesicht gehauen…

Watzke: Wenn ich jemanden als „Hurensohn“ bezeichne, dann ist das schon nicht mehr ganz weit davon entfernt, und dieser sichtbare Hass in den Gesichtern hat mich massiv gestört. Das ist nicht Borussia Dortmund, das kann nicht Borussia Dortmund sein.

schwatzgelb.de: Es gab durchaus auch schon von Spielern deutliche Worte in Richtung Fans, zum Beispiel nach besagtem Spiel. Würde Ihre Aussage dann auch für Spieler gelten?

Watzke: Wenn die sagen „Das sind alles Hurensöhne“, dann ja, klar.

schwatzgelb.de: Mats Hummels führte es Samstag auf „die üblichen 300“ zurück. Dabei waren Pfiffe eigentlich von überall zu hören…

Aki Watzke bei der Mitgliederversammlung

Watzke: Es ging nicht um das Pfeifen, sondern um die persönlichen Beleidigungen weit unterhalb der Gürtellinie nach dem Spiel. Ich habe das miterlebt, und das ist nicht auf der Nordtribüne passiert und auch nicht auf der West- oder Osttribüne.

Dass Mats die Aktion vielleicht ein bisschen kleiner geredet hat, könnte - wenn man mal wohlmeinend ist - ja auch davon zeugen, dass ihm das ganze Thema hier sehr wichtig ist. Und wenn Mats mit diesem Verein emotional schon fertig wäre, wäre er auch nicht zur Südtribüne gegangen. Davon bin ich überzeugt. Das fand ich stark von ihm, obwohl da auch schon einige wieder versuchen, ihm etwas zu unterstellen und in sein Grinsen etwas hineinzuinterpretieren. Ich kenne Mats sehr, sehr gut. Das war in diesem Moment eher ein Stückchen Unsicherheit als alles andere. Aber dass er sich gestellt hat, fand ich imponierend. Und ja, bis dahin war das auch eine Veranstaltung, mit der man leben kann.

Obwohl ich auch eine andere Meinung zu den Pfiffen habe. Da bin ich vielleicht zu puristisch. In den vielen Jahren bevor ich auf diese Seite gewechselt bin, in denen ich einfach nur Fan war, habe ich niemals einen Spieler im BVB Trikot ausgepfiffen. Das ist aber Geschmackssache und das ist meine persönliche Meinung. Wer das gemacht hat, den akzeptiere ich auch. Aber alles, was drüber hinaus geht, halt nicht mehr. Das ist auch einfach schade: Wir haben 77 Punkte, spielen großartigen Fußball und dann geht die Mannschaft nach dem Spiel vor die Tribüne und am Ende kommt dann sowas dabei raus. Für das Bild von Borussia Dortmund war es nicht wirklich gut.

Wir haben da, insbesondere was die Fanszene und die engere Fanszene angeht, auch einfach grundsätzlich einen Zielkonflikt. Ich habe den Eindruck, dass man auf der einen Seite gerne die Champions League gewinnen würde – aber mit den Mitteln des VfL Bochum. Das wird so nicht funktionieren. Wir sind, glaube ich, Siebter im UEFA-Ranking, und das geht leider Gottes nicht ohne Geld. Dieses Geld müssen wir aber erst einmal haben. In Deutschland ist nicht mehr so viel zusätzlich zu erwirtschaften, wir müssen es also auch woanders verdienen. Wir müssen irgendwann für uns definieren, ob wir – und ich muss das in letzter Konsequenz entscheiden – 20 Prozent „Kuscheligkeit“ – und ich sage das bewusst überspitzt – opfern, um bei den Großen mitspielen zu können. Das ist für uns ja jetzt schon sehr schwierig. Wenn ich aber sage, wir verzichten auf die China-Reise, auf die Internationalisierung und all das, dann kommen wir im besten Fall noch zum gegenwärtigen Status von Hamburg oder Stuttgart. Wobei wir ehrlicherweise sagen müssen, dass die Region hier finanziell weitaus weniger hergibt als Hamburg oder Stuttgart.

Das ist einfach der Zielkonflikt und ich habe vor jedem Respekt, der das anders sieht, vor jedem der sagt: „Wozu brauchen wir das alles, früher gegen Erkenschwick und Mülheim war es auch toll!“ Aber das ist nicht die Mehrheit. Und in mir, als derjenige, der Entscheidungen trifft, muss natürlich die Mehrheitsmeinung ihren Ausdruck finden. Vielleicht habt ihr eine andere Meinung, aber wir haben rund zehn Millionen Fans. Ich habe schon den Eindruck, dass die Mehrheit erfolgreich in Deutschland und in der Champions League spielen will.

Warum ich das sage: Wir müssen aus der Vergangenheit auch etwas lernen. Als Mario Götze uns 2013 seinen Wunsch mitteilte, wechseln zu wollen, hat mich das viel mehr getroffen als jetzt. Zumindest nach außen – innerlich hat‘s mich jetzt auch wieder erwischt, weil ich Mats persönlich einfach sehr mag. Es hat mich aber damals mehr getroffen und ich hab damals auch mehr gegen Bayern München geledert, als ich das heute mache. Weil ich auf Basis meiner nun größeren Erfahrung am Ende einfach sagen muss, dass das auch zu dem Geschäft gehört, dem wir alle angehören. Mal angenommen, Mats würde uns wirklich verlassen: Was würden wir denn machen, um einen Ersatzmann zu holen? Genau das Gleiche, was die Bayern jetzt auch mit uns machen. Wenn jetzt einer von einer anderen Mannschaft zu uns kommt, dann wird er gefeiert dafür, dass er genau das Gleiche macht, was der Mats jetzt vielleicht macht. Wenn es denn dazu kommt.

"Der Weg zur Südtribüne war sicher schwerer als der in die Kabine"

schwatzgelb.de: Nach dem sehr langen Schwenker, den wir jetzt gemacht haben, noch mal zurück auf die Ausgangsfrage: Inwiefern sind Leute, wenn sie Beleidigungen aussprechen, nicht mehr Teil von Borussia Dortmund und inwiefern gilt das auch für Spieler? Haben solche Sachen dann auch Konsequenzen?

Watzke: Jetzt muss man natürlich noch mal unterscheiden: Machst du das in einer direkten Reaktion? Ich sage mal so: Wenn mich jemand als „Hurensohn“ beschimpft und ich ihn anschließend beleidige, dann ist das von der Schwere der Tat nicht so, als wenn ich der Erste bin, der den Anderen beleidigt. Grundsätzlich ist aber auch das nicht akzeptabel.

Ich habe gesagt, dass sich derjenige, der persönlich beleidigt und sich an Schmähgesängen beteiligt, selbst fragen muss, ob er zur BVB-Familie gehören kann. Ich hätte auch akademisch wertvoller sagen können, dass man sich reflektieren muss. Ich habe einfach nur ausdrücken wollen, dass man sich mal hinterfragt, und ich hatte in den letzten Tagen schon den Eindruck, dass das auf allen Seiten passiert ist.

Mats Hummels vor der Süd

schwatzgelb.de: Das Thema weckt einfach eine gewisse Emotionalität, vielleicht hat in dem Moment auch das Verständnis gefehlt. Und vielleicht hätte auch Mats Hummels in dem Moment nicht zur Südtribüne kommen sollen.

Watzke: Die Sprüche und Kommentare dazu, dass er nicht vor die Süd gekommen wäre, hätte ich dann aber auch gerne gelesen!

schwatzgelb.de: Es erzeugt aber Emotionalität. Wir bewegen uns hier in Dortmund in einem sehr emotionalen Umfeld. Wir haben Whats-App-Nachrichten aus der Bayern-Fanszene bekommen, die sich gewundert haben, dass wir da Emotionen entwickeln. Die sind, was Spielerwechsel angeht, völlig abgestumpft.

Watzke: Nochmal: Ich habe von der Schwere der Tat gesprochen. Es ist völlig klar, dass derjenige, der mit der Provokation angefangen hat, in der Grundbewertung den etwas höheren Beitrag hat als der, der reagiert. Das sowas generell keine Art ist, da müssen wir nicht drüber reden. Das werde ich auch den Spielern so uneingeschränkt sagen.

Wenn Mats nicht zur Süd gekommen wäre, hätte es geheißen: „Der Kapitän geht nicht zu den Fans, der hat keine Eier“. Der Weg zur Südtribüne war sicher schwerer als der in die Kabine. Da geht doch mal bitte von aus.

schwatzgelb.de: Kann es sein, dass es zu diesen Reaktionen gekommen ist, weil der Kontakt zwischen Verein, Spielern und Fans nicht mehr so ist wie zwischen 2008 und 2010?

Watzke: Aber das ist doch eine nachvollziehbare Entwicklung

schwatzgelb.de: Aber wenn es so normal ist, muss man dann nicht damit rechnen, dass die bayerische Abgestumpftheit einkehrt? Das wollen wir ja nicht.

Watzke: Nein, das wollen wir nicht, aber alle Emotionalität sollte nicht dazu führen, dass man sich auf diesem Niveau beleidigt! Wir haben nicht mehr 2008, das ist einfach so. Damals hatten wir eine ganz andere Situation, weil wir viel weniger Intensität in der Arbeit hatten. Wir waren eine blutjunge Mannschaft, das waren alles junge Hüpfer, die alle nicht den Status hatten, den sie heute haben. Die Mannschaft hat sich verändert. Wir haben nicht mehr so viel Zeit, auch nicht für die Fans, das ist völlig klar. Wir haben damals nicht international gespielt. Es ist den Deutschen ja so ein Wesenszug: Die Sehnsucht nach dem, was wir gerade nicht haben. Da gab es die Sehnsucht nach dem Europapokal, und jeder, der mich angesprochen hat, fragte: „Wann spielen wir wieder Europapokal?“ Aber wenn du Europapokal spielst, dann dreht sich alles nur noch um andere Dinge. Dann fehlt natürlich die Zeit für die Fans, die Zeit, um in den Verein zu wirken, um Diskussionen zu führen und dann kommen noch andere Dinge dazu.

Das sind alles Erklärungen, dass sollen aber keine Entschuldigungen sein! Wir machen zum Beispiel auch deshalb weniger öffentliches Training, weil es nicht mehr geht. Weil heute alle ihre Handys und ihre Kameras mitlaufen haben. Und auf dem Fußballplatz geht’s auch mal ein bisschen derber zu. Wir können doch heute unter Zuschauerbeteiligung gar nicht mehr wirklich trainieren, das ist ja nur noch ein Showtraining. Jeder filmt heimlich, schneidet heimlich mit, dann hast du das ganze Theater auf Video, dann steht‘s auf Facebook. Der Eine hat den beleidigt, der Andere hat den beleidigt, dann beschimpft mal der Eine den Anderen, dann war‘s nicht politisch korrekt. Und gleich hast du einen riesigen Medienhype.

schwatzgelb.de: Da sind sie dann in Ordnung, die Emotionen?

Watzke: Auf‘m Platz ist es im Affekt ja schon was anderes und nach drei Minuten wieder vergessen, meinen Sie nicht? Schon mal Fußball gespielt?

schwatzgelb.de: Ja, auch andere Leistungssportarten.

Watzke: Fußball ist ein kämpferischer Sport, und das heißt auch, dass es zum Kampf kommt und dass es dann mal höher hergeht als zwischen Zuschauer und Spieler oder zwischen Spieler und Fan. Aber auf dem Platz, und das ist einfach so, kannst du ohne eine gewisse Aggressivität kein Spiel gewinnen – zwischen Fans und Mannschaft braucht es das nicht. Das Eine dient dem Zweck, das Andere überhaupt nicht. Wenn jemand eine andere Meinung hat, dann akzeptiere ich das oder nehme es hin. Aber im Verein sollte man Aggressionen tunlichst unterlassen.

schwatzgelb.de: Worauf wollen Sie hinaus?

Watzke: Es gibt im Training Situationen, in denen du nicht miteinander spielst, sondern gegeneinander. Es gibt eine Position acht oder neun oder was weiß ich, wo du eine Konkurrenzsituation hast. Wir sollten aber keine Konkurrenzsituation zwischen Mannschaft und Fans haben.

"Man hat da gemerkt, dass er innerhalb des FC Bayern offenbar eine umstrittene Personalie ist"

schwatzgelb.de: Der Wechsel von Mats Hummels, natürlich noch untermauert durch die Aussage von Uli Hoeneß, ist ja gefühlt schon eine Konkurrenzsituation…

Watzke: Aber Entschuldigung: Mit Uli Hoeneß als Kronzeuge der Dortmunder Fanszene sollte man auch vorsichtig sein, das wäre, glaube ich, ein denkbar schlechtes Bild. Ich weiß nicht, welche Motive er gehabt hat und glaube ganz ehrlich gesagt auch nicht, dass er das motivlos gemacht hat. Man hat da gemerkt, dass er innerhalb des FC Bayern offenbar eine umstrittene Personalie ist, denn die Reaktion von Karl-Heinz Rummenigge war schon krass und hat auch gezeigt, dass es ihm wichtig war, mal klarzustellen, wer der Chef ist. Das ist ja aber Gott sei Dank nicht unser Problem. Unser Problem ist nur, dass wir - bei allen unterschiedlichen Standpunkten und Meinungen - vernünftig miteinander umgehen sollten. Durchaus auch kritisch, aber nicht beleidigend. Denn das gefällt mir nicht.

Hummels gegen Götze

schwatzgelb.de: Sie hatten eben erwähnt, dass der Wechsel von Mats Hummels nicht ganz so ein emotionaler Schlag war, wie der Wechsel von Mario Götze.

Watzke: Auf Basis meiner nun größeren Erfahrung, ja. Bis jetzt haben wir aber übrigens noch keinen Wechsel.

schwatzgelb.de: Findet eine gewisse Rationalisierung im Verein statt oder eine „De-Emotionalisierung“?

Watzke: Nein, das widerspricht sich ja sogar ein bisschen. Ich habe jetzt nur für mich gesprochen. Der Wechsel vom Fan zum Vorsitzenden der Geschäftsführung ist ja schon ein bisschen länger her. Und je länger ich den hinter mir habe, desto mehr werde ich auch vernünftiger, ruhiger. Das ist wahrscheinlich auch richtig so. Vor Jahren war ich auch empört über die Art und Weise der Bayern.

Aber in diesem Fall ist ja bislang auch alles sehr sauber gelaufen. Mats war von der ersten Minute an ehrlich, Mats hat wochenlang mit sich gerungen, ich wusste immer Bescheid. Wir haben sehr häufig gesprochen und ich weiß ganz genau, dass sein absolut vorherrschendes Motiv - ob ihr es glaubt oder nicht - die Rückkehr in seine Heimatstadt wäre. Die Entscheidung hatte nichts mit wirtschaftlichen Gründen zu tun, der FC Bayern bietet ihm da nichts, was wir ihm nicht auch bieten könnten. Das hört sich kitschig an, es ist aber leider Gottes so. Und am Ende kann man Heimat auch nicht wegdiskutieren. Er hat sich das sehr, sehr schwer gemacht.

Er war immer ehrlich und im Gegensatz zu früheren Zeiten, wo die Bayern sich ja gar nicht gemeldet haben, haben sie sich diesmal auch gemeldet. Das war auch das Problem dieser unsäglichen Ad Hoc-Meldung: Zusammen mit dem Wunsch von Mats, der dann mal deutlicher, mal weniger deutlich artikuliert wurde, und dann mit der Anfrage der Bayern, waren wir in der Pflicht. Wenn eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit für einen solchen Transfer besteht, dann kann die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Anm. d. Redaktion) anschließend prüfen, ob wir dagegen verstoßen haben. Wir haben das intensiv mit unseren Juristen diskutiert und alle haben mir gesagt, dass wir melden müssen.

Transferverhandlungen dieser Qualität werden also durch unsere Börsennotation nochmal zusätzlich erschwert. Ich hab den Verein nicht an die Börse gebracht und wir alle, die Fans, haben es damals nicht verhindert.

Mats hat sich korrekt verhalten. Mario hat damals zwar suggeriert, dass er sich eine längere Karriere beim BVB vorstellen kann, und vielleicht hat er das damals auch genauso gedacht, denn die Zeitschiene einer Äußerung wird ja häufig außer Acht gelassen, wenn geschimpft wird. Heute weiß er sicherlich auch, dass dieser Fall nicht glücklich gelaufen ist. Aber wir alle miteinander müssen aufpassen. Robert Lewandowski zum Beispiel: Der gilt hier als Held – und die anderen beiden gelten als große Verräter. Diese Ungleichbehandlung ist unfair, ich kann das ja nun am besten beurteilen, weil ich die Hintergründe kenne. Ich will keine alte Wäsche mehr waschen, aber die Gesamtbewertung stimmt einfach nicht. Sie wird den Menschen nicht gerecht.

schwatzgelb.de: Sie sagten gerade, Mats Hummels sei Ihrer persönlichen Meinung nach noch nicht fertig, und im Rahmen dieser Ad hoc-Meldung hatten sie Prozentzahlen genannt. Wie groß ist denn die Chance, dass Mats nächstes Jahr noch hier spielt – oder sogar darüber hinaus?

Watzke: Ich weiß es nicht. Mats war von Anfang an immer offen – und ich war offen zu ihm. Mats kennt genau die Forderungen, die wir an Bayern München gestellt haben, das war auch ganz klar mit ihm kommuniziert. Momentan ist der Transfer nicht vollzogen.

Ich hatte übrigens bei Mats nie das Gefühl, dass er den Eindruck hat, wir säßen in unterschiedlichen Booten. Nie. Deshalb hab ich die Reaktionen beim Wolfsburg-Spiel vielleicht ein bisschen ungerechter empfunden, als ich es sonst getan hätte. Die Art und Weise, wie er beispielsweise Uli Hoeneß und dessen Aussagen nach dem Spiel in den Senkel gestellt hat, das haben sich auch noch nicht viele im deutschen Fußball getraut und daran merke ich, dass es immer noch in ihm gärt. Es war ja nicht sein Wunsch, das jetzt öffentlich zu machen. Aber wir haben nun mal diese juristischen Restriktionen, das darf man nicht unterschätzen. Wenn wir die nicht beachten und es dadurch einen Kurssturz oder was weiß ich was gibt, dann musst du mit Klagen von institutionellen Anlegern rechnen. Das brauchen wir alles nicht. Das war für uns jetzt der Punkt, an dem wir es öffentlich machen mussten.

schwatzgelb.de:  Es kam dann ja noch das Gerücht auf, dass man Sebastian Rode in Zahlung geben möchte oder Mats Hummels mit Mario Götze verrechnen würde. 

Watzke: Wenn ein Transfer von Mats Hummels stattfinden sollte, dann wäre eine Verrechnung ausgeschlossen, und die Bayern glauben mir das auch - spätestens seit Lewandowski. Das gilt für jeden Bayern-Spieler.

"Klar, jetzt kann man natürlich sagen, das ist eine Diktatur. Aber da ist ja auch immer noch eine Bevölkerung, das sind Menschen. "

schwatzgelb.de: Sie sprachen eben an: Wir wollen alle Europapokal bzw. Champions League spielen. Dazu müsse man sich ein bisschen mit dem Mainstream bewegen und auch ein bisschen internationaler aufgestellt sein. Geht das auf Kosten des Alleinstellungsmerkmals bei Borussia Dortmund und auf Kosten der bislang bekannten Vereinswerte?

Watzke: Das ist die Frage. Mit seinem vermeintlichen Alleinstellungsmerkmal muss man vorsichtig umgehen. Aber was eure Anliegen betrifft, die ja auch sehr häufig - ob ihr das glaubt oder nicht – meine sind, muss ich es eben abgestufter sehen. Diese reine Lehre geht eben nicht in dieser Position. Wenn ich uns beispielsweise mit dem FC Liverpool vergleiche, die uns ja doch sehr ähnlich sind, dann sind wir da immer noch sehr viel puristischer aufgestellt. Wir müssen einfach auch mal zur Kenntnis nehmen, dass am Ende Vieles ein Problem der Wettbewerbsfähigkeit ist.

Die Bundesliga bekommt momentan 700 Millionen Euro aus TV-Geldern, die Engländer bekommen 3,3 Milliarden. Das ist krass. Das werden wir auch nicht lösen können. Aber wir nähern uns ein bisschen an. Sky hat inzwischen 4,6 Millionen Abonnenten, vor drei Jahre waren es noch drei Millionen. Aber in England sind es eben über zwölf Millionen. Da verschenkt ja keiner Geld. BSkyB (PayTV-Sender in England, Anm. d. Redaktion) nimmt es ein und gibt es weiter. Und die Vereine geben es auch weiter, nicht nur an die Spieler. Was ich damit sagen will: Wenn du mit den Engländern mithalten willst, musst du Geld verdienen. Dann musst du das machen, was die Engländer schon seit 50 Jahren machen: Du musst auch in die internationalen Märkte.

schwatzgelb.de: An dieser internationalen Ausrichtung gab ja durchaus Kritik, nicht nur aus der aktiven Fanszene.

Watzke: Die nehme ich auch ernst.

schwatzgelb.de: Trotzdem fährt der BVB jetzt nach China, die Jugend fährt wieder nach Dubai. Da stellt sich dann schon die Frage: Wo sind die Grenzen?

Watzke: Die Frage stellt sich natürlich. Nur: Der chinesische Markt ist der größte, daher auch der interessanteste. Klar, jetzt kann man natürlich sagen, das ist eine Diktatur. Aber da ist ja auch immer noch eine Bevölkerung, das sind Menschen. Sport ist ja etwas, was Menschen verbinden soll. Es gibt 1,2 Milliarden Chinesen, die sich immer mehr mit Fußball beschäftigen. Soll man da sagen: "Ne, zu euch gehen wir nicht, ihr seid Menschen zweiter Klasse, weil ihr in einer Diktatur lebt".

Es geht ja nicht um chinesische Sponsoren. Wir haben Evonik, Signal Iduna, dann haben wir Puma als Ausrüster. Es geht um die Masse, die Masse der chinesischen Fußballfans. Und da ist ein Spiel gegen Manchester United natürlich eine super Botschaft. Wir diskutieren das sehr ernsthaft. Aber die Bundeskanzlerin macht wieder eine Chinareise mit allen Wirtschaftsführern Deutschlands, Wirtschaftsminister Gabriel war gerade erst wieder da. Nur wir als Borussia Dortmund, die wir uns als in der Mitte der Gesellschaft sehen, sagen: "Ne, wir ächten dieses Land mit seinen 1,2 Milliarden Menschen"?

In den Emiraten haben wir gar nichts gemacht. Wir haben ein Trainingslager absolviert, weil es von den klimatischen Bedingungen, von den Rasenmöglichkeiten her optimal war. Wir haben bezahlt, nichts umsonst bekommen. Wir haben keinen Sponsor mitgenommen. Wir haben keine Begegnungen mit irgendwelchen mächtigen Menschen gehabt. Wir haben nur ein puristisches Trainingslager gemacht, das nochmal deutlich teurer war als in Südspanien. Zuerst waren wir in der Türkei, als wir uns ein bisschen mehr leisten konnten, sind wir da wieder weg, weil es vier Tage geregnet hat. Dann hast du nur Stress in der Mannschaft. In Südspanien gab es nun andere Probleme. Durch die Rezession und die Finanzkrise ist der Süden von Spanien heftig getroffen. Die Plätze sind mies, die Hotels sind nicht mehr so gut, gerade in der Zeit, in der wir dort sein können, werden sie gerade renoviert oder sind ganz geschlossen. Die Qualität hat einfach nachgelassen, die Krankenhäuser sind ein Desaster. In Dubai war alles da, wir konnten sehr konzentriert arbeiten. Und das Resultat: Wir haben mehr Punkte geholt als in der Hinrunde.

Aki Watzke

schwatzgelb.de: In Dubai kann man sich aber mal klar positionieren. Und es kann doch auch nicht sein, dass ein Mkhitaryan nicht mit nach Aserbaidschan fliegen darf.

Watzke: Er hätte ja mitfliegen können, aber seine Familie hatte vielleicht auch ein wenig Angst, und das muss man respektieren.

schwatzgelb.de: Dann muss aber doch Borussia deutlicher sagen, dass es so nicht sein kann.

Watzke: Das haben wir getan, aber wir müssen aber auch aufpassen. Wir gelten momentan im Ausland als die totalen Besserwisser, das ist auch eine gehörige Mitschuld unserer Kanzlerin. Wir sind im Ausland überall extrem schlecht angesehen, weil wir immer den Zeigefinger heben, außer es ist für unsere Interessen gut. Wir können aber nicht die Hälfte der Menschheit - und wahrscheinlich sind es noch mehr - ausgrenzen, weil sie in Diktaturen oder Halbdiktaturen leben müssen. Wenn man da hinreist, dann muss man das ansprechen, aber man muss auch den Respekt vor den Menschen haben. Man kann da nicht sofort eine Demonstration draus machen und sagen: "Ihr hier seid alles Diktatoren oder Menschen zweiter Klasse, eigentlich dürften wir gar nicht zu euch." Das ist schon ganz gefährlich, aber ich sehe die Problematik. Wir haben überall fragwürdige Situationen, wir haben Russland, wir haben die Türkei, wir haben die Emirate, den gesamten asiatischen Raum. Wenn wir da überall nicht mehr hinreisen dürfen, dann müssen wir den Radius ganz eng ziehen.

schwatzgelb.de: Was sagen Sie denn einem homosexuellen oder jüdischen BVB-Fan, der ins Wintertrainingslager mitfahren möchte. Der ja dann ausgeschlossen ist.

Watzke: Das glaube ich ehrlich gesagt nicht.

schwatzgelb.de: Er darf seine Sexualität nicht ausleben. Und er darf als Jude nicht einreisen.

Watzke: Es ist keiner in unserer Reisegruppe nach seinem Geschlecht gefragt worden oder nach sonst irgendwas. Aber jeder, der Borussia Dortmund kennt weiß, dass wir für die Rechte des Grundgesetzes stehen und für den Kampf gegen Rechts. Wir müssen uns doch nun wirklich nicht verstecken, wenn es um unser soziales Engagement geht. Und wenn wir eingeladen werden, dann wissen auch die Leute in China und auch in Dubai, dann weiß jeder, wie Borussia Dortmund positioniert ist. Ich glaube, dass daran auch keine Zweifel bestehen.

Wenn ich mich jetzt mal als Repräsentant des Ganzen sehe, glaube ich nicht, dass es mir schon mal vorgeworfen worden ist, liebesdienerisch oder angepasst zu sein oder mit Schmuddel-Regimen in besonderes engem Kontakt zu stehen. Ich habe in Dubai keine Geschenke bekommen und ich hätte auch nichts angenommen. Weil wir uns im Vorfeld klar positioniert haben, kam gar nicht erst der Wunsch, uns kennenzulernen. In China wird es sicherlich etwas anders sein.

Ich glaube übrigens auch nicht, dass Isolation den deutschen Bürgern gut getan hätte, in den Jahren, in denen in unserem Land eine Diktatur herrschte.

Nochmal: Keine Gespräche mit Diktatoren kann sich die Politik nicht leisten, kann sich die Wirtschaft nicht leisten. Aber beim Fußball wird da eine Riesenwelle draus gemacht, auf der anderen Seite ist es völlig normal, dass die Emirate bei Daimler-Benz ein großes Aktienpaket haben oder auch bei VW - und wir dürfen nicht nach China? Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht total isolieren.

schwatzgelb.de: Ja, aber wir sollten besser nicht darüber diskutieren, inwiefern der Sport Diktaturen stützen kann.

Watzke: Doch, ihr habt damit angefangen. Er kann stützen und er kann stürzen.

Einwurf von Sascha Fligge: Das gleiche Thema haben wir ja unter anderem auch in Russland, wo wir in den letzten Jahr in St. Petersburg und Krasnodar waren; zum Beispiel Stichwort Homosexualität, Stichwort Pressefreiheit.

schwatzgelb.de: Absolut, da hatten wir aber eine Verpflichtung hinzufahren. Das Trainingslager in China...

Watzke: Es ist ja kein Trainingslager, es sind zwei Spiele, die für uns eine Plattform bieten. Diese Reise ist auch eine Marketingmaßnahme.

schwatzgelb.de: Das ist schon ein Unterschied.

Watzke: China ist keine Pflichtveranstaltung. Es geht dabei langfristig um Aufmerksamkeit in China. Wenn Sie es wohlwollend betrachten wollen, geben wir den chinesischen Fußballfans etwas. Die Regierung hat nichts davon, die werden nicht mehr Zustimmung bekommen, wir werden auch die Fans in dieser Hinsicht nicht positiv oder negativ verändern. Fakt ist jedenfalls, dass wir den chinesischen Fußballfans die Chance geben, auch mal einen deutschen Klub zu sehen, nicht immer nur englische Vereine. Das steht am Ende des Tages abseits aller ideologischen Dinge. Dazu kann man auch eine andere Meinung haben und darüber muss man diskutieren können, da habe ich absolutes Verständnis für.

"Ich empfinde diese „Echte Liebe“."

schwatzgelb.de: Themenwechsel: In der Fanszene macht sich ein bisschen der Gedanke breit, dass der Markenclaim „Echte Liebe“ nur noch eine sehr einseitige Veranstaltung ist. Inwiefern möchte man das „Echte Liebe“ auch von Vereinsseite wieder mit Leben füllen?

Watzke: Ich nehme für mich in Anspruch, dieses Markenversprechen immer mit Leben gefüllt zu haben! Wobei wir definieren müssen: Ich habe echte Liebe nie so verstanden, dass es da um das Gefühl eines Spielers zu seinem Verein geht, weil die allermeisten Spieler zwar Angestellte des Vereins sind und ihn sympathisch finden, sonst würden sie ja hier nicht spielen. Manche finden ihn auch gerade gut für sich selbst. Aber von jedem Spieler jetzt ein echtes Liebesbekenntnis zu erwarten, das wäre illusorisch. Echte Liebe sollte eigentlich das symbolisieren, was der Fan von Borussia Dortmund für seinen Verein empfindet – und umgekehrt. Das ist in vielen Fällen schon ein Unterschied zu einem Spieler.

Ich habe mal über mich gelesen, wenn das Angebot hoch genug wäre, dann würde ich auch zu den Bayern gehen. Ich würde aber niemals zu einem anderen Verein gehen! Nicht für das Zehnfache. Ich würde nie zu einem anderen Verein gehen. Ich muss aber akzeptieren, dass Spieler dies anders sehen.

Michael Zorc und Aki Watzke

Es gibt auch in der Ultra-Szene oft das Gefühl, dass sie eigentlich die besseren Fans sind. Sie sind sicherlich die engagiertesten, aber ob man daraus gleich ableiten kann, dass die Anderen schlechter sind? Es gibt Fans, die erfreuen sich am Spiel von Borussia Dortmund und andere, die leben den Verein. Das ist sicherlich in der Ultra-Szene sehr ausgeprägt und das ist ja auch in vielen Fällen sehr, sehr gut und sogar gewünscht, wenn es nicht zu Exzessen kommt.

Ich empfinde diese „Echte Liebe“. Viele, die hier arbeiten, empfinden sie auch. Wer hat schon das große Glück, dass er gleichzeitig Fan seines Arbeitgebers ist? Das ist bei den 150 Kernangestellten, die früher Existenzängste hatten, die ihr Geld nicht pünktlich bekommen haben, die nicht wussten, ob sie am nächsten Morgen noch einen Job haben, natürlich ausgeprägter als bei den 700, die in den letzten zehn Jahren dazugekommen sind. Auch das ist völlig normal. Aber das von einem Spieler zu verlangen...

Umgekehrt ist es doch auch so: Wenn du nach zwei Jahren siehst, der Spieler erfüllt die Anforderungen nicht mehr - selbst wenn der Spieler dann sagt „Ich empfinde aber echte Liebe für diesen Verein“ - dann müssen wir uns trotzdem von ihm trennen. Ich hab ja auch von ihnen gelesen, egal ob die Personalie Kevin Großkreutz oder Neven Subotic kritisiert wird... Aber das Leistungsprinzip steht doch über dem Sympathieprinzip. Idealerweise ist natürlich, wenn die besten Spieler gleichzeitig die höchsten Beliebtheitswerte haben, aber da kommen wir wieder an die Grenzen. Wir können uns einfach nicht nach Beliebtheitswerten aufstellen.

schwatzgelb.de: Die Frage und die darin formulierte Kritik zielten aber auch gar nicht in Richtung Spieler. Es zielt viel mehr in die Richtung, dass man alles schwarzgelb anmalt, „Echte Liebe und Echter Zucker“ draufschreibt (Im Besprechungsraum lagen zum Kaffee Zuckertütchen aus, auf denen „Echte Liebe – Echter Zucker“ aufgedruckt ist) und es dann verkauft. Da stellt sich dann die Frage: Ist das noch echte Liebe? Und wo sind die Grenzen? Wo müsste man auch mal einen Schritt zurücktreten und dieses „Echte Liebe“ von den Fans füllen lassen und nicht von der Marketingabteilung?

Watzke: Aber das würde wieder bedeuten, dass unsere Wettbewerbsfähigkeit abnimmt. Wir müssen einfach Vieles unter dem Primat der Wettbewerbsfähigkeit sehen. Es kommt bald sicher wieder ein Verein dazu, den viele nicht wollen, der aber da ist. Und da können wir reden wie wir wollen, aber die benötigen eine Menge nicht, weil sie das Geld eben haben. Wir müssen das alles aber erst erarbeiten. Ihr wollt keinen Scheich, ich will keinen Scheich, aber das Geld brauchen wir trotzdem, sonst können wir nicht mehr erfolgreich Fußball spielen. Ihr wollt gewinnen und ich will gewinnen, und da müssen wir eben auch notfalls Zucker bedrucken – wobei, den verkaufen wir nicht, den reichen wir nur.

Warum sind wir mit unseren Möglichkeiten auf einmal so ein großer Klub geworden? Auch, weil wir ein gutes Marketing gemacht haben. Dass es immer Grenzen gibt, auch zum Kitsch, der mich teilweise auch total nervt, verstehe ich. Ich bin aber auch derjenige, der dann wieder Druck macht und sagt: „Wie sieht‘s aus, wir wollen 350 Millionen Euro Umsatz machen!?“ Weil ich weiß, dass am Ende des Tages der Umsatz dafür entscheidend ist, was wir erreichen können. Wir machen es im Sport schon sehr gut, ohne uns jetzt übermäßig loben zu wollen, sonst würden wir nicht bei den Finanzen auf Rang 20 und sportlich auf Platz 7 stehen. Das heißt, wir sind sehr kreativ, wir machen viele gute Sachen. Manches geht auch mal schief, wie bei Immobile, meistens geht’s gut, wie man jetzt auch bei Weigl und anderen wieder sieht. Aber ich weiß trotzdem: Es gibt eine Korrelation zwischen wirtschaftlichem Einsatz und sportlichem Erfolg. Wir wollen wir selbst sein, selbst bestimmen, keinen Geldgeber von außen haben, der beherrschenden Einfluss hat. Deshalb müssen wir so viel Geld wie möglich ranschaffen. Das ist nicht sexy, aber das ist so.

"Echte Liebe" in Bad Ragaz

schwatzgelb.de: Also ist der Claim „Echte Liebe“ von Vereinsseite eher ein Vehikel, die Fans zum Geld ausgeben zu bewegen?

Watzke: Ne, das ist völlig falsch interpretiert. Es ist doch so: mein Gefühl gegenüber dem Verein ist echt. Wenn das so ist, warum sollen wir das nicht sagen, warum sollen wir davon nicht auch profitieren? Es ist ja keine Behauptung, hinter der nichts steht und die wir nur nutzen, um Geld zu verdienen. Bei meinen engsten Mitarbeitern habe ich schon das Gefühl, dass es eine sehr große Verbundenheit gibt. Denn wenn das nicht so nicht wäre, dann könntest du eben Bayern-Fan werden – da könntest du dich über mehr Erfolge freuen. Aber dass man das nutzt, deine Historie, deine politische Grundeinstellung, das macht doch beispielsweise der FC Liverpool genauso.

Einer der größten Pluspunkte von Borussia Dortmund ist nun mal diese enge Verbindung zwischen dem Verein und seinen Fans. Und solange wir den Leuten keine Mogelpackung liefern, ist es für mich in Ordnung, damit auch Geld zu verdienen. Wenn wir „Echte Liebe“ unter einen Werksklub oder einen von einem Mäzen gesteuerten Verein setzen würden, dann würde es nicht funktionieren, weil die Leute spürten, dass das gar nicht stimmen kann. „Ist doch Scheiße, was die da erzählen!“, würde es da heißen. Aber hier spüren die Leute, die es angeht, dass es stimmt.

Wir haben dieses Image und können damit auch was erreichen: Wir können Opel mit unserem Image helfen und wir helfen Evonik, dem größten Arbeitgeber hier im Ruhrgebiet, mit unserem Image und unserer Bekanntheit – das ist ja nicht per se irgendwas Schlechtes. Dass wir vielleicht manchmal an unsere Grenzen stoßen, da bin ich bei euch. Aber jeder, der viel macht, macht auch den einen oder anderen Blödsinn, das geht euch wahrscheinlich genauso.

schwatzgelb.de: Dieser Slogan drückt ja letztendlich aus, dass es um mehr geht als sportlichen Erfolg. Zum Beispiel um die Beziehung zueinander, wie man es ja auch 2005 gesehen hat. Jetzt zwingt uns der sportliche Erfolg möglicherweise eine Entfremdung auf. Abschottung im Trainingslager, wenige öffentliche Trainingseinheiten und anderes. Wie sieht denn die Strategie aus, dies zu verhindern, diese einmalige Verbindung aufrecht zu erhalten?

Watzke: Lassen Sie uns doch erstmal darüber diskutieren, wie die Wertigkeiten verteilt sind. Zu wieviel Prozent ist der sportliche Erfolg die allergrößte Kategorie für den BVB-Fan? Ich bin ziemlich sicher, dass der Erfolg die dominierende Funktion hat. Man muss aus meiner Sicht die Voraussetzungen für den sportlichen Erfolg schaffen, ohne auf diesem Weg seine Identität zu verlieren – man muss aber wissen, dass man auf diesem Weg auch Kompromisse machen muss.

Ich habe das selber erlebt. Ich habe mich vor 26 Jahren selbstständig gemacht mit fünf Leuten und 18 Näherinnen, kannte jeden persönlich. Das war klasse, ein einziger Traum, aber der Laden ist immer größer geworden. Und am Ende war es gut, denn du hast dann ein paar hundert Leuten einen guten Arbeitsplatz geboten – aber die persönliche Schiene kriegst du von 22 auf 200 nicht mehr gleichermaßen hin. So war es hier auch: Ich kannte früher jeden persönlich, heute wird es schwierig. Wenn ich aber jetzt die ganze Woche durch den Laden laufe und versuche, alle 850 Angestellten und die 200 Praktikanten und Aushilfen persönlich mit einem Gespräch zu beglücken, dann habe ich für den Rest der Arbeit keine Zeit mehr! Es ist definitiv so: Mit zunehmendem Wachstum gibt es eine gewisse Anonymisierung. Du musst aber trotzdem - und das ist der Spagat - gucken, dass das so wenig wie nur irgend möglich passiert.

Nehmen wir zum Beispiel die Entscheidung, alle Mannschaften des BVB auf einem Trainingsgelände unterzubringen. Räumlich war das die völlig falsche Entscheidung. Aber das ist ein Beispiel für eine Entscheidung, die einzig unter dem Primat „Echte Liebe“ zustande gekommen ist. Das macht ja sonst niemand. Wir haben dadurch Staus, unsere U9, unsere U10, die müssen teilweise auswärts spielen, weil wir es kabinentechnisch nicht mehr geregelt bekommen. Wir sind jetzt auch räumlich an die Grenzen gestoßen. Aber wir sind an einem Punkt, an dem wir sagen: Das muss so sein. Außengastronomie am Trainingsgelände war für uns kein Thema, ein Fanstore am Trainingsgelände, nein, wollten wir nicht. Das alles wäre unheimlich lukrativ gewesen. Aber nein, es gibt auch Grenzen.

Die größte Grenze setzen wir uns übrigens an diesem Punkt: Es wird immer 28.000 Stehplätze geben, wenn uns der Gesetzgeber keinen Riegel vorschiebt – wobei wir da auch aktiv gegen kämpfen! Es gibt natürlich auch da ein paar Verwerfungen, aber wenn du so wächst wie Borussia Dortmund – von 75 Millionen Euro Umsatz vor zehn Jahren auf vielleicht über 300 – das kriegst du nicht hin ohne Bremsspuren.

"Deutschland muss Vorreiter bei den Ticketpreisen bleiben."

Diese Preise werden bestreikt - Die Ticketpreise in Hamburg

schwatzgelb.de: Wenn es diese Diskussionen oder Überprüfungen gibt, können Sie sagen, wie es bei den Ticketpreisdiskussionen läuft?

Watzke: Kann ich ganz klar sagen: Ich bin ein großer Anhänger davon, dass wir jedes Jahr um die Inflationsrate erhöhen. Dieses Jahr wird es nicht passieren, auch um ein Zeichen zu setzen. Als kleines Dankeschön an die Fans, die uns durch die Europa League gezogen haben. Das war für uns nicht einfach mit einer Gehaltsstruktur auf Champions-League-Niveau, finanziell war das keine Erfolgsstory. Aber trotzdem haben die Fans das mitgemacht, und wir hatten großartige Erlebnisse mit Wolfsberg oder Odds vor 60.000 Zuschauern, das war geil! Der Trikotpreis wird übrigens auch nicht erhöht!

Beim Ticketpreis gibt es eine ganz klare Nullrunde, was für uns aber am Ende jede Menge Millionen über Jahre bedeutet, auf die wir verzichten - nur damit ihr das einschätzen könnt. Denn die Basis für die nächste Inflationsanpassung ist natürlich niedriger und die ist dann jedes Jahr kleiner. Du hast auf zehn bis zwölf Jahre eine Riesensumme. Das gab auch bei uns komplettes und blankes Entsetzen. Aber ich habe gesagt: das müssen wir jetzt einmal machen!

Wir haben extrem schwierige Zeiten hinter uns. Damit meine ich nicht diese Zeit von vor zehn Jahren. Wenn davon geredet wird, ist das ja mittlerweile so, als wenn Oppa dir vom Krieg erzählt. Dafür musst du dich ja schon entschuldigen. Aber letztes Jahr war ein dramatisch schlechtes, ein sehr schwieriges Jahr. Zum einen sportlich, und dann auch noch die Trennung von Klopp, die sowohl aus seiner als auch aus unserer Sicht nach einem so langen, so erfolgreichen Zeitraum absolut notwendig war – das hätte auch anders laufen können.

Jetzt sind wir wieder da und jetzt müssen wir, auch wenn uns das fünf, sechs Millionen auf zehn Jahre kostet, mal ein Zeichen setzen. Das ist nichts, um heute hier im Interview zu punkten, wir haben das vor fünf bis sechs Wochen beschlossen, aber bisher nicht verkündet.

schwatzgelb.de: Das heißt aber auch, dass diese Nullrunde einmalig bleiben wird?

Watzke: Ja, aber wir werden immer nur um ein bis zwei Prozent erhöhen. Alles andere würde bedeuten, dass wir billiger werden. Das können wir nicht. Es wird aber auch keine größeren Erhöhungen mehr geben. Aber auch das, um das Preisniveau aufrecht zu erhalten. Wir reden immer über prozentuale Erhöhungen. Das ist allerdings aus meiner Sicht gar nicht der Punkt. Der entscheidende Punkt, warum die Preispolitik von Borussia Dortmund mit Abstand die sozialste in Deutschland ist, sind die 28.000 Stehplätze. Andere hätten ja auch auf die Idee mit einer solchen Tribüne kommen können, als sie ihre Stadien neu gebaut oder umgebaut haben. Aber die wissen alle, warum sie es nicht machen: Weil es richtig Geld kostet. Diese 28.000 haben Bestandsschutz, das habe ich aber auch schon 50 Mal gesagt - und ich sage es auch gern zum 51. Mal.

Jetzt kommen wir wieder zu dem Thema China. Wenn wir davon ausgehen, dass wir als Deutsche in Europa und als Borussia Dortmund sogar doppelt, bei den Ticketpreisen weiter eine Vorreiterrolle inne haben werden, dann müssen wir die Kohle irgendwo hernehmen. Das ist so. Dann aber zu sagen: „Wir machen keine Auslandsvermarktung und frieren die Preise ein“ – dann kassieren die Engländer alles. Dann wirst du demnächst im Freundschaftsspiel von Mannschaften der zweiten englischen Liga geschlagen. Momentan ist ja Leicester City die größte Sensation aller Zeiten, und das ist natürlich auch eine schöne Geschichte. Aber in den letzten 15 Monaten sind dort zwei erhebliche Dinge passiert: Die haben einen neuen Besitzer, den Namen kann ich aber nicht aussprechen, weil da 17 Konsonanten aneinander gereiht sind. Und das Zweite ist das Fernsehgeld. Das Geld wird zwar erst jetzt im Sommer ausgezahlt, aber das kannst du dir natürlich auch mit einem festen Vertrag schon vorher holen. Sonst wäre das Ganze nie so passiert. Ein Leicester City oder ein Stoke City, die lachen darüber, was die Spieler bei uns verdienen! Wir haben momentan als Borussia Dortmund den Luxus, dass unsere Spieler da nicht hingehen, weil der sportliche Anspruch zu klein ist. Aber wenn wir mal wieder auf dem Niveau eines Mittelklasse-Klubs in der Bundesliga sind, dann holen die jeden Spieler. Deshalb müssen wir, ob wir wollen oder nicht, wachsen.

Da gibt es nur zwei Möglichkeiten: Wir reihen uns in der Bundesliga ein – dann werden wir aber keinen Europapokal mehr spielen. Denn der VfL Wolfsburg wird wiederkommen, das ist für mich nur eine Frage der Zeit. Dazu kommt Leipzig, auch Leverkusen ist immer sehr konstant, weil Bayer die nicht abstürzen lässt. Dann hast du Bayern München, schon sieht es eng aus. Wir müssen uns also die ganzen Jahre da behaupten.

Die Alternative ist, du trittst ins Glied zurück, dann wirst du Werder Bremen, denn das ist ungefähr vergleichbar. Borussia Dortmund und Werder Bremen haben von der Region her ungefähr die gleichen Voraussetzungen. Wir haben vielleicht ein paar Fans mehr, vor zehn Jahren war das aber noch anders. Da hatte Bremen 2004 richtig Rückenwind.

schwatzgelb.de: Die Frage ist doch: Wie viele Fans hat Bremen, wenn es ihnen nicht gut geht, und wie viele hat Borussia Dortmund dann? Da glaube ich schon, dass der BVB deutlich mehr hat.

Aki Watzke beim Interview

Watzke: Das ist richtig. Am Ende wissen wir ja, dass für den sportlichen Erfolg nicht die Fans das Entscheidende sind, sondern auch die Wirtschaftskraft und ähnliche Dinge. Und die sind nun mal in Dortmund und Umgebung nicht exorbitant, wenn ich das mit Hamburg oder Stuttgart vergleiche. Aber jedes Beispiel hinkt. Bremen ist auch ein Verein, der für gewisse Werte steht, das meine ich damit im Prinzip. Wir hatten in der Krise noch 2,8 Millionen Fans, was immer noch viel ist, da brauchen wir nicht drüber reden! Heute reißt das auch keinen mehr vom Hocker.

Schön ist, dass wir mittlerweile diese Mitgliederbewegung haben. Ich weiß gar nicht, wie das mal werden soll, wenn wir 200.000 Mitglieder haben und dann eine Krisensituation herrscht und 40.000 bei einer Mitgliederversammlung sind. Das sind alles Dinge, über die man sich Gedanken machen muss. Wachstum ist nicht immer einfach. Wir müssen uns schon was Authentisches behalten.

schwatzgelb.de: So viele englische Klubs sind allerdings international auch nicht mehr dabei, aktuell nur noch Liverpool und Manchester City...

Watzke: Aktuell noch zwei mehr als deutsche...

schwatzgelb.de: Aber das zeigt doch, dass die Engländer gar nicht so viel besser aufgestellt sind als deutsche Klubs. Wir müssen die Alleinstellungsmerkmale halten, die der deutsche Fußball hat. Die Ticketpreise, die Fans, die Anstoßzeiten.

Watzke: Anstoßzeiten okay, da bin ich auch bei euch. Aber auch in der Diskussion müssen wir ehrlich miteinander umgehen. Wenn jetzt der neue Spielplan fünf Montagsspiele vorsieht und dafür aber 18 Wochenspiele wegfallen, dann braucht mir keiner sagen, dass das aus Fansicht schlechter ist, denn fünf und 18 sind schon unterschiedliche Zahlen. Unter Fankultur-Gesichtspunkten ist das kein Problem. Da habe ich aber auch der DFL klar gesagt, dass es dann auch ein bis zwei Spieltage weniger in der Woche geben muss, damit es eine Entlastung für den reisenden Fan gibt. Das kriegen wir hin, es gibt zwei Spieltage weniger in der Woche im nächsten Jahr.

Sie müssen sich mal mit Trainern unterhalten. Es drohte jetzt zum Beispiel einmal, dass unsere Spiele Donnerstag und am darauf folgenden Samstag stattfinden. Da würde jeder Trainer Amok laufen! Jeder, der Fußball gespielt hat, weiß, dass am zweiten Tag nach dem Spiel die Verletzungsanfälligkeit am höchsten ist. Deswegen geben wir auch am zweiten Tag nach einem Spiel häufig frei. Und das wäre genau das Zeitfenster gewesen, in das wir nach dem Donnerstag die Spieler reinhetzen müssten. Ich finde fünf Montagsspiele nicht toll, aber wenn dafür 18 Wochenspiele wegfallen, ist es verkraftbar. Deswegen muss man immer um Kompromisse ringen.

Bei den Ticketpreisen muss Deutschland vorbildlich sein, definitiv. Wir müssen das Geld anderswo holen. Dann muss man aber auch bitteschön dafür Verständnis haben! Wir müssen das Geld aus dem Hospitality-Bereich holen, wir müssen das Geld im Ausland holen. Vor allem durch Bayern München und Borussia Dortmund werden wir den Auslandsanteil der Fernsehgelder von 50 Millionen auf etwa 150 bis 200 Millionen Euro steigern, ich sehe sogar 400 bis 500 Millionen innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre. Und wenn ich dann höre, dass Bayern München und Borussia Dortmund sich da mal schön zurückhalten sollen, dann verstehe ich das nicht.

Irgendwann werden wir international eine unfassbare Menge mehr kriegen, vor allem für unsere Verhältnisse. Wir werden nie an England heranreichen, die haben 40 Jahre eher angefangen und auch historische Vorteile in manch einer Region der Welt. Aber wir dürfen unsere Identität nicht aufgeben! Und ich kokettiere jetzt mal so ein bisschen damit: Wenn hier jemand säße, der nicht diese BVB-Vita hätte wie ich, dann würden viele Entscheidungen bestimmt nicht besser laufen. Ihr könnt euch sicher sein, dass wir uns viele Gedanken machen. Manchmal machen wir auch Fehler, definitiv. Manchmal liegen wir daneben, keine Frage. Dann sagen wir das auch! Vom Grundsatz her sind wir aber schon noch willig, das sollte man uns auch nicht absprechen.

schwatzgelb.de: "Deutschland muss Vorreiter bei den Ticketpreisen bleiben." In England wird es jetzt eine Obergrenze für Auswärtstickets geben. Ist so ein Modell auch für Deutschland vorstellbar?

Watzke: Erst mal: Diese Grenze liegt bei 30 Pfund. Entschuldigung, aber ich glaube nicht, dass das Auswärtsticket hier im Schnitt und auf die Saison hochgerechnet mehr kostet - also ist das ein Placebo-Effekt. Die haben jetzt eine Deckelung auf 30 Pfund für fünf Prozent der Plätze. Aber die Ticketpreise werden auf lange Sicht nicht runtergehen, davon bin ich überzeugt. Vielleicht jetzt mit dem vielen Fernsehgeld mal für ein, zwei Jahre. Da kommt jetzt so viel rein, dass du das Gefühl hast, du brauchst gar nicht mehr. Aber ich glaube nicht, dass es da eine grundsätzliche Tendenz gibt.  

Wir müssen nicht nach England gucken. Wir müssen dieses Niveau halten. Aus meiner Sicht ist es nur noch um die Inflationsrate steigerungsfähig. Wenn der HSV mit einer Stadionkapazität von 57.000  Plätzen höhere Einnahme erzielt als wir mit 81.000, dann weiß ich, dass wir eigentlich auf der richtigen Seite sind. Aber das ist auch kein Hexenwerk, das hat einfach mit den Stehplätzen zu tun. 

schwatzgelb.de:  Ist es denn denkbar, dass die Topspielzuschläge für Gästefans ligaweit abgeschafft werden – so wie in Dortmund schon geschehen?

Watzke: Unserer Meinung nach auf jeden Fall. Wir haben das ja auch an die Liga geschrieben. Nur ich habe das nicht für alle zu entscheiden. Und es gibt da auch nicht genügend Bereitschaft. Die Struktur der Liga ändert sich. Du kannst Hoffenheim, Wolfsburg, Leverkusen, Leipzig nicht mit unseren Maßstäben betrachten - und bei anderen Vereinen ist das Thema einfach nicht relevant. Ich fände es jedenfalls grundsätzlich sehr positiv. 

"Götze? Dieses Thema stellt sich aktuell überhaupt nicht"

schwatzgelb.de:  Zum Abschluss noch mal zum Sportlichen: Würde man denn einen Mario Götze entgegen Volkes Stimme nach Dortmund holen?

Watzke: Vorsicht mit Volkes Stimme. Das ist ja das Schöne, dass jeder glaubt, er sei Volkes Stimme. Aktuell stellt sich dieses Thema überhaupt nicht. Aber wenn es sich irgendwann einmal stellen sollte, glaube ich, dass die Mehrheit der gesamten Fans dafür wäre – unter gewissen Rahmenbedingungen natürlich.   

Mario Götze in München
Ich weiß natürlich auch, dass viele dagegen wären. Aber ich habe mir abgewöhnt, mir Gedanken zu machen über Dinge, die nicht auf dem Tisch liegen. Wenn ich mir über alle theoretischen Aspekte Gedanken machen würde, dann käme ich nicht mehr zu wirklichen Entscheidungen.  

Mario hat einen Vertrag bei Bayern, ich habe auch noch von niemandem in München gehört, und schon gar nicht von ihm, dass es da in irgendeiner Form Wechselwünsche gibt. Wenn das irgendwann anders wäre, dann würden wir es sportlich prüfen. Das ist sowieso das alles entscheidende Thema. Und dann würden wir den Rest diskutieren. Ich weiß, dass das nicht unproblematisch wäre. Aber so weit sind wir nicht, und daher ergibt diese Diskussion auch keinen Sinn.  

Grundsätzlich finde ich, dass man die grundsätzliche Feindseligkeit gegen Mario auch mal ein bisschen relativieren muss. Er hat damals sicherlich einen Fehler in der Außendarstellung gemacht. Wie gesagt: In den Diskussionen wird die Zeitschiene der Äußerung im Konjunktiv oft außer Acht gelassen. Aber auch er war uns gegenüber immer ehrlich, er hat sogar - was mir damals für einen 20-Jährigen unglaublich imponiert hat - Jürgen Klopp, Michael Zorc und mir ins Gesicht gesagt, dass er wechseln möchte und hat auch die Gründe dafür klar benannt. Die möchte ich jetzt aber nicht nennen, das waren jedenfalls keine finanziellen. Wobei die finanziellen sicherlich auch eine deutliche Rolle gespielt haben.  

Ihr wart ja mit Sicherheit auch mal 20. Für mich persönlich: Ich weiß nicht, wie viel Blödsinn mir dadurch, dass ich nicht so gut Fußball spielen konnte, erspart geblieben ist. Was ich in meinem Leben wohl alles an falschen Entscheidungen getroffen hätte, weil ich mit 20 in meiner Persönlichkeitsentwicklung ehrlich gesagt nicht so weit war – mein lieber Gott. Und demzufolge sollte man auch mal ein bisschen bedenken, dass Mario die höchste Ablösesumme aller Zeiten für den BVB erzielt hat. Und er ist ein Junge aus dem eigenen Stall. Ich habe viele Spiele von ihm gesehen und mich gefreut.  

Vielleicht würde auch er möglicherweise mit dem Wissen und der größeren Reife von heute eine andere Entscheidung treffen würde. Das heißt aber nicht, dass er jetzt vor der Tür steht. Das heißt einfach nur, dass er eigentlich nicht die richtige Zielscheibe, die richtige Figur ist für irgendwelche Hasstiraden. Ehrlich gesagt: So schlecht ist das damals nicht gelaufen. Dass die Nachricht allerdings einen Tag vor dem Spiel gegen Real Madrid lanciert worden ist, dafür konnte Mario nichts. Es weiß glaube ich jeder von uns, wer da die größte Interessenslage hatte. Und es ist völlig klar, wer da am Hebel war. 

schwatzgelb.de:  Des Weiteren wurde berichtet, Dembele sei so gut wie fix.

Watzke: Es gibt sicherlich großes Interesse des Spieler zum BVB zu wechseln, aber das würde ja eine Einigung mit Stade Rennes voraussetzen. Und die ist noch nicht da. Ja, er ist ein außergewöhnlich talentierter Spieler, aber mit 18 Jahren natürlich auch kein Messias. Ich habe das in der Berichterstattung verfolgt. Er wurde ja schon mit so ziemlich jedem Weltstar verglichen, aber da sollte man vorsichtig sein. 

schwatzgelb.de:  Sie betonen immer wieder, wenn es um die eigenen Spieler geht, dass die absolut ehrlich sind und ehrlich kommuniziert haben. Ist das Fußballbusiness so ein verlogenes Geschäft, dass man das extra betonen muss?

Watzke: Ich betone das in diesen besagten beiden Fällen, denn es gibt sicher auch Spieler, ich nenne jetzt keinen Namen, wo das in der Vergangenheit nicht so war. Bei den beiden, der eine kommt aus dem BVB-Jugendbereich, der andere ist jetzt auch schon über acht Jahre bei uns, habe ich das Gefühl, dass Borussia Dortmund für sie etwas Besonderes war und ist.

Weil Ihr danach gefragt habt: Das Geschäft ist genauso verlogen oder nicht verlogen, wie es überall in der Wirtschaft ist. Ich sag das immer wieder: Stellt euch bitte mal vor, es kommt der direkte Konkurrent und bietet euch das Vierfache.  Ihr würdet wahrscheinlich auch ein bisschen nachdenken.

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