Eua Senf

Unser BVB kauft keine Stars... er macht sie

30.07.2016, 15:33 Uhr von:  Gastautor
Unser BVB kauft keine Stars... er macht sie
"Wer hat's gemacht?" - "Die 19." - "Ach du..."

Ich bin seit über fünfzig Jahren Fan des BVB, seit ich als 12-jähriger Steppke den denkwürdigen Abend 1966 im Fernsehen im Hampden Park von Glasgow verfolgen durfte. Ich komme aus Bayern, genauer gesagt aus Aschaffenburg, also bayerisch/hessisches Grenzgebiet. Hier habe ich mich als Jugendlicher mit meiner ersten großen Liebe oft ziemlich allein gefühlt, umgeben von mitleidvollen Anhängern damals erfolgreicherer Clubs wie Eintracht Frankfurt, 1860 München, Borussia Mönchengladbach oder zwei noch schlimmeren, die ich hier gar nicht näher nennen will.

Erst als Klopps Kindergarten damit begann, die Liga und ganz Europa zu rocken, tauchten auch in dieser Gegend die ersten zarten BVB-Fangruppen aus der Versenkung auf und man musste nicht mehr die Befürchtung haben, bei Nennung seines Lieblingsvereins mitleidig belächelt zu werden. Genau das scheint mir im Moment aber ein Problem zu sein, wenn ich derzeit viele Artikel und Kommentare zu dem aktuellen Umbruch des BVB lese.

Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass es (besonders in den sozialen Medien) leider sehr viele „Schönwetter-Fans“ gibt, die ganz offensichtlich erst von den Erfolgen von 2011 und 2012 eingefangen wurden, aber nie so recht miterlebt haben, woher der BVB eigentlich kommt. Was für ein Gemaule und Gejammer wegen der immer wieder abwandernden Stars, es kommen nur Talente und es werden keine Hochkaräter gekauft, und, und, und,…

Mario Götze dribbelt bald wieder im BVB-Trikot

Ich habe viele Jahre mit unserem BVB erlebt, die durchaus nicht immer so toll waren wie die letzten fünf Jahre. Natürlich erst die Erfolge 1966 mit Europapokalsieg und Vizemeisterschaft, aber dann auch jahrzehntelanges Mittelmaß mit immer wieder auftretender Abstiegsgefahr, zweistelligen Niederlagen gegen damalige Spitzenclubs, Abstieg in die 2. Liga, harte Jahre in der Zweitklassigkeit, ganz zu schweigen von der Angst um die Existenz des Vereins im Jahr 2005.

In vielen damaligen Jahren wäre man froh gewesen, wenn wenigstens einer der Spieler, die heute das Trikot des BVB tragen, bereit gewesen wäre, zum BVB zu kommen und ihn dabei sogar anderen namhafteren (reicheren) Spitzenclubs in Europa vorzuziehen. Später (Ende der 90er Jahre) hat man dann zwar doch sogar in Mengen teure „Hochkaräter“ gekauft, war auch Meister und sogar Champions-League Sieger, aber zu welchem Preis? Es hätte den Verein beinahe die Existenz gekostet.

Heute wird darüber gewütet, dass dem BVB die besten Spieler weggekauft werden, dass nur Talente kommen, dass nur abgehalfterte Stars gekauft werden, die sonst keiner haben will. Dass die Medien dieses Thema in schwarz und weiß ausschlachten, verstehe ich ja noch, denn die müssen mit ihren Artikeln Geld verdienen und Leser auf sich aufmerksam machen, aber wieso steigen so viele sogenannte Fans darauf ein? Wo ist die echte Liebe, das Grundvertrauen in unseren BVB?

Was ist so schlimm daran, wenn Geldlegionäre wie Lewandowski, Gündogan oder Mkhitaryan weiterziehen? Geht da die Welt unter? Ist das das Ende des Abendlandes? Denken wir plötzlich auch nur noch in Siegen und Titeln? Ich dachte immer, nur die Roten südlich der Donau wären so arrogant?

Bald Teamkameraden: Erik Durm und Götze

Wo wäre der BVB heute, wenn es Aki Watzke, Michael Zorc und vor allem der genialen Scoutingabteilung nicht gelungen wäre, Spieler wie Piszczek, Lewandowski, Kagawa, Hummels, Gündogan oder erst jüngst wieder Aubameyang und Weigl ausfindig zu machen, die keinem anderen Verein so richtig aufgefallen sind und die erst bei unserem BVB zu Stars geworden sind. Selbst einen Mkhitaryan könnte man dazu zählen, auch wenn er doch schon etwas teurer war und sein einziger Gewinn für den BVB darin bestand, mehr einzubringen als er gekostet hat.

Natürlich ist es auch schade, wenn für so verdiente Spieler wie Subotic, Großkreutz oder Kuba kein Platz mehr ist, aber das Leben bleibt doch nicht stehen. Es bringt doch nichts, immer der Vergangenheit nachzutrauen.

Ich verstehe auch den Aufstand nicht, der jetzt mit der Rückkehr von Mario Götze veranstaltet wird. Ich war damals auch enttäuscht, als er ging. Ich war aber nicht auf Mario sauer, sondern auf diesen Verein südlich der Donau. Ich sehe mir grundsätzlich keine Spiele dieser Mannschaft im Fernsehen an, selbst wenn sie im Finale der Champions League stehen würden (es sei denn, sie spielen gegen unseren BVB). Aber jetzt freue ich mich, dass er zurückkommt und was lese ich? Verletzter Stolz wird da immer wieder vorgetragen. Was sind denn das für Egos, diese unfehlbaren Heiligen? Der BVB spielt da bei vielen gar keine Rolle mehr.

Ich war eigentlich immer sehr stolz auf die Fankultur des BVB mit besonderen Momenten. Die immer hinter der Mannschaft steht, gerade zuletzt, als die Mannschaft plötzlich in Abstiegsgefahr geriet oder als ein Fan im Stadion gestorben ist. Das war stets sehr beeindruckend. Was wird da gesungen? „You´ll never walk alone“.

Umstritten: Mario Götze
Aber was machen viele Fans im Moment? Sie ärgern sich, weil Spieler sich für andere Vereine entscheiden, weil dafür als Ersatz keine „Hochkaräter“ gekauft werden, weil viel Geld „nur für Talente“ ausgegeben wird. Sie fühlen sich verraten, weil ein Berufsspieler sich für einen anderen Arbeitsplatz entscheidet, was im wirklichen Leben mit Sicherheit jeder dieser Mauler genauso machen würde, wenn er mehr Kohle dafür bekäme. Was alle diese Fans vergessen, ist eines: Es ist nicht wichtig, dass esihnen gut geht, es ist wichtig, dass es dem BVB gut geht. Über allem steht der BVB. Es geht mir im Moment ein bisschen zu viel darum, wie „es den Fans geht“.

Ich jedenfalls freue mich auf die neue Saison, auf Dembélé, Bartra, Merino, Emre Mor, aber eben auch auf Mario Götze und Andre Schürrle, selbst wenn sie nicht alle Spiele gewinnen. Was spricht eigentlich dagegen, dass vielleicht nicht alle, aber doch viele wieder zu Stars im schwarz-gelben Verbund werden?

Ich jedenfalls mache mir keine Sorgen um den BVB. Ich freue mich über die Mannschaft, tolle Spiele, tolle Stimmung und weil die Situation heute eine andere ist als vor fünfzig Jahren. Der BVB ist besser geworden und er wird weiter besser, aber die Konkurrenz ist groß und man darf nicht übersehen, dass andere Clubs andere finanzielle Möglichkeiten haben. Aber kaum einer dieser Clubs hat in diesem Maße eigene Stars hervorgebracht. Am ehesten vielleicht noch Barcelona. Die meisten haben sie aber nur dazugekauft und dennoch sind sie keineswegs immer erfolgreicher.

Wenn ich nach den fünfzig Jahren BVB auf etwas stolz bin, dann darauf, dass unser BVB keine Stars kaufen muss, sondern immer wieder neue Talente dazu macht!

geschrieben von Wilfried

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