
Von Pyro und Toiletten - Vom Europapokal nach Albanien und an den Bosporus
Auf nach Saloniki

Wenn man in der Theorie 15 S-Bahn-Minuten vom Flughafen entfernt wohnt, heißt das beim großartigen Nahverkehr in NRW noch lange nicht, dass morgens auch Bahnen fahren, um die ersten Flieger zu erreichen. Also wurde die Tour halt am Vorabend an der längsten Theke der Welt gestartet und der Flughafen per Taxi angesteuert. Desto besser verschlief sich der Flug.
Vorort Peraia
Aus dem frühen Vogel erneut ins Taxi. Diesmal in Richtung des Vorortes Peraia. Ziel sollte der Sandstrand für einen Sprung ins Wasser sein. Für dieses Unterfangen war das triste graue Wetter eher ein Stimmungsdämpfer. Durch menschenleere Gassen trotteten wir zu einem Landungssteg, auf dem zahlreiche Angler ihre Ruten ins Wasser hielten. Diese ließen sich von vier Deutschen, die auf das ebenfalls in tristem Grau versunkene Thessaloniki am anderen Ende der Bucht starten, nicht weiter stören. Nach einem kleinen Frühstück samt Frappé musste sich die wärmende Sonne halt herbei gedacht werden, als es sich schließlich ins Wasser gestürzt wurde. Gehört beim Europapokalspiel am Meer halt einfach zum Pflichtprogramm.
Unseren weiteren Weg durch Peraia begleiteten immer wieder streunende Hunde, welche in Griechenland in den letzten Jahren zu Hauf ausgesetzt wurden, weil ihre Besitzer sich die Haltung aufgrund der finanziellen Einbußen durch Eurokrise und Sparfesseln der Troika einfach nicht mehr leisten können. Da das verwahrloste Peraia leider auch nichts mehr zu bieten hatte, ging es dann ins Zentrum von Saloniki in unsere temporäre Bleibe. Nach kurzem Nickerchen und Dusche zeigten sich dann auch die ersten Sonnenstrahlen.
Auf zum Spiel
Hatte man sich vor Beginn der Reise doch den einen oder anderen Gedanken bezüglich der Sicherheit gemacht, ging es absolut entspannt Richtung Promenade und diese entlang zum weißen Turm. Entlang der Promenade sammelten sich Teile der Szene, während am Turm selbst noch kaum etwas los war. Also wurde noch etwas in der Sonne gedöst und letztendlich auch gegen Ende zu den Bussen getrollt, um der Warterei zu entgehen.
Dass die Busfahrt für die kurze Strecke letztendlich eine Stunde dauerte, wurde zur Geduldsprobe. Potenziert für Mitfahrer mit gefüllter Blase, denn die Toilette im Bus war verschlossen und als der Busfahrer die Leidenden bei der minutenlangen Warterei kurz heraus lassen wollte, schritt die Polizei sofort ein und zwang den Busfahrer zum Schließen der Tür. Als dann begonnen wurde, sich im Bus zu entleeren, schloss der Busfahrer schließlich die Toilette auf – stark!

Das Spiel und seine Nachwehen überspringe ich an dieser Stelle.
Nach der Blocksperre fuhren zunächst die Busse zum Flughafen, ehe welche in die Stadt fuhren.

Was kann Saloniki sonst so?
Aufn Donnerstagabend feierte in der Innenstadt in einigen Läden junges Publikum zu extremst lauter Musik und Bierpreisen von 5€ (!!!). Wirkte alles sehr einladend, aber angesichts der aufgerufen Preise ging ich lieber ins Bett - war es doch auch schon 3 Uhr. Andere gönnten sich noch Tequilla mit PAOK-Sympathisanten (ihre eigen Fußballaffinität verschweigend), bis sie aufgrund von Bier hinein schmuggeln des Ladens verwiesen wurden.
Am nächsten Morgen galt es einen Bus nach Tirana zu finden, denn dort sollte am Samstagabend das Stadtderby steigen. Nachdem die ersten Busagenturen entlang der Hauptstraße Tirana nicht ansteuerten oder geschlossen hatten, wurde man am Hauptbahnhof schließlich fündig. Der ältere Herr am Schalter musste zwar erst dazu bewegt werden seinen Privatplausch vor der zweiten Zigarette zu beenden, dafür klappte alles problemlos und ein Nachtbus sollte für 30€ sogar vom Hauptbahnhof und nicht vom weiter entfernten Fernbusbahnhof rollen.

Auf nach Tirana
Aus geplantem Durchratzen im Nachtbus wurde leider nichts. Zunächst mal hatte dieser für die (geplant) 7-stündige Fahrt keine Toilette an Board - jetzt kam ich also auch noch in diese Bredouille - aber der Busfahrer konnte auch ohne Englischkenntnisse von einem kurzen Stop am Straßenrand im makedonischen Hinterland überzeugt werden. Luxuriöser wurden die Toiletten auf albanischer Seite nicht mehr.
An der albanischen Grenze gab es dann noch zu bestaunen, wir dubiöse Geldwechsler in den Bus stiegen und einmal unverrichteter Dinge wieder ausstiegen, während neben dem Bus die albanische Grenzpolizei in einem von einer US-Stiftung gesponserten (so der fette Aufkleber auf der Tür) Pick-up vorbei fuhr - interessant.
Schlaf wurde dann absolut unmöglich, weil dies zum einen die albanischen Straßenzustände erschwerten und zudem der neue Busfahrer halbstündlich zur Zigarettenpause anhielt und das Licht anschaltete. Irgendwann dann kurz vor Tirana (die 7 Stunden waren aufgrund der ganzen Stops schon lange überschritten) wurde dann plötzlich abgestimmt wo es hingehen solle. Bitte was!? Dies sei zwar der Bus nach Tirana, aber da die meisten weiter nach Durrës wollten, könne man auch dahin fahren. Da glücklicherweise auch noch einige albanisch-sprechende Mitfahrer nach Tirana wollten, wurde sich dann auf den Kompromiss geeinigt, erst nach Durrës zu fahren und von dort weiter nach Tirana. Gegen 5 Uhr morgens in Tirana abgeladen fand sich dann auch rasch ein Hotel, das uns schon um diese Zeit beherbergen wollte.
Sehenswürdigkeiten hat Tirana nicht wirklich zu bieten. Einige moderne Hochhäuser säumen die Skyline und befinden sich zum Teil noch im Bau. So drängte sich mit dem „größten Wasserpark Albaniens“ eine Alternative auf. Die Vorfreude welche unter dem Torbogen mit den Lettern „Aquadrom“ aufkam wich jedoch schnell einer Enttäuschung, als beim Gang um die nächste Ecke klar wurde, dass die Bude hier schon lange dicht gemacht hat. Das grünliche Wasser mit dem oben schwimmenden Müll war dann nicht ganz so einladend. Der kleine Vergnügungspark nebenan war zwar geöffnet, erinnerte jedoch stark an Aufnahmen aus Prypjat. Sicherlich ist jedem ein Bild des vergammelten Riesenrades aus einer Tschernobyl-Doku bekannt. So ging es an den Highlights Staumauer, Stadtpark und „Dortmund Fast-Food“ in schwarzgelb (kein Witz)vorbei zurück zum Hotel. Das Fast Food wurde natürlich nicht angerührt, zumal es Restaurants mit heimischen Grillplatten gab.
Partizani Tirana - KF Tirana

Dann rief das Duell Partizani Tirana - KF Tirana.
Dabei ist KF Tirana albanischer Rekordmeister, Partizani folgt auf Rang drei hinter dem 3. Hauptstadtklub Dinamo, welcher zurzeit in der 2. Liga kickt. Machten die drei Vereine bis zum Ende des Kommunismus in Albanien die Meisterschaft meist unter sich aus, fiel der frühere Armeeklub Partizani als erstes ab. Seit 2010 dominiert der Serienmeister KF Skënderbeu Korça die albanische Superliga und ebenfalls der FK Kukësi hat die drei Hauptstadtclubs überflügelt. Partizani als beliebtester Verein des Landes stieg erst 2014 wieder in die Superliga auf und misst sich wieder mit dem Lokalfavoriten KF Tirana.
Auf dem Weg zum Qemal-Stafa-Stadion mussten wir zunächst eine Polizeikette umgehen, weil wir noch keine Karten hatten, und konnten so hinter der Gegengeraden beobachten, wie sich Menschentrauben die Treppen der wenigen Eingänge hochquetschten. Uns wurde mehrfach erzählt, es gäbe keine Karten mehr, aber ein Polizist riet und einfach nach Anpfiff reinzugehen, weil dann eh die Tore für die Massen geöffnet würden - aja. Hinter einem großen Berg Bauschutt versteckte sich jedoch noch ein Kassenhäuschen. Davor wurden wir unzähligen Schwarzhändlern angequatscht, die noch verzweifelt versuchten, den Originalpreis zu erzielen.

Bereits während der Choreos zu Spielbeginn wurde auf beiden Seiten gezündelt, was auch während des gesamten Spiels über anhielt. Ich möchte hier jetzt keine Lobpreisung über Pyrotechnik zelebrieren, aber es war doch eine richtig nette Balkanatmosphäre, wegen der ich solche Touren mache. Die Bilder sollten für sich sprechen und der geneigte Pyromane findet auf den gängigen Seiten noch deutlich schönere Aufnahmen. Highlight dabei war ein älterer Herr zwei Reihen vor uns, welcher mit seinem Sohn beim Spiel war. Auch er holte ständig neue Bengalen aus seiner Tasche. Ab und an wollte er eine an seinen Sohn weiterreichen, aber der war mit Videos drehen beschäftigt und so lies der Vater halt zwei Bengalen kreisen. Auch dass die Polizisten immer wieder zu ihm kamen, mit der Bitte dies zu unterlassen, störte ihn nicht weiter. Die Polizisten taten jedoch auch nichts weiter als ihn ständig wieder zu ermahnen.

Warum ich diese Pyroaktionen so abfeiern kann, während mir die am Vortag gegen den Strich ging? Weil es auf dem Balkan alle Parteien akzeptieren, dass dort wie wild gefackelt wird. Dort steht kein Spielabbruch oder eine Strafe zu befürchten. Keine Hundertschaft stürmt unvermittelt in den Block. Auch wenn dieser Vergleich mit dem PAOK-Spiel hinkt. Weil ich vermute, dass ohne das Werfen des Zeugs, wäre kein Polizist in die Masse gestürmt. Und auch eben dieses Werfen der Fackeln fand hier in den leeren Innenraum statt und nicht auf unbeteiligte Sanitäter. Wobei ich jetzt nicht in die Medienhysterie mit einsteigen wollte und einen drohenden Spielabbruch oder ähnliches zu skizzieren, wovon es definitiv noch weit entfernt war in Saloniki. Einfach dieses Werfen auf Personen ist absoluter Mist!

Dann war da noch: Die ultrascharfe TV-Maus, die Miss Wontorra ganz blass aussehen lässt. Und

Das Nachtleben in Tirana war dann Biergarten-und Bar-lastiger als gedacht. Wir fanden später noch einen netten Club in einem Hochhaus, jedoch war dort eher tote Hose. Beim Aufwachen am nächsten Morgen geschockt gemerkt, dass die Zeit zum Abflug drängt. Schnell unter die kalte Dusche und ab ins Taxi.
Auf nach Hause - via Istanbul

Nettes Stadion inmitten den Wohnhäuser des Istanbuler Stadtteiles Pendik. Es wurde ein großer Aufwand betrieben, um Gäste- und Heimblock zu trennen. Völlig sinnlos, da sich letztendlich auch Heimfans im Gästeblock einfanden. Eine, nenne wir sie mal „Jungultragruppe“ versuchte sich auf Heimseite am Support und ärgerte mit einigen Böllern die neben ihnen postierten Polizisten in Kampfmontur. Währenddessen plätscherte ein 0:0 bei Cay und Simit dahin.
Die weiten Wege zur nächsten Metrostation kennen sicher einige aus dem letzten Jahr, sodass wir einfach mal auf gut Glück zu einem


Steffen, 09.10.2015