Eua Senf

Echte Differenzen

29.09.2015, 19:11 Uhr von:  Gastautor

Liebe Herren Rauball und Watzke,

ich wende mich an Sie, da Sie unserem Verein bzw. der KGaA vorstehen und in letzter Verantwortung für alle positiven und negativen Entwicklungen beim Ballspielverein Borussia stehen. Wobei es mir keineswegs um das sportliche Abschneiden unserer Borussia geht, sondern um die Beziehung zwischen Fan und Verein.

Die letzten Wochen waren für Sie sicher trotz der sportlichen Erfolge nicht die Einfachsten, da es im Rahmen verschiedener Themen zu Beschwerden der Fans und Unmutsäußerungen über Twitter, Facebook und Co. kam. Sei es im Rahmen der von Ihnen sicherlich zu autorisierenden Preisgestaltung für Dauerkarteninhaber für die Spiele der Europa League, der Unterstützung der größten deutschen Boulevardzeitung hinsichtlich einer Solidaritätsaktion, die durch die Deutsche Fußball-Liga „vorgeschlagen“ wurde oder hinsichtlich des übermalten Adi Preißler Zitats „Entscheidend ist auf‘m Platz“.

Meiner Meinung nach ist es Zeit für ein klares Statement, für einen ehrlichen Dialog. Was will der Verein, was die KGaA? Möchte der BVB in erster Linie zweiter Leuchtturm sein oder vor allem für die tiefe Verbindung zwischen Fan und Verein weltweite Bekanntheit erlangen? Die Liebe der Fans zum BVB wurde marketingtechnisch bereits passend mit echter Liebe beschrieben. Sofern dies weiterhin im Zentrum der externen Wahrnehmung stehen soll, wäre eine Rückkehr zu alten Werten zumindest in bestimmten Themenfeldern hilfreich.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Sie gehören sicherlich zu den prägendsten und wichtigsten Figuren der Vereinsgeschichte und haben sich mit Ihrer – ehrenamtlichen – Arbeit mehr als einmal um unseren Verein verdient gemacht. Sie stehen gemeinsam für einen der erfolgreichsten Turnarounds im Profisport und haben unsere Borussia in kürzester Zeit vom nahezu insolventen Verein zu einem Spitzenverein Europas gebracht. Sowohl in sportlicher als auch wirtschaftlicher Hinsicht haben Sie extrem gute Leistungen vollbracht. Der Einsatz von Herrn Cramer und Ihnen, Herr Watzke, im Zuge der hohen Eintrittspreise in Hoffenheim ist aus fanpolitischer Sicht sicherlich positiv hervorzuheben. Auch diesem Engagement ist es zu verdanken, dass die Aktion der Fan-Initiative „Kein Zwanni“ sowie der Dortmunder Fanszene einen derart großen Erfolg verzeichnen konnte. Ebenso war es erfreulich, dass für (jugendliche) Fans der Block 63 zum Stehplatz-Bereich umgebaut wurde. Allerdings stehen diesen positiven Entwicklungen eine Reihe von „Fehlern“ gegenüber. Entsprechend dominiert bei vielen das Gefühl, dass die Fanbelange stetig geschwächt werden.

Zuletzt kam es zu Unmutsäußerungen der Fans, weil das Zitat von Adi Preißler der Bemalung eines Sponsors weichen musste. Natürlich habe ich den Äußerungen des Vereins über Twitter vernommen, dass dies keinesfalls das endgültige Design darstellen sollte. Es ist, mal wieder, ein Fehler passiert. Aber wie genau kann ein derartiger Fehler entstehen? Mit welcher Firma arbeiten Sie zusammen, die einen derart einfachen Auftrag (Wand schwarz anmalen, in gelber Schrift das Zitat „Entscheidend ist auf´m Platz“ und am Rand ein kleines Sponsorenlogo) auf diese Weise falsch verstehen kann? Oder sollte dieses Design genauso dort platziert werden, um einem wichtigen Sponsoren eine weitere Werbefläche als Dank für die gute Zusammenarbeit anbieten zu können? Letzteres wäre natürlich auch in Ordnung, würde es von Ihnen klar und ehrlich kommuniziert. Sie werden Ihre Gründe haben und dafür werden Sie auch seit Jahren vom Verein und dessen Mitgliedern im Amt bestätigt bzw. auf der Jahreshauptversammlung der KGaA mit (nahezu) keinerlei Unmut bedacht.

Im Zuge der aktuellen (gesellschafts-)politischen Herausforderung der Aufnahme von hilfesuchenden Flüchtlingen wurde seitens der Deutschen Fußball-Liga allen Vereinen der ersten und zweiten Bundesliga nahe gelegt, am 5. Spieltag das Badge „Wir helfen“ zu tragen. Dies sollte als Zeichen für die Flüchtlinge verstanden werden, die ihre Heimat z. B. aufgrund von Krieg oder Existenzängsten verlassen müssen und insbesondere in Deutschland Schutz suchen. Eigentlich wäre es ein schönes und wichtiges Zeichen gewesen, wäre einer der Initiatoren dieser Aktion nicht genau die Zeitung, die seit jeher eben nicht für Weltoffenheit, Toleranz und Willkommenskultur steht. Die Boulevardzeitung des Axel Springer Verlags polarisiert wie kein zweites Blatt und hat gerade im Zuge der Debatte um Flüchtlinge in den letzten Jahren und Monaten dafür gesorgt, dass Ängste in der Bevölkerung geschürt wurden. Erst nachdem die Gesellschaft klar gemacht hat, dass die Übergriffe rechter Chaoten und die Proteste gegenüber Flüchtlingen und deren Unterkunft missbilligt werden, hat sich die Berichterstattung dieser Zeitung verändert. Statt der hohen Kosten, die Flüchtlinge verursachen – angeblich ohne Gegenwert für Gesellschaft und Volkswirtschaft – betonte die Zeitung, wie menschenfreundlich sie doch auf einmal sei. Gerade das Blatt, welches seit Jahren über die griechische Bevölkerung herzieht und Ängste aufbaut statt diese aufzuklären und abzubauen, wollte sich auf einmal als besonders menschenfreundlich präsentieren. Das dies von vielen Fans missbilligt wurde, haben Sie schnell zu spüren bekommen. Leider wurde es öffentlich nur unzureichend diskutiert. Anstatt über die Vereinshomepage oder die sozialen Kanäle offen zu kommunizieren, wurde am Abend des Europa League-Spiels über die Ruhr Nachrichten verbreitet, dass man an der Aktion teilnimmt. Vermutlich wird eine Rolle gespielt haben, dass unser Präsident in gleicher Funktion der Deutschen Fußball-Liga angehört. Eine – in meinen Augen – recht dünne Begründung sollte dies aber wegwischen. Aber warum lässt sowohl die Liga als auch unsere Borussia zu, dass die angesprochene Zeitung sich durch derartige Aktionen reinwaschen kann? Warum stellt man nicht die eigene tolle Arbeit heraus? Warum macht man nicht durch eigene Aktionen auf sich aufmerksam, obwohl beispielsweise die Stiftung „Leuchte auf“ seit Jahren sehr gute Arbeit macht und man zuletzt mit dem Freundschaftsspiel gegen den 1. FC St. Pauli Gelder für die Flüchtlinge gesammelt hat? Warum erklärt sich unser Verein gerade deshalb nicht mit dem 1. FC St. Pauli solidarisch, nachdem der Chefredakteur der Boulevardzeitung diesem Club auf unverschämte Art und Weise jeglichen Willen an sozialem Engagement abgesprochen hat? Sind die wirtschaftlichen Interessen im Zuge einer guten Zusammenarbeit mit diesem Medium wichtiger als soziales Engagement, was man ja auch ohne dieses Blatt schon oft genug gezeigt hat?

Nicht zuletzt ist sicherlich die Preiserhöhung für Dauerkarteninhaber mit einer Option für internationale Spiele zu nennen. Für die drei Gruppenspiele der Europa League wurde jeweils der Tagespreis angesetzt. Nachdem es zu massiven Protesten kam, wurde der Preisanstieg zurückgenommen. Trotz dieses „Zurückruderns“ zeigt vor allem ihr Vorgehen in diesem Fall, wie groß die Differenzen zwischen Verein und Teilen der Fans sind. Sie haben die Preiserhöhung als Fehler bezeichnet, obwohl Sie bereits im Zuge der Qualifikationsspiele zur Europa League auf die Preise für Tageskarten als Basis des Ticketpreises für Dauerkarteninhaber zurückgegriffen haben. Obwohl Sie allen Besuchern 20% Rabatt auf die Preise für Tageskarten gewährt haben, waren die Kosten für Dauerkarteninhaber für die Spiele gegen Wolfsberg und Odds jeweils sehr viel höher als in der Champions League-Gruppenphase. Während ein Gruppenspiel im letzten Jahr etwas mehr als neun Euro pro Spiel gekostet hat, waren die Qualifikationspartien auf der Südtribüne trotz Rabatt um 50% teurer. Unabhängig davon, dass vor fünf Jahren zumindest ein Qualifikationsspiel für Dauerkarten-Inhaber gratis war, frage ich mich, wieso Ihnen dieser Fehler erst beim dritten Spiel und nach dem Sturm der Entrüstung aufgefallen ist? War es wirklich ein Fehler, den Sie, „um es klar zu sagen“, in meinen Augen nur vorgeschoben haben, um nicht zu offenbaren, wohin die Reise der Ticketpreise gehen wird?

Wieso werden Dauerkarteninhaber inzwischen benachteiligt? Natürlich wurde jeder, der eine Dauerkarte sein Eigen nennt, vor der Saison befragt, welche Optionen denn in diesem Jahr gewünscht sind. Jedoch ist die internationale Option für Dauerkarteninhaber auf der Südtribüne keine tatsächliche „Option“ im klassischen Sinn. Wer diese Möglichkeit ablehnt, wird vermutlich lange wieder darauf warten müssen, in den Genuss günstiger Tickets für internationale Spiele auf der Südtribüne zu kommen. Es ist eben keine Entscheidung pro Jahr, sondern – mehr oder minder – fürs Leben. Vorbei sind die Zeiten, in denen Dauerkarteninhaber pro Spiel entscheiden konnten, ob die Option gezogen werden soll. Sicherlich gibt es genügend Fans, die sich nicht jedes Mal melden möchten und die von Ihnen angestoßene Änderung der Dauerkartenoption begrüßen. Allerdings gibt es auch genügend Dauerkarteninhaber, die zumindest manchmal gerne absagen würden. Sie könnten diese Optionen ja auch weitergeben an all diejenigen, die auf der Südtribüne keinen Optionsplatz bekommen können. Es wäre möglich, in Form eines Pools die Anzahl an Optionsplätze an alle Dauerkarteninhaber zu verteilen; es gibt maximal etwa 40.000-45.000 Optionsplätze – warum werden nicht alle abgelehnten Optionsplätze (ob je Spiel oder in Gänze) dann zuerst all denen angeboten, die trotz Dauerkarte keine Option für internationale Spiele bekommen können? Dadurch würde denen, die immer im Stadion sind, ein Vorteil eingeräumt, ohne die Kapazitäten der Mitglieder und Fans ohne Dauerkarte zu beschneiden. Obwohl es sicherlich aufwendiger wäre, sollte sich der Aufwand im Sinne einer guten „Kundenbetreuung“ doch sicherlich lohnen?!

Ferner erscheint in diesem Zuge die generelle Entwicklung der Preise im Ticketing von Borussia Dortmund diskussionswürdig zu sein. Die Tageskartenpreise sind in den letzten Jahren massiv angezogen worden. Die günstigsten Plätze sind nun bereits jenseits der 30 Euro angekommen. Plätze der Kategorie vier kosten bereits knapp 45 Euro. Wer soll das dauerhaft zahlen? Oder liegt der Fokus im Rahmen der Tageskarten eher auf wechselnden Kunden als treuen Fans, denen der Erwerb einer Dauerkarte nicht möglich ist?

Natürlich negiere ich nicht die betriebswirtschaftlichen Zwänge, denen unsere KGaA unterliegt und erkenne an, dass aufgrund des Stehplatzanteils von ca. 40% vor allem Sitzplatzkarten und VIP-Tickets diese günstigen Tickets ermöglichen müssen. Gleichwohl ist auch hervorzuheben, wie viel Geld gerade die größte Stehtribüne Europas für den Verein generiert. Der BVB vermarket die Südtribüne derart, dass ein Besuch im umgetauften Westfalenstadion mittlerweile auch internationale Gäste anlockt. Auch hinsichtlich der Verhandlung des BVB mit Werbepartnern ist die Südtribüne und der von ihr ausgehende Reiz ein nicht zu unterschätzendes Gut. Nicht nur aufgrund der großen Fanbasis sind die Kosten für Sponsoren für Werbung bei uns sicher höher als in vielen anderen Bundesliga-Stadien. Der Verein definiert sich zu Recht in erster Linie durch seine enge und tiefe Verbindung zu seinen Fans, die diesen Club seit jeher ausgemacht haben. Warum entfernt man sich aber dann immer mehr voneinander? Warum scheinen inzwischen Investorinteressen über denen der eigenen „Familie“ zu stehen?

Sie mögen sich wundern, warum dies erst jetzt auf den Tisch kommt: In Gesprächen mit vielen anderen Fans fällt mir immer wieder, dass das Fass inzwischen übergelaufen zu sein scheint. Viele Preiserhöhungen der letzten Jahre wurden mit geballter Faust in der Tasche hingenommen. Schließlich haben die Erfolge auch blind gemacht; natürlich war es gerade nach den jüngsten Titeln und Finalspielen leichter, Preissteigerungen zu legitimieren. Aber gerade nach der Hinrunde des letzten Jahres und der ungebrochenen Unterstützung der Fans hatten sich viele gedacht, dass der Verein dieses „Engagement“ belohnen würde. Diese Hoffnung wurde bitter enttäuscht.

Inzwischen drängt sich bei mir der Gedanke auf, dass die fanpolitischen Belange immer weiter in den Hintergrund gedrängt werden und die Entscheidungen im Zweifel eher aufgrund wirtschaftlicher Interessen getätigt werden. Sie wissen aus eigener leidvoller Erfahrung, wie es 2005 um den Verein stand und wer den Verein z. B. am 30. März 2007 in Bielefeld unterstützt hat: Es waren viele der Fans, die über manche der letzten Entscheidung des Vereins nur den Kopf schütteln können. Unsere Borussia definiert sich in erster Linie durch die Verbundenheit zwischen Fans und Verein: Warum rücken trotzdem die Fanthemen immer weiter in den Hintergrund?

Natürlich geht die Entwicklung im Fußball auch an unserer Borussia nicht vorbei. Wenn man Spieler wie Marco Reus halten und Erfolge feiern will, bedarf es natürlich auch stetiger Einnahmezuwächse. Obwohl unser Festgeldkonto laut der Einlassungen auf der Jahreshauptversammlung prall gefüllt ist, die Einnahmen aus der Gastronomie im Stadion inzwischen wieder direkt dem Verein zugehen und die künftigen Einnahmen aufgrund der TV-Vermarktung immense Zuwächse versprechen, steigen auch die Ausgaben der Kosten für Fans massiv an. Sponsoren haben sicherlich nun auch andere Konditionen als vor fünf Jahren: Jedoch sind diese für den Verein und deren Fortbestehen sicherlich nicht so wichtig wie die Nähe zu den Fans, die immer da sind – egal ob auf Platz 18 oder in Wembley! Es geht nicht darum, von einem Extrem ins andere zu schwenken. Jedoch scheint der „gesunde Mittelweg“ inzwischen zu Ungunsten der Fans verlassen worden zu sein.

Ich bitte Sie inständig niemals zu vergessen, woher der Verein kommt und was der Markenkern ist. Wenn man sich immer weiter von der Basis entfernt, wird man die Beziehung der Fans zum Verein womöglich nachhaltig schwächen.

Ich bin mir sicher, dass Sie die richtigen Entscheidungen treffen, sobald neben wirtschaftlichen auch die Interessen der Basis wieder mehr berücksichtigt würden! Es wäre aber als Zeichen an die Fans schön, wenn es eine klare Positionierung seitens der Vereins- und Geschäftsführung gäbe. Wohin wird es beispielsweise mit dem Ticketpreis gehen? Werden die Rabatte für Dauerkarteninhaber gekürzt oder wird es für diejenigen ohne Optionsplatz künftig mehr Möglichkeiten geben, günstige Tickets für internationale Spiele zu erhalten? Egal wie Ihre Entscheidung ausfällt, bitte ich Sie in erster Linie um Ehrlichkeit, Transparenz und Offenheit!

Lassen Sie uns weiterhin fest und treu zusammen halten, damit sich jeder Borusse auch weiterhin leisten kann, Teil unserer Familie zu sein!

geschrieben von Stefan

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