Eua Senf

Über Dortmunder Jungs

17.08.2015, 18:00 Uhr von:  Gastautor
Kevin im Tor

Als ich jemandem von diesem Artikel erzählte, sagte er: „Das ist Schwachsinn. Da brauchst du keinen Text für. Du brauchst drei Bilder. Eins von Kevin im Tor, eins, wo Kevin irgendwen anschreit und eins, wo er krank auf der Südtribüne steht.“ Isso, denke ich. Was auf den Plakaten gefordert wurde, die am 25. April 2015, beim Spiel gegen Frankfurt, im Stadion ausgehangen wurden, auf denen ein Mann mit lächelndem, stolzem Gesichtsausdruck zu sehen ist, der seine rechte Faust eisern zum Herzen führt, über und in dem das Logo von Borussia Dortmund seinen festen Platz hat, muss geschehen. „Mit Großkreutz verlängern. Jetzt!“

Borussia Dortmund braucht Spieler wie Kevin Großkreutz, die in schwartzgelb in Dortmund geboren wurden, die von der Tribüne auf den Rasen gekommen sind und die man nach Karriereende wieder zurück auf die Süd tragen kann. Denn sie sind es, die zeigen, worum es geht. Beziehungsweise, worum es nicht geht.

Kevins Freude über den Derbysieg

Dass „Dortmunder Jung“ viel mehr bedeutet, als in Dortmund geboren zu sein, haben wir alle schon – spätestens 2013 – gesehen. Ein Dortmunder Jung zu sein bedeutet, hinter der Stadt zu stehen. Hinter dem Verein. Borussia an erster Stelle. Dortmunder Jungs stehen Samstagnachmittag im Stadion – oder im schlimmsten Fall vor dem Fernseher – oder eben auf dem Rasen und geben alles für Borussia. Dortmunder Jungs repräsentieren die Mannschaft und den Verein, zeigen nach außen hin, worum es in Dortmund geht. Sie zeigen, dass man bei Wind und Wetter, in der Regionalliga und in der Champions League, in guten wie in schlechten Zeiten immer dabei ist. Sie zeigen, dass man nicht für ein paar Taler mehr oder für ein Angebot von Topclubs wie Arsenal oder Manu plötzlich einfach geht. Sie gehen ehrlich und offen mit den Fans um. Sie zeigen, dass es nicht nur ein Job für sie ist, sondern eine Lebenseinstellung. Sie tragen ihr Trikot voller Stolz und für sie ist es eine Ehre.

Wir sind alles Dortmunder Jungs, egal ob auf dem Platz oder auf der Tribüne, vor dem Fernseher oder vor dem (Net-)Radio.

Borussia Dortmund driftet immer mehr ab in Richtung Kommerz. Das neue Trikot kostet plötzlich 80 Euro, die Dauerkarten gehören zu den teuersten der Saison und „Echte Liebe“ ist vielmehr ein Werbeslogan als das Gefühl, das man zum Ausdruck bringen will. In welche Richtung soll das weiter gehen?

Wir wollen unser Westfalenstadion zurück. Und dass es wieder bebt und brennt – bei JEDEM Spiel. Kriegen wir nicht? Na gut. Dann wollt ihr uns auch noch unsere Dortmunder Jungs wegnehmen? Die stellvertretend für uns auf dem Platz stehen? So jemand wie Kevin Großkreutz darf nicht einfach so gehen.

Kevin, der Fan auf dem Rasen
Natürlich müssen wir uns immer wieder anhören, dass Großkreutz mit Dönern schmeißt, in Hotels pinkelt und dass er keine glänzende Werbeikone ist. Natürlich haben wir schon Männer gesehen, die besser Fußball spielen als er. Aber wie viele haben wir gesehen, die sich „ohne zu nörgeln“ auf jede Position stellen, auf die sie der Trainer schickt? Wie viele, die immer da sind, wenn die Mannschaft sie braucht. Vor und nach dem Spiel. Wie viele Fußballspieler können jeden Fangesang auswendig? Und wie viele davon schaffen es, diese den neuen Mitspielern so schnell an den Mann zu bringen?
Kevin Großkreutz ist nicht nur in fußballerischer, kämpferischer, leidenschaftlicher Hinsicht ein Vorbild für Fans und andere Spieler, sondern ist auch in gewisser Weise der Integrationsbeauftragte von Borussia Dortmund. Es heißt, die neuen Kollegen kommen als erstes mit Kevin auf ein Zimmer. Er braucht – wahrscheinlich nicht mal – eine Nacht, um ihnen beizubringen, was es heißt, Borusse zu sein, für und in Dortmund zu spielen, vor dieser unglaublichen Kulisse, in diesem Stadion. Wir brauchen Jungs wie Kevin, weil bei „Dortmunder Jungs“ das Stadion am lautesten ist, nicht nur die Südtribüne singt und die mit den jungen Stimmbändern, sondern alle, alt und jung, Männer und Frauen und sogar diejenigen, die mit einem „Dortmunder Mädchen“-T-Shirt rumlaufen und sich auf der Stadiontoilette schminken.

Jungs wie Kevin Großkreutz zeigen, dass es Fußballer gibt, die am Boden geblieben sind.
Jungs wie Kevin Großkreutz geben uns ein Stück Tradition zurück.
Jungs wie Kevin Großkreutz lassen uns den Kopf schütteln, aber bringen uns auch zum Lächeln, über ehrliche Kommentare, wie auch wir sie gesagt hätten, über ein immerwährendes Versprechen und über ein Leuchten in den Augen, wenn er von unserer Borussia spricht.

Wir wollen nicht mehr weiter in Richtung Kommerz.
Wir wollen das bleiben, für das wir bekannt sind.
Und dafür nehme ich auch in Kauf, dass jeder zweite, der einen Blick auf mein Trikot wirft, mich fragt, ob ich einen Döner dabei habe, denn ich weiß, wofür der Name auf meinem Rücken wirklich steht.

geschrieben von Elli

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