Eua Senf

Klasse Tag, klasse Wochenende, klasse Borussia

16.06.2015, 22:27 Uhr von:  Gastautor

Es war, schon wieder (darf man das sagen?) ein Finale, das unser BVB nicht für sich entscheiden konnte, aber für viele dennoch ein Erlebnis. Unsere Gastautorin Elli beschreibt, wie sie es erlebt hat.

Mittwoch, 27.Mai 2015

Mit Schal, Fahne und Trikot in der Tasche stehe ich am ZOB in Dortmund und warte auf meinen Bus. Natürlich im leuchtend gelben Borussia-Pulli. Automatisch denke ich, dass jeder, der auf diesen Bus wartet, nur den BVB und das anstehende Pokalfinale im Kopf hat und bin sehr überrascht, als ich herausfinde, dass es wohl tatsächlich noch andere Gründe gibt, an so einem Wochenende die Fußballhauptstadt zu verlassen, um in die Bundeshauptstadt zu reisen.

Die Reise ist unspektakulär. Ich glaube, ich bin wirklich der einzige Borusse.

Obwohl das große Finale noch drei Tage hin ist, steigt die Vorfreude und wird mit jedem Meter, den wir uns Berlin nähern, größer.

In Berlin angekommen bin ich noch immer die einzige Person in schwarzgelb, jedenfalls sehe ich keine anderen. Auf dem Verwaltungsgebäude des ZOB leuchten ein Paar Pfeiler gelb in die Dämmerung. Sie erinnern mich an das geliebte Westfalenstadion und ich fühle mich gleich ein bisschen zu Hause. Ich kriege noch ein „BVB" mit Daumen hoch und ein „scheiß Farben", dem ich ein „selber!" hinterher schleudere, mit auf den Weg, dann komme ich in meiner Unterkunft an und das war's am Mittwoch mit Fußball.

Donnerstag , 28.Mai 2015

Heute ist Sightseeing angesagt. Standardtour, wie man sie kennt und immer wieder macht.

Ich freue mich, dass es etwas kühl ist, weil ich jetzt erst recht den BVB-Schal tragen kann. Mitgekommen wäre er aber so oder so. Auf dem Weg zum Brandenburger Tor sehe ich die ersten zwei Borussen. Schon aus der Ferne, nicht zu übersehen in diesem strahlenden Gelb.

„Gleichgesinnte", denke ich und lächle ihnen fröhlich zu. Sie erwidern.

Obwohl sonst nur wenige Schwarzgelbe unterwegs sind, flüstert es aus allen Ecken.

„BVB!"
„Dortmund!"
„Borussia!"
„Viel Glück!"

Von den verschiedensten Leuten in den verschiedensten Sprachen beziehungsweise mit vielen verschiedenen Akzenten kriege ich Zuspruch, ein freundliches ehrliches Lachen und viele Daumen für meinen Schal. Es fühlt sich gut an, zu wissen, dass man zu 1909% hinter dem richtigen Fußballverein steht und es ist schön zu merken, dass noch so viele Kilometer von zu Hause entfernt dieser unglaublich großartige Verein so viele Sympathisanten hat. Egal, wo man ist.

Auf dem „Heimweg" sehe ich zwei weitere Gleichgesinnte in der U-Bahn. Wir tauschen verschwörerische Blicke aus.

Noch zwei Mal schlafen!!

Freitag, 29.Mai 2015

Das Pokalfinale rückt immer näher. „Nur noch ein Tag!", denke ich beim Aufstehen und langsam fängt es an zu kribbeln. Ich nutze den warmen Freitag, um die East Side Gallery entlang zu schlendern und ein bisschen was von Kreuzberg zu sehen. Allerdings bin ich viel zu abgelenkt, all die Kunstwerke auf der Mauer zu betrachten, denn schon als ich die S-Bahn-Station verlasse, sehe ich das erste schwarzgelbe Trikot und das erste BVB-Emblem über dem Herzen eines jungen Mannes. Den ganzen Weg über
kommen mir welche entgegen.

Man tauscht Blicke aus. Ein Highfive hier, ein „Auf einen Sieg" da und immer wieder wird man von „außenstehenden" angesprochen, die „Viel Glück" und „Good Luck" wünschen und die dir, als hättest du es vorher nicht gewusst, erzählen, wie großartig dein Verein ist, wie beeindruckt sie von ihm sind und von seinen Anhängern erst. Die Südtribüne hat sie alle verzaubert.

Auch auf dem Breitscheidplatz, auf dem am Vortag nur ein verlassener „Fanshop"-Wagen stand, ist heute schon ordentlich was los. Zwar eine überschaubare, aber durch und durch schwarzgelbe Masse.

Man schenkt mir ein „Ballspielfinale 2015"-Bändchen und ich freue mich riesig, weil ich mich so auch abends im Klub ganz offensichtlich zum BVB bekennen kann. Umso größer ist die Freude, als ich abends im Klub tatsächlich Menschen im Borussia-Trikot antreffe.

Samstag, 30.Mai 2015

Es ist schon nach 0 Uhr. Es ist schon der Tag. Der Tag, auf den wir seit Wochen hinfiebern und seit Monaten hoffen. Es ist Spieltach.

„Ich muss schnell nach Hause", denke ich, damit ich schnell schlafen kann, damit schnell der nächste Morgen ist!

Später am Samstag

Ich wache noch vorm Wecker auf. Meine innere Uhr weiß, es ist Zeit. Borussia spielt! Geil!

Nicht nur, weil es so ein besonderes Spiel ist, weil wir den Pokal wollen, weil wir einen gewaltigen Abschied für unseren Trainer und unseren Kapitän wollen, nicht nur, weil es „lässig" wäre, noch einmal mitm Laster übern Borsigplatz zu fahren, sondern auch, weil wir unsere Jungs so gerne spielen sehen und anfeuern und uns diese Freude ab heute Abend nach Abpfiff für einige, viel zu lange Wochen verwehrt bleiben wird. Weil die Sommerpause ansteht und wir ein bombastisches Abschlussspiel sehen wollen, weil wir noch einmal unsere Borussia sehen wollen, bis wir dann fast drei Monate lang schmachten müssen.

Schon beim Frühstück habe ich mein Trikot an, schlürfe meinen Tee (wie immer eigentlich) aus einer BVB-Tasse und versuche schnellstmöglich mein Brötchen runter zu schlingen, damit ich so schnell wie möglich in die Innenstadt kann, die sich heute in ein Meer aus Schwarzgelb verwandeln wird.

Obwohl ich eher außerhalb untergebracht bin, laufen mir schon auf dem Weg zur S-Bahn einige Borussen über den Weg.

Als ich die Treppen zum Bahnsteig nehme, traue ich meinen Augen nicht. Ich muss wohl noch schlafen! Ich blinzele mehrmals und denke, es liegt an meiner Sehschwäche, aber was meine Augen da sehen, ist tatsächlich echt. Grün-weiß tut es sich vor mir auf. Ein Wolfsburger! Es gibt sie also tatsächlich. Kaum zu glauben. Aber er war einer, einer von sechzehn, die ich in Berlin gesehen und gezählt habe.

Mit der S-Bahn fahre ich nach Dortmund, jedenfalls kommt es mir so vor, als ich am Bahnhof Zoo aussteige. Schwarzgelb. Wohin das Auge reicht. Ich stimme sofort in die vertrauten Fangesänge mit ein.

„Hurra, hurra, die Dortmunder sind da!" für jeden, der uns vielleicht noch übersehen hat. Der Breitscheidplatz erstrahlt in unseren Farben, ein Lächeln erstrahlt auf jedem Gesicht, in das ich schaue. „Keiner ahnt es, ..." singe ich vor mich hin und freu mich wie Bolle. Ich will diesen Pokal! Alle wollen ihn. Und alle wollen Borussia. Die Stunden vergehen, der Verein wird gefeiert, die Aufregung wird mit jeder weiteren Stunde, die vergeht, immer größer.

Langsam ist es so weit. Fürs Stadion hat es leider nicht gereicht, also mache ich mich mit hunderten anderen Borussen auf den Weg zum Tempelhofer Feld. Es ist voll, die Stimmung ist gut, gleich wird das Spiel angepfiffen, das Spiel, auf das wir uns alle so lange gefreut haben.

Als das erste Tor fällt, sehe ich den Pokal fast sicher in unseren Händen. Eine Niederlage? War sowieso keine Option für mich.

Dann geht es bergab. Mit jeder Spielminute und jedem Tor sinkt meine Laune. In der Halbzeit ist sie fast am Boden, auf dem ich sitze und tröstende Blick, aufmunternde Kopfstreichler und motivierende Worte von meinen Gleichgesinnten kriege.Trotz der Tatsache, dass wir mit zwei Toren zurückliegen, glaube ich noch fest daran, dass ich morgen auf dem Borsigplatz unsere Jungs als Pokalsieger feiern werde. Selbst in der 89. Minute und in den vier Minuten Nachspielzeit gebe ich die Hoffnung nicht auf. „Seit Málaga ist alles möglich", versuche ich meinen Nachbarn aufzumuntern, der seinen Kopf in meiner Schulter vergräbt. „Seit Málaga ist alles möglich", mein Fußballmotto, dass mich seither jedes Spiel bis zum (bitteren) Ende durchstehen lässt und so gut zum BVB passt wie zu keinem anderen Verein der Welt.

Leider reicht es nicht mehr zum Ausgleich oder wenigstens zum Anschlusstreffer, zu einem Zeichen, dass wir da waren. Der Abpfiff ertönt und die ersten Tränen kullern mir über die Wangen. Ebenso schnell wie ich anfange zu weinen fängt der Pulk an zu singen.

„Unser ganzes Leben, unser ganzer Stolz!", und wenn man nicht wüsste, wie der BVB Siege feiert, dann könnte man meinen, der Pott wäre unserer.

Auf dem Weg nach Hause begegne ich nicht vielen Leuten. Ein paar schicken mir ein mitleidiges, aber ehrlich gemeintes „ooh..." hinterher. Ich will nach Hause.

Obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, den übrigen Abend und den kompletten Sonntag zu trauern und nölen, schafft es ein Ehepaar in der U-Bahn mit den Worten, die mir seit Tagen im Hinterkopf herum schwirren, mir ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

„Wir sind so ein toller Verein.

Wir haben eine großartige Mannschaft. Und die Fans erst! Wir hatten eine klasse Zeit unter Kloppo. Und was das wichtigste ist: Wir hatten heute ALLE einen wunderbaren Tag. Denk doch mal nach, wie es dir vor zwei Stunden ging. Du hast einen klasse Tag gehabt, oder?"

Und wie.
Klasse Tag, klasse Wochenende, klasse Borussia.

So oft ist sie Auslöser für kleine Reisen wie diese. Egal ob Sieg oder Niederlage, ich liebe es, die Mannschaft zu feiern, mit diesen Fans. Ich liebe es, ein breites Grinsen ins Gesicht zu kriegen, sobald ich unser Logo sehe, sobald ich unsere Lieder höre, sobald ich die Pylone unseres Stadions sehe. Ich liebe es, Teil dieses unglaublichen Vereins zu sein, zu dieser Familie zu gehören, Teil zu haben an all den außergewöhnlichen Momenten, die wir schon hinter uns haben und Teil zu haben an allen, die noch kommen werden, in der unendlichen Geschichte des Ballspielvereins Borussia aus Dortmund.

Sonntag, 31.Mai 2015

"Tut immer noch weh", denke ich beim Aufstehen und ich kann nicht anders, als den kompletten Sonntag über vor mich hinzuschmollen.

Aber ich schmolle mit Stolz, weil ich weiß, dass diese Momente wieder kommen werden und die Tatsache, dass ich so niedergeschlagen bin, wegen „nur Fußball", bedeutet, dass ich auch wieder über den Wolken schweben werde, wegen „nur Fußball". Und das ist es doch, was es ausmacht.
Ich freue mich, wieder nach Dortmund zu fahren, freue mich über jeden Schal, jedes Trikot und jeden Aufkleber, die ich auf der Autobahn sehe, auch wenn dazu ausdruckslose, leere Gesichter gehören.
Ich freue mich über „nur Fußball."
Ich freue mich auf das nächste Spiel.
Und vor allem freue ich mich, für immer Borusse zu sein.

Fotos: Norman Mayer

geschrieben von Elli

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